Sollte jemand unabsichtlich nur die Qualifying-Ergebnisse von Nico Hülkenberg vor sich haben - die Formel-1-Saison 2023 von Haas würde sensationell aussehen. Doch vom erhofften regelmäßigen Punktekampf im Mittelfeld ist nicht viel übriggeblieben. Das Halbzeit-Fazit für Haas, Hülkenberg und Co. zeichnet einen Tanz mit dem schwarzen Teufel der Formel 1 nach.
Ziel vs. Realität:
Zwei Jahre hat Haas fast komplett abgeschrieben, um sich auf das 2022 eingeführte Aero-Reglement zu fokussieren und sich wieder als Punkte-Kandidat im Mittelfeld zu etablieren. 2022 war der erste Schritt getan - ein Auto, das zumindest auf einigen Strecken punkten konnte. 2023 beabsichtigte Haas dank neuem Hauptsponsor und mit dem erfahrenen Nico Hülkenberg im zweiten Auto nun mehr Konstanz hineinzubringen. Im Vorjahr war der VF-22 nur auf passenden Strecken schnell.
Am Ende von 2022 war das kaum geupdatete Auto fast nicht mehr zu Punkten fähig. Der Nachfolger VF-23 ist ohne Zweifel konstant schnell, erreichte trotz zunehmender Leistungsdichte im Vorderfeld in sieben von zwölf Rennen Q3 und scheiterte in zwei weiteren nur knapp. Doch er hat ein fundamentales Problem. Sofern es keine schonenden Strecken sind, vernichtet er im Rennen die Reifen. Fast überall beginnen die Fahrer nach ungefähr zehn Runden zu rutschen - und erholen sich nicht mehr. Auf mehr als einer Strecke war der VF-23 ein Q3-Auto, aber das langsamste im Renntrimm.
Entwicklung 2023:
Mehr als nur ein Paket wie im Vorjahr versprach Haas, aber verglichen mit den meisten Konkurrenten wurde noch immer sehr wenig entwickelt. In Miami, Kanada und Ungarn wurden modifizierte Unterböden gebracht, in Monaco ein neuer Frontflügel. Revolution sieht anders aus. Aber mit hinein spielt hier das Reifen-Problem. Das ist nämlich auch nach zwölf Rennen allgegenwärtig.
Haas war sich lange nicht sicher, woran es liegt. Eigene Aero-Entwicklung? Von Ferrari zugekaufte Aufhängung? Ferrari-Windkanal? Erste Fortschritte stellten sich erst kurz vor der Sommerpause ein. Hülkenberg gab sich nach Spa optimistisch: Verständnis des Problems stellt sich ein, aber es braucht massive Updates. Von einem Umfang, der wohl nicht unbedingt noch 2023 zu schaffen ist. Und mechanische Komponenten wie die Aufhängung bleiben ebenso weiter im Fokus. Hier geht vor 2024 nichts.
Höhepunkt 2023: Hülkenberg mischt Spielberg auf
Highlights für Haas zu benennen ist schwierig. Letztendlich landet man dabei zwangsweise in der Garage von Hülkenberg. Sensations-P2 im Kanada-Qualifying, wackerer Kampf bis auf P7 in Australien im Rennen. Die beste Leistung von ihm und dem Team war der Sprint-Samstag in Österreich. Bei Mischbedingungen qualifizierte sich Hülkenberg auf P4, fuhr elf Runden im Nassen auf P2, und dann machten er und das Team einen mutigen, richtigen Call zum Slick-Wechsel, dank dem er trotz starker Konkurrenz im Trockenen noch den sechsten Platz erkämpfen konnte. Der Sonntag endete dafür nach einer Handvoll Runden mit Motorschaden.
Tiefpunkt 2023: Die Chaos-Truppe von Monaco
Spanien, Kanada, Ungarn, Belgien - die Auswahl an enttäuschenden Rennen ist groß. Aber Monaco tut weh, weil es eine echte verpasste Chance war. Hier zählt Reifenverschleiß kaum. Aber nach einer roten Flagge verbockte den Fahrplan in den entscheidenden Minuten, woraufhin beide Fahrer in Q1 ausfielen. Das Rennen war eine Chaos-Veranstaltung. Hülkenberg erhielt eine kontroverse Strafe, dann noch eine für das inkorrekte Absitzen der ersten. Günther Steiner wurde verwarnt, weil er die Stewards als "Laien" bezeichnete. Magnussens Auto fiel ohne Grund in Anti-Stall, dabei wurde er gerammt, das Auto war beschädigt. Beide blieben dann bei einsetzendem Regen mit Slicks auf der Strecke, um auf einen Abbruch zu warten, der nie kam. 17. und 19. statt Großchance.
Hülkenberg bringt Magnussen in Bedrängnis
Nico Hülkenberg
WM: 14. Platz (9 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,71 (10. Platz)
Nico Hülkenbergs Comeback als Vollzeit-Formel-1-Pilot startete in den ersten Rennen holprig. Mit dem Rennmanagement kam er - besonders bei den Reifen-Eigenheiten - noch nicht so gut zurecht, schloss aber im Verlauf die Lücke. Australien und der Österreich-Sprint legen zumindest Fortschritt im Rennen nahe, auch wenn die zu oft unterirdische Haas-Performance es schwierig einzuschätzen macht. Hülkenbergs Qualifying-Leistungen stehen außer Frage. Bei Mischbedingungen trumpfte er mehrmals ganz groß auf, mit dem zweiten Platz in Kanada als besonderes Highlight.
Kevin Magnussen
WM: 18. Platz (2 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 3,56 (19. Platz)
Bei Kevin Magnussen weitet sich die Saison zu einem kleinen Krisenjahr aus. Konnte er zu Beginn zumindest noch im Rennen gegen Hülkenberg glänzen, so ist er inzwischen verblasst. Kein Vertrauen ins Auto im Qualifying. Ab Australien begann er sich auf Setup-Seite in Richtung Hülkenberg zu orientieren, nur ein vierter Platz in Miami war aber das einzige Highlight. Seither schaffte er auch keinen Punkt mehr. Während Hülkenberg im Qualifying das Auto ausquetscht und so die Chance auf Achtungserfolge schafft, beginnen Magnussens Rennen schon so weit hinten, dass sich diese Chancen praktisch nie bieten. Dann hilft auch durchschnittliche Rennpace nichts.
Fazit und Ausblick:
Alles bei Haas wird von den Reifenproblemen überschattet. Solange hier keine eindeutige Antwort gefunden ist, wirkt die Saison 2023 ziellos. Die Antwort abzusichern ist auch das Wichtigste für die zweite Saisonhälfte. Ihr muss der Hauptfokus gelten. Nicht der Suche nach kurzfristiger Performance. Sonst könnte der Tanz mit dem Teufel 2024 in die nächste Runde gehen.
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