Fünftes Podium im sechsten Saisonrennen der Formel 1 - und dennoch schweben die ersten klitzekleinen dunklen Wolken über dem Überraschungsteam des F1-Jahres: Aston Martin. Genauso wie am Sonntagnachmittag über dem Circuit de Monaco. Irgendwann waren sich die Renningenieure dabei einig: Der Regen würde kommen, aber wann, wusste keiner so genau. In Runde 51 waren es nur wenige Tropfen zwischen Mirabeau und Portier, kurze Zeit später öffnete der Himmel an gleicher Stelle alle Pforten. Max Verstappen auf Rang eins als auch Fernando Alonso auf Rang zwei hatten ihren Pflichtboxenstopp noch zu absolvieren. Ein Geschenk war der Regen aber nicht - besonders für den Spanier.

Wetter-Wirrwarr: Alonso setzt auf falschen Reifen

Alonso hatte die Wahl zwischen Trockenreifen und Intermediates, der Zeitpunkt des Boxenstopps stand hingegen fest. Am Ende von Runde 54 steuerte Alonso die Boxengasse an. Auf dem Weg zum Reifenwechsel zweifelte der Spanier am Funk noch über die Tauglichkeit der Intermediates: "Kurve sieben und acht sind wahrscheinlich nass genug für Intermediates, aber der Rest der Strecke wird wohl zu trocken sein. Ich weiß es nicht." Am Kommandostand entschied man deshalb, die Medium-Reifen aufzuziehen.

Wenige Sekunden nachdem Alonso die Box verließ, realisierte der Doppelweltmeister, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Schon bergauf zum Casino regnete es in diesem Moment, von Mirabeau bis zum Tunnel schüttete es und Alonso kam noch in derselben Runde zurück an die Box, um auf den richtigen Reifen zu wechseln. Nach dem Rennen erklärte der Asturier, weshalb Aston Martin das Risiko einging: "Für mich war ganz klar, dass die Strecke in der Runde, in der wir stoppten, nahezu komplett trocken war. Also wieso sollte ich deshalb Intermediates aufziehen? Es war komplett trocken."

Wichtiger als Alonsos Momentaufnahme war aber das, was Aston Martin bei der Wetterentwicklung erwartete: "Wir haben bei weitem nicht so viel Regen erwartet, um ehrlich zu sein. Wir dachten, es wird nur ein kurzer Regenschauer, bei dem das Wasser gleich wieder verdunsten würde, denn der Asphalt war sehr heiß", erklärte Aston-Martin-Teamchef Mike Krack im Anschluss.

Krack: Reifenalter zu großes Risiko

Doch was sprach für Aston Martins Ingenieure dagegen, Alonso einfach weiter auf harten Reifen fahren zu lassen und die Entwicklung abzuwarten? Auch dafür hat Krack eine Erklärung: "Klar, normalerweise bleibst du in so einer Situation noch zwei bis drei Runden draußen und wartest ab. Aber die Reifen waren schon sehr stark abgenutzt und die Reifentemperaturen sanken rapide. Für uns war das ein zu großes Risiko."

Zum Glück oder Pech der britischen Mannschaft wechselte Esteban Ocon bereits einige Runden zuvor die Reifen. Dieser hatte auf P4 liegend 26 Sekunden Rückstand auf Alonso. George Russell, der direkt vor Ocon fuhr, musste ebenfalls noch an die Box zum Reifenwechsel. Mit anderen Worten: Von hinten lauerte keine Gefahr, Alonso hatte einen freien Boxenstopp. "Die Lücke war groß genug, um erst einmal die Trockenreifen zu nehmen und falls notwendig, doch Intermediates aufzuziehen. Aber in diesen anderthalb Minuten, die ich unterwegs war, hat sich alles verändert. Auf einmal war alles nass", schildert Alonso seine Perspektive aus dem Cockpit.

Alonso: Startreifen zeigte Mut und Entschlossenheit

Die Aussagen zeigen, dass Aston Martin nach hinten statt nach vorne blickte. An einen Sieg glaubte das Team während des Rennens nicht mehr: "Ich glaube nicht, dass wir eine Chance [auf den Sieg] hatten. Aber wir waren mutig bei der Strategie-Wahl. Normalerweise wählt man nicht den harten Reifen, wenn man in Startreihe eins steht."

Alonso war auf dem Podium voller Freude, Foto: LAT Images
Alonso war auf dem Podium voller Freude, Foto: LAT Images

"Es hätte schiefgehen können und dann wären wir vielleicht Fünfter oder Sechster geworden. Aber wir wollten das Gegenteil des Führenden machen und das zeigt unsere Entschlossenheit, unbedingt einen Sieg zu holen", lobte Alonso den Kampfgeist von Aston Martin. "Wir haben uns gesagt: Wir hatten schon ein paar Podien in dieser Saison, also lasst uns auf Alles oder Nichts gehen", ergänzte der ehrgeizige Ex-Weltmeister.

Stroll völlig außer Form

Nichts wurde in jedem Fall aus dem Rennen von Lance Stroll. Der Sohn des Teambesitzer erlebte nach einem schwachen Qualifying auch einen gebrauchten Sonntag. Von P14 gestartet benötigte der Kanadier nur sechs Kurven, um sich seinen Frontflügel zu beschädigen.

Am Eingang der Haarnadelkurve sah er außen neben Albon eine Lücke, die nicht existierte und quetschte sich wortwörtlich zwischen den Williams und die Leitplanke. Auch eine Kurve später wollte Stroll nicht einsehen, dass er Albon nicht vorbei kommen würde und zog den Frontflügelschaden einem Zurückziehen vor. Als später der Regen kam, wechselte Stroll gemeinsam mit Valtteri Bottas als erstes auf Intermediates.

Stroll war nach seinem Ausfall mehr als geknickt, Foto: LAT Images
Stroll war nach seinem Ausfall mehr als geknickt, Foto: LAT Images

Nur kurz danach verbremste sich Stroll in Mirabeau und nutzte einen der in Monaco raren Notausgänge. Nachdem er ausparkte, rutschte er wenige Meter weiter wieder in die Leitplanke, begrub dadurch seinen Frontflügel unter dem eigenen Auto und stellte dann seinen Boliden ab. Krack stellte sich nach dem Rennen vor seinen Fahrer: "Er war nicht der Einzige, der an diesen Stellen auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Sowas passiert bei solchen Bedingungen manchmal." Auf den Unfallhergang wollte Stroll selbst nicht weiter eingehen: "Ich hatte ein Problem mit dem Auto. Keine Ahnung was da los war", behauptete der Kanadier gegenüber den Journalisten. Das Ergebnis: Ein Podium für Alonso, ein Ausfall für Stroll. Und trotzdem ein schmelzender Vorsprung in der Konstrukteurs-WM vor Mercedes, die in Monaco bis auf einen Zähler an Aston Martin herankamen.