Max Verstappen und Gianpiero 'GP' Lambiase sind nicht die typische Fahrer-Renningenieur-Kombination in der Formel 1. "Sie sind manchmal wie ein altes Ehepaar", beschrieb Red-Bull-Teamchef Christian Horner die Beziehung zwischen seinem Schützling und dessen Renningenieur. Diese Ehe folgt dabei dem Motto: "Gegensätze ziehen sich an." Während Verstappen, vor allem in seinen ersten Formel-1-Jahren, für seine kurze Zündschnur und sein Temperament bekannt ist, zeichnet Lambiase seine Scharfsinnigkeit, Gelassenheit und Präzision aus - eine Kombination, die sich vor allem in dieser Saison perfekt ergänzt.

Allerdings gibt es auch in einer Ehe nicht nur rosige Zeiten. Oftmals kommt es zwischen den beiden am Funk zu Meinungsverschiedenheiten - zuletzt beim Belgien GP. Im Qualifying für das Hauptrennen schied Verstappen nur um Haaresbreite nicht im Q2 aus und ließ seinem Ärger am Funk prompt freien Lauf. "Wie ich gesagt habe, ich hätte einfach *** zwei Runden in Folge machen sollen", schimpfte Verstappen. "Du bist durch Max", entgegnete Lambiase.

Doch das reichte für den Niederländer nicht aus: "Es ist mir scheißegal, wenn ich auf P10 durchkomme. Das ist eine *** Strategie." Das ließ sich Lambiase nicht bieten und konterte Verstappen: "Und als die Strecke für deine finale Runde zwei Sekunden schneller war, hattest du keine Energie mehr übrig. Wie würde das enden? Du sagst mir, was du in Q3 machen willst, und wir werden es machen." Nach dem Qualifying waren die Meinungsverschiedenheiten bereits aus der Welt geschafft und beide Protagonisten fuhren mit dem Wochenende wie gewohnt fort.

Renningenieur hält Max Verstappen im Zaum

Der Vorfall aus Belgien verdeutlicht die oftmals komplizierte Beziehung zwischen einem Formel-1-Fahrer und seinem Renningenieur. Im Eifer des Gefechts oder nach einem Strategie-Patzer ist der Renningenieur der Erste, der den Ärger des Fahrers abbekommt. Im Regelfall nimmt dieser das kommentarlos hin, Gianpiero Lambiase stellt allerdings eine Ausnahme dar und bildet den Gegenpol zu dem manchmal zu temperamentvollen Verstappen. So zum Beispiel beim Großen Preis von China im Jahr 2018. In der ersten Runde des Rennens zog Verstappen in Kurve 6 an Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen vorbei, schob sich auf den dritten Platz vor und gab dem Routinier am Funk noch ein paar Worte mit: "Bis *** später, mein Sohn." Lambiase fing seinen Fahrer sofort ein: "Jetzt bloß nicht gierig werden, Max. Das ist gut, beruhige dich".

Beim China GP 2018 kamen sich Verstappen und Räikkönen mehrmals nah, Foto: Sutton
Beim China GP 2018 kamen sich Verstappen und Räikkönen mehrmals nah, Foto: Sutton

Eine andere interessante Konversation zwischen den beiden bekam die Welt beim '70th Anniversary Grand Prix' der Formel-1-Saison 2020 in Silverstone zu hören. Verstappen, der auf den besseren Reifen ausnahmsweise den überlegenen Mercedes gefährlich werden konnte, wurde von seinem Renningenieur dazu angewiesen, Abstand zu halten und seine Reifen zu schonen. Während andere Fahrer die Anweisung einfach akzeptieren würden, entgegnete Verstappen: "Das ist unsere einzige Chance, nah an Mercedes zu sein. Ich werde sicher nicht einfach hinterherfahren wie eine Oma." Der Erfolg gab dem Niederländer Recht. Am Ende konnte Verstappen das Rennen in Silverstone gewinnen.

Max Verstappen feiert seinen ersten Sieg in der Formel 1 beim Spanien GP im Jahr 2016
Beim Spanien GP 2016 konnte Max Verstappen seinen ersten Rennsieg feiern, Foto: LAT Images

Verstappen und Lambiase: Ein Traumpaar seit Tag 1

Lambiase begleitet den fliegenden Holländer bereits seit seinem ersten Rennen für Red Bull Racing, dem Großen Preis von Spanien 2016. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden hätte dabei kaum besser starten können, denn als die beiden Top-Favoriten auf den Sieg, Lewis Hamilton und Nico Rosberg, sich bereits in der ersten Runde gegenseitig aus dem Weg räumten, öffnete sich der Weg für den damals erst 18-jährigen Verstappen, der die Chance direkt ausnutzen konnte und sich als bis dahin jüngster Formel-1-Sieger in die Geschichtsbücher eintragen durfte. "Unglaublich Max, unglaublich", funkte Lambiase fassungslos, als Verstappen die Ziellinie als Erster überquerte. Von da an entwickelte sich die Kombination zwischen den beiden zu der Erfolgsgeschichte, die in der aktuellen Saison Kreise um die Konkurrenz fährt.

Dass 'GP' mittlerweile an der Seite von Max Verstappen steht, ist aber eher eine glückliche Fügung. Eigentlich wollte der Renningenieur mit einem anderen Red-Bull-Weltmeister zusammenarbeiten - Sebastian Vettel. Dieser lotste Lambiase nach mehreren Gesprächen in der Saison 2014 von Force India zu Red Bull. Doch dann machte Vettel Gebrauch von einer Klausel in seinem Vertrag und wechselte zu Ferrari - der Deal zwischen Lambiase und Red Bull war zu dem Zeitpunkt allerdings schon abgeschlossen. Statt mit dem viermaligen Weltmeister musste Lambiase also mit Danil Kvyat vorliebnehmen, der nach etwas mehr als einer Saison von Verstappen ersetzt wurde und die 'Verstappen-Lambiase-Ehe' ins Leben rief.