Das Leben der Top-Teams der Formel 1 hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Waren sie vor einiger Zeit noch mit einem Budget der unbegrenzten Möglichkeiten unterwegs, so müssen sie seit 2021 mit einem Betrag um die 150 Millionen Dollar auskommen. Die genaue Summe ergibt sich aus einer Inflationsberechnung, die in jedem Jahr neu angewandt wird. 2023 wird diese Rechnung vermutlich etwas über 153 Millionen ergeben.

Während Mittelfeldteams schon früher kaum mehr Geld als die Kostengrenze hatten, operierten die großen Teams von Mercedes, Red Bull und Ferrari mit dem doppelten oder gar mehr. Sie konnten sich Unmengen an Personal erlauben, bei so gut wie jedem Rennen kamen neue Upgrades. Das ist nun vollkommen anders. Mercedes-Teamchef Toto Wolff gibt zu: "Die Kostengrenze legt uns viele Beschränkungen auf. Früher wussten wir nicht einmal, was eine Vorderradaufhängung eigentlich kostet."

Was vor Jahren einfach aus der Portokasse bezahlt wurde, ist heute eine Wissenschaft für sich: "Heute müssen wir den Einkaufspreis des Aluminiums nehmen, dann einkalkulieren, wie viel die Bearbeitung kostet, wie viel man vom Aluminium abschreiben muss, das man nicht braucht, jede Schraube, die in die Aufhängung kommt, den Kohlenstoff, den man als Rohmaterial gekauft hat, einkalkulieren, dann die Energiekosten für den Presswerkraum, die Gemeinkosten, die anfallen, und am Ende kommt ein Produkt heraus."

Aus der ehemaligen Rechnung 'Viel hilft viel' ist nun ein brutaler Kosten-Nutzen-Abgleich geworden: "Das ist sehr komplex und geht so weit, dass wir Kostenanalysten und Ingenieure haben, die entscheiden müssen, ob der Kauf eines Kilogramms Aluminium-Rohstoff den Leistungsgewinn auf der anderen Seite wert ist."

Neue Teile am W14 werden genau auf ihre Kosten überprüft, Foto: LAT Images
Neue Teile am W14 werden genau auf ihre Kosten überprüft, Foto: LAT Images

Wolff leidet mit Ingenieuren: Sparen statt Entwickeln

In Erinnerung an Zeiten vor dem Kostendeckel hat der Teamchef Mitleid mit seinen Ingenieuren: "Dieser Prozess ist so schwierig und schmerzhaft, dass Leute, die eigentlich nur kreativ sein und im Grunde einen Freifahrtschein haben sollten, es nicht tun können, weil ihnen jemand sagt, ob es unter Kostengesichtspunkten machbar ist oder nicht." So strukturierte Mercedes erst kürzlich seine Designabteilung leicht um. Dadurch soll Chefdesigner John Owen entlastet werden, der zuletzt zu viele administrative Aufgaben rund um den Budget-Cap erledigen musste, statt seiner Rolle als Designchef nachzugehen. "Und deshalb ist es so wichtig, dass sich alle an den Kostendeckel halten, weil bei einer Überschreitung selbst zehntausend [Dollar, Anm. d. Red.] zählen."

Ersatzteile sind in der Formel 1 nicht mehr unbegrenzt vorhanden, Foto: Motorsport-Magazin.com
Ersatzteile sind in der Formel 1 nicht mehr unbegrenzt vorhanden, Foto: Motorsport-Magazin.com

Bekanntermaßen wurde Red Bull 2022 für eine Überschreitung der Kostengrenze bestraft. Wolff gibt Einblick, in den Aufwand den Mercedes betreibt, damit dies den Silberpfeilen nicht passiert: "Es [Entwicklungsprozesse, Anm. d. Red.] dauert alles viel länger, weil auch die Verwaltung zu einem Prozess geworden ist. Unsere Finanzabteilung ist von 15 auf 45 Mitarbeiter angewachsen. Das ist also ein ganz schöner Brocken."

Wolff sicher: Kostendeckel der F1 nötig und Mercedes kann davon profitieren

Das alles klingt danach, als ob der Österreicher den Budgetdeckel wieder loswerden will? Das Gegenteil ist der Fall: "Ich denke, dass die Kostendeckelung in der Formel 1 notwendig war, und wenn Sie mir sagen, Kostendeckelung ja oder nein, dann nehme ich die Kostendeckelung an jedem einzelnen Tag der Woche. Es ist wichtig, den Sport nachhaltig zu machen."

Trotz aller Mühen ist Toto Wolff ein Verfechter des Kostendeckels, Foto: LAT Images
Trotz aller Mühen ist Toto Wolff ein Verfechter des Kostendeckels, Foto: LAT Images

Wolff hofft, dass sich all die Mühen, die Kostengrenze einzuhalten, für sein Team noch bezahlt machen werden: "Wir müssen uns anpassen, und ich denke, dass wir als Mercedes viel Zeit und Mühe investiert haben, um den Kostendeckel einzuhalten und all diese Bewertungen und Werkzeuge zur Zeiterfassung, buchstäblich alles dafür, zu haben. Ich denke, dass uns das in Zukunft Vorteile bringen wird, weil andere diesen schmerzhaften Prozess durchlaufen müssen." Welche Teams seiner Meinung nach in diesem Prozess noch nicht so weit sind wie Mercedes, verriet der 51-Jährige allerdings nicht.