Max Verstappen startete am Sonntag von Platz 9 aus in das Formel-1-Rennen. Dennoch konnte er am Ende ziemlich deutlich den Sieg beim Großen Preis von Miami für sich verbuchen. Das entscheidende Manöver gegen seinen Teamkollegen setzte der Weltmeister auf der 48. Rennrunde. Doch de facto war der Grand Prix zu diesem Zeitpunkt schon lange zu seinen Gunsten entschieden. Motorsport-Magazin.com analysiert, welche entscheidenden Faktoren dem Niederländer auf die Siegesstraße verhalfen.

Medium-Reifen zerstören Perez-Stint

Zunächst einmal die Ausgangslage: Polesetter Sergio Perez steckte am Start die Medium-Reifen auf, während Verstappen nach P9 im Qualifying wenig überraschend auf die alternative Strategie setzte und auf Hard losfuhr. Laut den Red-Bull-Simulationen ging Perez dadurch auf der faktisch besseren Strategie ins Rennen. Auch Pirelli hatte vor dem Start diese Variante als schnellste Reifenstrategie errechnet.

Auf den ersten Runden war Reifen-Management bei Perez angesagt, der noch bewusst darauf verzichtete, den Abstand auf die direkten Verfolger rapide auszubauen. Womit der Mexikaner und Red Bull nicht gerechnet hatten war, dass danach starkes Graining auf dem Medium-Reifen bei mehreren Konkurrenz-Teams einsetzte.

"Wir sahen früh, dass der Medium sehr fragil war. Deshalb musste ich auf den Reifen stark aufpassen", erklärte Perez. Der Reifen rechts vorne war der limitierende Faktor, der Perez Sorgen bereitete. Der Startplan des Baku-Siegers war damit früh zum Scheitern verurteilt. Dieser sah nämlich vor, im ersten Rennabschnitt einen Vorsprung auf Verstappen aufzubauen, solange sich dieser durch das Feld arbeiten musste.

Als Perez in Runde 10 zu pushen begann, verbesserte sich seine Pace durchschnittlich nur um etwa sechs Zehntel auf Zeiten im mittleren 1:32er-Bereich. Verstappen konnte bereits zu diesem Zeitpunkt eine bessere Pace gehen, obwohl er gleichzeitig noch einen Fahrer nach dem anderen überholen musste. Nach drei Runden lag Verstappen 6,4 Sekunden zurück. Bis Runde 15 konnte er den Abstand auf 3,9 Sekunden reduzieren.

Dass die Medium-Reifen so schlecht performten, könnte an dem Wetter in Miami gelegen haben. Denn von Samstag auf Sonntag versprühte sich ein Regenschauer über dem Miami international Autodrome. Die Strecke war somit wieder grün. Bedingungen, die in der Regel zu einem hohen Reifenverschleiß führen und den harten Pneus entgegenkamen. Im Gegensatz zu den Medium-Fahrern berichtete kein Hard-Starter von Graining.

Christian Horner: Perez zu konservativ

Red-Bull-Teamchef Christian Horner glaubt, dass Perez in dieser frühen Rennphase zu konservativ unterwegs war und den Reifen mehr fordern hätte können. "Rückblickend betrachtet hätte er auf dem ersten Stint härter pushen können, denn der Medium stellte sich später als guter Reifen heraus, wenn wir betrachten wie lange Fernando Alonso damit fahren konnte", vermutet Horner.

So war aber der Vorsprung von Perez schon früh aufgebraucht. Zur Hilfe kam Verstappen auch der starke DRS-Effekt des Red Bull. Im ersten Sektor büßte er zwar Zeit ein, aber durch das DRS konnte er ohne großen Zeitverlust in Sektor 2 oder 3 einen Konkurrenten nach dem anderen überholen. In diesem Abschnitt gewann er in der Regel sogar Zeit. Dass niemand allzu großen Widerstand gegen den übermächtigen RB19 leistete, spielte ihm noch zusätzlich in die Karten.

Bis zur 20. Runde hatte Verstappen schließlich zu Perez aufgeschlossen und hatte den Startplatz-Nachteil dadurch vollkommen wettgemacht. Die Pflicht war geschafft. Jetzt ging es um die Kür - also um den Rennsieg. Mit 1,5 Sekunden Vorsprung bog Perez an die Box ab.

Verstappen auf alten Reifen auf Perez-Niveau

Dass Perez' Niederlage mitnichten nur am Medium-Reifen lag, bewies der zweite Stint. Durch seinen Boxenstopps wurde das Rennen praktisch zu einem Zeitfahren: Verstappen mit 20 Runden alten Hards gegen Perez auf einem frischen Satz derselben Mischung. In dieser Rennphase war es vor allem Verstappen, der auf Reifenmanagement setzte, um seine Pirellis bis zum geplanten Boxenstopp-Fenster durchzubringen. Besonders evident wurde das im ersten Sektor zwischen den Kurven 4 und 6, sowie in den Kurve 11 bis 13.

Die Zeitgewinne von Perez lagen trotz des Reifenalters bei seinem direkten Gegner auf einem moderaten Niveau von drei bis vier Zehntelsekunden. Erst als Verstappen rund um Runde 30 die Freigabe des Teams bekam zu pushen, brachte er seinen Reifen wieder voll ans Limit. Perez konnte bis Runde 37 die Pace mitgehen. Doch eine weitere Tempoverschärfung von Verstappen wurde ihm trotz des eklatanten Reifenvorteils zu viel.

In dieser Rennphase kippte das Rennen endgültig in die Richtung von Verstappen. Bis er in Runde 45 ebenfalls an die Box fuhr, hatte Verstappen den kompletten Zeitverlust aus dem Mittelstint egalisiert. Nach seinem Boxenstopp war der Red Bull von Perez ein gefundenes Fressen für den frisch bereiften Verstappen. Innerhalb von weniger als drei Runden war das Duell auch auf der Strecke entschieden.

Für die Entwicklung vor dem Stopp gibt es eigentlich keine Erklärung, außer dass Verstappen schlicht und ergreifend der schnellere Pilot war. "Seine Performance hat gezeigt, dass er für mich heute unerreichbar war. Das hing teilweise vom Reifen ab, aber generell war er heute der stärkere Fahrer", gab sich Perez geschlagen.

"Auf den 20 Runden älteren Reifen war Max beeindruckend und konnte die Zeiten von Checo mitgehen und manchmal sogar unterbieten", feierte Horner die Performances des Doppel-Weltmeisters. Auf eine Runde gesehen machte Verstappen vor allem im ersten Sektor den Unterschied. "In den Kurven 3 bis 6 war Max überragend", verglich Horner die Performance seiner beiden Piloten.

Red Bull: Medium-Reifen schwach, aber nicht entscheidend?

Strategisch wurde Perez also von den Medium-Reifen negativ überrascht, während Verstappen auf den letzten zehn Runden von wenig Sprit und einer eingefahrenen Strecke profitierte und den gelb-markierten Gummis nichts mehr abverlangen musste. Doch die Rennentscheidung nur auf die Reifen zu schieben wäre ein Trugschluss.

Perez fühlte sich bereits das ganze Wochenende nicht wohl mit dem Auto, schon in den Trainings war Verstappen mehrere Zehntel pro Runde schneller als der Baku-Sieger. "Ich denke, wenn wir mit Checo die andere Strategie gefahren wären, wäre die Performance ziemlich ähnlich gewesen", vermutet Horner. Dem stimmte sogar Perez indirekt zu: "Wenn man die Rennpace nicht hat, dann ist es schwer das Rennen zu gewinnen."

Verstappen demütigt Perez! Wie konnte das passieren? (09:55 Min.)