Bisher konnte Haas auf eine schnelle Runde überzeugen. Nico Hülkenberg zog bis zur Sommerpause 2023 sogar siebenmal ins Q3 ein. Im Renntrimm bildete das amerikanische Team jedoch das Schlusslicht. Grund hierfür ist der extreme Reifenverschleiß, auf den Haas immer noch keine entscheidende Antwort finden konnte. Teamchef Günther Steiner hofft, dass Ferrari bald eine Lösung findet.

Ist Ferrari die letzte Hoffnung für Haas?

Kevin Magnussen beim Sprint Shootout in Spa-Francorchamps
Kevin Magnussen am Samstag in Belgien 2023, Foto: LAT Images

Neben Haas gibt es auch ein zweites Team, dass mit nahezu identischen Problemen zu kämpfen hat: Ferrari. Da es sich bei Haas um Ferraris Kundenteam handelt, wurde in der Vergangenheit schon oft eine Relation vermutet. Das amerikanische Team bezieht nämlich nicht nur die Power Unit von Ferrari, sie kaufen auch das Getriebe und andere Komponente für ihren VF-23 ein.

Mit dem Finger wollte Haas bisher aber nicht auf die Scuderia zeigen. Der hohe Reifenverschleiß sei laut Steiner nicht hundertprozentig auf die Komponenten aus Maranello zurückzuführen. Doch auch Ferrari fand noch keine Lösung für das Problem. Erst vor kurzem hegte Steiner noch den Verdacht, dass der Windkanal der Scuderia - den auch Haas nutzt - der Ursprung des Problems sein könnte.

Zuletzt weigerte sich Steiner noch auf eine Lösung von Ferrari zu warten und suchte mit seinem Team nach einer Antwort auf das Problem - ohne Erfolg. Mittlerweile änderte er seine Meinung und hofft auf einen Lichtblick seitens der Scuderia: "Wenn sie [Ferrari] es lösen, ist es fantastisch, denn dann finden wir hoffentlich auch eine Lösung. Aber wenn sie es nicht lösen, scheint es ein großes Problem zu sein. Und wenn sie das Problem nicht lösen können, wird es für uns noch schwieriger werden."

Christian Danner: Den Reifenverschleiß zu minimieren ist keine Hexerei

Nico Hülkenberg beim Sprint Shootout in Spa-Francorchamps
Nico Hülkenberg am Samstag in Belgien 2023, Foto: LAT Images

Auch Formel-1-Experte Christian Danner sieht die Schuld beim VF-23. "Das hat nichts damit zu tun, dass der Fahrer nicht weiß, wie er die Reifen managen soll, das weiß er ganz genau. Das weiß jeder Profi", so Danner gegenüber Motorsport-Magazin.com . "Es ist ein Zusammenspiel von Federn, Dämpfer - Stoßdämpfer machen da sehr viel aus - und natürlich Aerodynamik, die diesen Reifenverschleiß kreieren."

"Und wenn es so ist wie bei Haas, dass das Auto dramatisch um Sekunden langsamer fährt, dann kannst du im Cockpit überhaupt nichts machen. Dann ist es Konstruktionsbedingt", sagte der Formel-1-Experte. Kritisch betrachtet er die Handhabung mit dem Problem. "Es ist höchste Zeit, dass man bei Haas mal nachdenkt - das machen sie ja schon die ganze Zeit - und eine Lösung findet, um die Parameter auf die Reihe zu kriegen, die es braucht, um den Reifenverschleiß zu minimieren. Das ist keine Hexerei"

Laut Danner gehören die Reifen, das Fahrwerk und die Aerodynamik zum Formel-1-Tagesgeschäft: "Es ist nicht neu, dass man sich bei einem Formel-1-Auto mit diesen Dingen auseinandersetzen muss." Trotzdem hat er Verständnis für die Lage des amerikanischen Teams. "Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach ist, aber gerade, wenn wir Fahrer haben, die "Alonsoesque" sind, dann tut auch manchmal ein Ingenieur gut, der "Neweyesque" ist und alles schon einmal erlebt hat", lobt Danner Red-Bull-Ingenieur Adrian Newey.

Wie viel 'Reifenflüsterer' muss ein Formel-1-Fahrer heute noch sein? Darüber spricht Christian im Video mit Formel-1-Experte Christian Danner:

Danner: Nico Hülkenberg ausgebremst! Was fehlt im Rennen? (52:35 Min.)

Keine Lösung für Haas' Achillesferse

Die Erkenntnis, dass das Problem weder an den Strecken noch an den Fahrern liegt, sondern am VF-23 hatte nun auch Haas. "Wir haben schon in Bahrain etwas bezüglich der Reifen gemerkt. Aber dort haben wir es ein wenig auf die Strecke geschoben, weil es die Rennstrecke ist, die die Reifen am meisten beansprucht", so Steiner. Große Sorgen machte sich Haas erst einmal nicht.

In Saudi-Arabien folgte nämlich schon der erste Punkt der Saison. "Wir haben nach Bahrain daran gearbeitet, das war nicht genug. Und dann haben wir ein paar gute Ergebnisse eingefahren. Die Sache ist ein bisschen ins Hintertreffen geraten", erinnert sich der Teamchef. Auch in Australien und Miami punktete das amerikanische Team. Doch abgesehen vom Sprint in Österreich konnte Haas bis zur Sommerpause die guten Startpositionen nicht mehr in Punkte umwandeln.

"Zu diesem Zeitpunkt hatten wir keine Daten über die anderen Autos, die offensichtlich zeigten, dass wir höhere Temperaturen haben", sagte Steiner. "Und gibt es noch einen anderen Grund für den starken Reifenabbau? Vielleicht ja." Eine eindeutige Lösung hat Haas für den reifenfressenden VF-23 also noch nicht gefunden. "Soweit ich weiß, wurde einiges davon behoben. Aber nicht vollständig. Wir verstehen einen Teil davon, weil wir mit zu hohen Temperaturen unterwegs sind, aber da könnte auch etwas anderes sein. Man muss die Dinge beheben, die man kennt, und dann findet man das nächste [Problem]."

"Man kann nie warten, bis man den heiligen Gral in der Hand hält. Wenn ich wüsste, warum Red Bull so schnell ist, warum machen wir dann nicht dasselbe? Man muss es langsam angehen", so der Teamchef. Mit aerodynamischen Updates wollte das Team die Probleme nach und nach beheben. Doch ein Blick auf die Updates aller Teams zeigt, dass das amerikanische Team im Wettrüsten drastisch im Rückstand liegt. Bis zur Sommerpause brachte Haas nur 14 Updates, davon 3 am Unterboden. Damit bildet das Team in Sachen Weiterentwicklung das Schlusslicht.

"Die Probleme behebt man Stück für Stück, in der Hoffnung, dass die anderen keinen weiten Sprung machen und man aufholen kann", sagte Steiner. Doch genau dieses Szenario traf noch vor der Sommerpause ein. In der ersten Saisonhälfte musste sich McLaren am Ende des Felds oft mit dem Haas messen. Doch mit dem Weiterentwicklungsplan brachte der britische Rennstall zügig Updates an den Start und kann nun wieder um Podiumsplätze kämpfen.

In unserem Team-Check 2023 fasst Christian für euch noch einmal die wichtigsten Punkte zur ersten Saisonhälfte von Haas zusammen. Hier kommt ihr zu unserem Video:

F1 Team-Check: Aston Martin im Formtief! Was steckt dahinter? (16:22 Min.)

Haas gesteht Entwicklungs-Fehler ein

Die Einsicht ist der beste Weg zur Besserung: Das bekamen auch die Haas-Ingenieure früh zu spüren. "Wenn es falsch ist, dann haben sie [Ingenieure] es nicht absichtlich falsch gemacht, sondern sie dachten, es sei richtig", so Steiner. Abgesehen von Haas und Ferrari haben die anderen Teams den Reifenverschleiß weitestgehend im Griff. "Das ist wie ein Teufelskreis. Andere Leute können mit den Reifen anders umgehen, irgendwann muss man zugeben, dass es falsch ist."

"Wir bekommen die gleichen Reifen und wir haben jetzt auch die gleichen Räder. Früher hatte man auch noch unterschiedliche Felgen. Jetzt hat jeder die gleichen Felgen und die gleichen Reifen, also muss etwas mit dem Auto nicht stimmen. Natürlich ist die Einsicht, der erste Schritt, besser zu werden", gab der Teamchef zu. In der Konstrukteurswertung liegt Haas derzeit mit 11 Punkten auf dem 8. Platz. Das zu jagende Team ist Williams, die zur Sommerpause aber noch einen drastischen Schritt nach vorne machten.