Langjährige Fans wissen es schon - Boxenstopps sind in der Formel 1 heute die Domäne von Red Bull. Wohl nahmen es die Boxen-Dominatoren persönlich, dass im Vorjahr mit den neuen Reifen und Regeln die Konkurrenz auch nur näherkam. 2023 schlagen die Weltmeister mit voller Wucht zurück.

Die Red-Bull-Mechaniker liefern eines der besten Jahre überhaupt ab. Das enthüllt die große Boxenstopp-Analyse von Motorsport-Magazin.com. Wie auch die Probleme bei Mercedes zunehmend ernst werden.

Red Bull: Boxenstopps von einem anderen Stern

Kurz zur erinnernden Einleitung: 2021 wurden neue Beschränkungen eingeführt, die das Automatisieren der Freigabe bei Stopps eingeschränkt haben. Dann kamen 2022 die neuen Autos, mit neuen schwereren 18-Zoll-Felgen, neuen Aufhängungen, und die Teams hatten im Vorjahr kaum Übungszeit. Entsprechend waren Boxenstopps in der ganzen Formel 1 im Vorjahr langsamer geworden.

Keiner hat diese Widrigkeiten so gut weggesteckt wie Red Bull. Zuerst einmal führen sie 2023 in allen Wertungen. Wenn Max Verstappen und Sergio Perez vor ihrer Garage anhalten, können sie sich praktisch blind auf ihre Crew verlassen. In 60 Prozent der Fälle fahren sie nach 2,5 Sekunden oder noch früher wieder los. 88 Prozent der Stopps dauern weniger als 3 Sekunden.

Auch am anderen Ende dominiert Red Bull. Gerade einmal ein einziger regulärer Reifenwechsel dauerte länger als 4 Sekunden. Das alles macht den Saison-Schnitt atemberaubend: 2,59 Sekunden. Das ist der drittbeste Saison-Schnitt seit dem Einführen der breiteren Reifen 2017. Nur 16 Hundertstel fehlen auf den Rekord-Schnitt von 2020. Wenn man bedenkt, wie viel schwieriger die Stopps seither wurden, dann muss man eigentlich 2023 als die bisher beste Saison deklarieren.

Die schnellsten Boxenstopps der Formel-1-Saison 2023

P.TeamFahrerZeitRennen
1Red BullPerez1,98Ungarn
2McLarenPiastri2,01Ungarn
3Red BullPerez2,07Spanien
4FerrariLeclerc2,1Saudi-Arabien
5McLarenNorris2,1Österreich
6Red BullPerez2,11Australien
7FerrariSainz2,14Ungarn
8Red BullPerez2,15Monaco
9McLarenNorris2,15Ungarn
10FerrariLeclerc2,19Belgien

Der Boxenstopp-Weltrekord in der Formel 1 liegt bei 1,82 Sekunden, aufgestellt von Red Bull 2019 in Brasilien.

Der 1,98-Sekunden-Stopp von Sergio Perez in Ungarn ist der schnellste Stopp des Jahres, und erst der zweite Stopp unter 2 Sekunden mit den neuen Regeln. Die Top-10 zeigen, wer bei Reifenwechseln 2023 den Ton angibt: Neben Red Bull sind nur McLaren und Ferrari noch vertreten. Im Kampf um den DHL Fastest Pit Stop Award, für den in jedem GP die Top-10 in der Stopp-Tabelle Punkte bekommen, führt Red Bull deutlich vor Ferrari.

Ferrari hat sich endgültig als zweitbestes Team etabliert. Im Vorjahr waren die Mechaniker aus Maranello noch schnell, aber fehleranfällig. Da wurde im Winter nachgeschärfft, die Fehlerquote (4 Sekunden oder mehr) wurde von 13 auf 9 Prozent und der Saison-Schnitt von 3,28 auf 2,90 gedrückt.

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Überhaupt ist 2023 Verbesserung angesagt. Es zeigt sich fast überall, dass die Mechaniker nun schon ein Jahr Erfahrung mit dem neuen Material haben. Durch die Bank fallen Fehlerquote, und Stopp-Zeiten. Neben Ferrari ist Aston Martin auch hier besonders positiv zu erwähnen. Dort war die Fehlerquote hoch. Dieses Jahr ist man auf einem Niveau angelangt, dass dem eines Teams mit Top-Ansprüchen entspricht.

Mercedes-Boxenstopps auch 2023 ein Problem

Nur Mercedes sperrt sich an der Spitze gegen den Trend. Was nicht positiv ist. Gerne hebt man hervor, dass man bei Boxenstopps lieber berechenbar als schnell und fehleranfällig ist, weil man die Strategie dann besser planen kann. AlphaTauri ist Musterexemplar dieses Prinzips: Keine Verbesserung zu 2022 und nur 29 Prozent unter 2,5, aber auch nur 9 Prozent über 4 Sekunden. Die Mechaniker aus Faenza sind unauffällig solide.

Wie bei auch bei Ferrari oder Aston Martin sind auch nur 9 Prozent der Mercedes-Stopps langsamer als 4 Sekunden - aber die Konkurrenz wird insgesamt schneller. Mercedes nicht. Die durchschnittliche Standzeit hat sich seit dem Vorjahr nur um 0,01 Sekunden verbessert. Wenn Lewis Hamilton und George Russell losfahren, haben sie unschuldig im Schnitt schon 2 Zehntel auf McLaren und Aston Martin verloren und 3 auf Ferrari.

Besonders schlimm würde es aussehen, wenn Mercedes direkt gegen Red Bull fahren würde. Die waren im Vorjahr schon besser, und haben sich über den Winter noch einmal verbessert. Jetzt ist ein Red-Bull-Stopp im Schnitt 6 Zehntel schneller als ein Mercedes-Stopp. Lewis Hamilton müsste also etwa 6 Zehntel näher an einem Konkurrenten dran sein, um einen Undercut - Überholen durch früherem Boxenstopp - zu versuchen. Was bedeuten kann, dass er vor dem Stopp tief in die verwirbelte Luft des Vordermannes hineinfahren muss. Das ist auf alten Reifen nicht leicht.

Schlechteste Boxenstopps bleiben 2023 bei Haas & Alfa-Sauber

Richtig schlimm sieht es am Ende des Feldes aus. Wobei es schon einmal schlimmer stand um die Haas-Boxenstopps. 2023 konnten sie sich in Saudi-Arabien rühmen, zum ersten Mal seit dem Katar-GP 2021 wieder einen Reifenwechsel unter 3 Sekunden geschafft zu haben. Sechs kamen seither hinzu. Leider ist die Fehlerquote mit 25 Prozent über 4 Sekunden noch immer immens, aber ein erster Schritt ist getan.

Alfa Romeo sucht diesen Schritt noch. Kein Team hat eine so diverse Fehlerbilanz wie die Schweizer. 43 reguläre Reifenwechsel, keiner stoppte öfter, und trotzdem sind die Stopp-Zeiten wie im Vorjahr breit gestreut. Valtteri Bottas und Guanyu Zhou kann praktisch alles passieren, sobald sie angehalten haben. Von einem soliden 2,68-Sekunden-Stopp bis zu einem 8,4-Sekunden-Totalausfall.