Wie viel einfacher ist das zweite Jahr in der Formel 1?
Zhou Guanyu: Für mich ist es mental und körperlich generell einfacher, denn du gewöhnst dich an die Formel-1-Welt - abgesehen vom Fahren, welches sich automatisch durch mehr Erfahrung und mehr Wissen verbessert. Die Formel 1 ist auch darauf bezogen, wie du mit den Leuten arbeitest sehr intensiv. Es gibt viele Gespräche vor den Rennen darüber, wie du mit dem Druck umgehst - und du hast immer viel Druck von den Leuten innerhalb, als auch außerhalb des Teams.

Ich fühle mich bei Alfa Romeo jetzt mehr zuhause. Alles fühlt sich einfacher an, um ehrlich zu sein. Ich weiß, dass wir wahrscheinlich nicht so ein starkes Auto wie letztes Jahr haben werden, aber ich war zumindest in der Lage die Lücke zu meinem Teamkollegen zu verkleinern und ihn mehr zu pushen. Das ist sehr wichtig.

Wo hast du dich persönlich verbessert?
Zhou Guanyu: Ich bin ein kompletterer Fahrer. Ich habe meine Qualifying-Performances verbessert, da hatte ich letztes Jahr Probleme. Ich werde besser, aber ich kann mich immer noch verbessern. Im letzten Jahr ging es generell eher darum, Informationen über meine Schwächen zu sammeln. Es gibt sicherlich immer noch Raum für Verbesserung. Ob du schneller oder langsamer bist, hängt vom Jahr und von deinem Paket ab. Was den Fahrer angeht machst du hinter den Kulissen definitiv Fortschritte. Das ist das wichtige für mich.

Viele Fahrer sagen, dass sie fahrerisch nicht schneller werden - Fahren können sie schon gut genug. Es heißt, es seien die vielen kleinen Dinge, wie das Verständnis für die Reifen, für die Prozedere, für das Setup und so weiter, die einen schnell machen - aber nicht das Fahren selbst. Würdest du da auch zustimmen?
Zhou Guanyu: Ich stimme da so zu 60-70 Prozent zu. Es gibt sehr kleine Details, die man verbessern kann. Es geht mehr darum, wann du dich wie komfortabel fühlst. Im letzten Jahr zum Beispiel konnte man in FP3 an diesem Punkt sein, jetzt ist man schon am Freitag bereit, also kannst du das Auto schon dort ans Limit bringen. Jetzt weißt du schon in welche Richtung du mit dem Auto gehen willst, anstatt andauernd zu versuchen, das Fahren an sich zu verbessern. Diese Dinge sind wirklich wichtig.

Zhou Guanyu punktete in Melbourne und Barcelona, Foto: LAT Images
Zhou Guanyu punktete in Melbourne und Barcelona, Foto: LAT Images

Als wir letztes Jahr miteinander gesprochen haben, war deine Lebenssituation noch sehr herausfordernd, es war nicht einfach für dich, nach China zu reisen. Wie ist deine Lebenssituation jetzt?
Zhou Guanyu: Ich bin letztes Jahr das erste Mal seit zwei Jahren zurückgekehrt. Das war eine sehr gute Auszeit für mich. Ich war nach einer Woche im Quarantäne-Hotel sehr glücklich, komplett zuhause zu sein. Ich hatte mehr Energie und wollte mehr tun. Zum Beispiel Workouts machen, statt auf der Couch zu sitzen. Freunde und Familie zu sehen, ist sehr wichtig, denn ich kann das nicht oft. Vielleicht zwei oder drei Mal im Jahr. Ich werde dieses Jahr auf jeden Fall auch wieder zurückkehren.

Du sagtest schon, dass das Paket dieses Jahr nicht so stark ist wie letzte Saison. Was fehlt im Moment?
Zhou Guanyu: Die Höchstgeschwindigkeit limitiert uns ein bisschen. Auf vielen Strecken verlieren wir aber nicht so viel in den Kurven, also haben wir uns da im Vergleich zum letzten Jahr auf jeden Fall verbessert. Aber wir haben viel Luftwiderstand auf der Geraden, da verlieren wir im Vergleich zum Mittelfeld Zeit. In den Kurven sind wir manchmal sogar besser, wir haben das Paket da gut zu sein. Aber der Kompromiss zwischen den beiden ist sehr groß. Das limitiert uns dieses Jahr. Alles ist sehr eng, jeder macht Fortschritte mit seinem Auto. Letztes Jahr hatten wir einen ziemlich großen Vorteil, weil wir leichter waren als viele andere. Den haben wir nicht mehr. Den Luftwiderstand zu reduzieren, ist schwierig, denn jeder hat eine andere Design-Philosophie.

Fürchtest du, dass das Auto nicht konkurrenzfähig genug ist, um deine Verbesserungen zu zeigen?
Zhou Guanyu: Im Team sieht natürlich jeder, dass du dich verbesserst. Natürlich würde ich gerne zeigen, was ich mit meiner Erfahrung im Auto vom letzten Jahr tun könnte, ich denke ich würde damit immer um Punkte kämpfen, so wie Valtteri das in der ersten Saisonhälfte gemacht hat. Diese Saison haben wir nicht die Performance dafür. Die Leute im Paddock können die Daten sehen, da mache ich mir keine Sorgen.

Bei den Fans und dem Rest außerhalb ist es natürlich anders, aber damit habe ich kein Problem. Heutzutage verstehen die Leute deine Situation und wissen, mit wem du realistisch kämpfen kannst. Abgesehen von den vier Top-Teams hast du Platz acht bis zehn, um Punkte zu sammeln. Das ist ziemlich frustrierend für ein Team wie uns, denn wir hoffen alle auf Punkte. Es gibt weniger Möglichkeiten, also müssen wir die, die wir haben, ergreifen.

Zhou Guanyu im Interview mit Motorsport-Magazin.com, Foto: LAT Images
Zhou Guanyu im Interview mit Motorsport-Magazin.com, Foto: LAT Images

Es geht darum, sich zu verbessern, das werden die Leute sehen. Du hast nicht jedes Jahr ein Auto, das konkurrenzfähig ist, also ist es wichtig zu zeigen, was du kannst. Dieselbe Performance wie dein Teamkollege zu haben, ist wichtig - dann muss man noch seine Chancen nutzen, wie in Australien zum Beispiel.

Dein Vertrag mit Alfa-Sauber läuft Ende des Jahres aus, wie sehen deine Pläne aus?
Zhou Guanyu: Aktuell habe ich keine Pläne für die Zukunft, ich bin erstmal glücklich damit, bei Alfa Romeo zu bleiben. Das Team ist ziemlich zufrieden mit dem Job, den wir machen. Natürlich ist die Performance insgesamt nicht gut genug, aber die Leute hier sehen, was ich leiste. Es geht darum, meinen Fortschritt als Fahrer zu zeigen. Ich möchte definitiv einen längeren Vertrag, aber es ist noch nichts entschieden, das wird vermutlich im Sommer passieren.

Ist Alfa-Sauber deine einzige Option?
Zhou Guanyu: Ich bin zunächst ganz glücklich hier zu sein. Die Zukunft des Teams ist mit Audi gesichert, es gibt keinen Grund, warum ich nicht glücklich damit sein sollte, hier zu bleiben. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, das Auto zu entwickeln, sodass wir bereit sind, wenn die neue Motoren-Generation ansteht. Ich plane also definitiv auch langfristig bei Alfa Romeo zu bleiben.