Drei Abbrüche, zwei stehende Restarts, ein Massencrash - das Formel-1-Rennen von Australien wurde gleich mehrfach komplett über den Haufen geworfen. Motorsport-Magazin.com bringt (einmal mehr) Ordnung in einen Chaos-GP. Was steckte hinter den ganzen FIA-Entscheidungen? Wen machten diese Entscheidungen zu den Gewinnern und Verlierern?

Über weite Strecken war der Australien-GP ein gewöhnliches Rennen, und bei allen Turbulenzen war Max Verstappens Sieg mehr als deutlich. Verstappen fuhr ein sehr konservatives Rennen, steckte in Zweikämpfen lieber zurück und managte bis ins Ziel bloß die Reifen und eine Lücke, um bei einem Safety Car stoppen zu können. Die Reihenfolge dahinter wurde von folgenden Zwischenfällen entscheidend beeinflusst:

  • Runde 7: Alex Albon crasht - Safety Car
  • Runde 8: Renn-Abbruch nach Albon-Crash
  • Runde 53: Kevin Magnussen crasht - Safety Car
  • Runde 55: Renn-Abbruch nach Magnussen-Crash
  • Runde 57: Restart-Crash & 3. Abbruch

Albon-Crash führt zu erstem Renn-Abbruch

Was war passiert? Alex Albon verunfallte in Kurve sieben, hatte die Reifen überfahren und den Grip in der schnellen Passage falsch eingeschätzt. Ein simpler Unfall, Albon schlug in die Bande ein und drehte sich zurück auf die Strecke. Dabei verteilte er über den Kurvenausgang viel Kies. Die FIA-Rennleitung rief erst ein Safety Car aus, brach dann eine Runde später das Rennen ab.

Alex Albons Unfall sorgte für den ersten Abbruch, Foto: LAT Images
Alex Albons Unfall sorgte für den ersten Abbruch, Foto: LAT Images

Die FIA-Entscheidungen erklärt: Auf den ersten Blick war es kein schwerer Unfall, also gab es zuerst ein Safety Car. Die FIA bestätigte nach der roten Flagge, dass diese folgte, um Kies und Trümmer einfacher von der Strecke räumen zu können.

Die Verlierer: Aufgrund der Umstände gibt es keine echten Sieger, aber sehr wohl Verlierer. George Russell, Carlos Sainz und Kevin Magnussen wechselten vor dem Abbruch unter der Annahme, dass es beim Safety Car bleiben würde. Durch die rote Flagge durften alle anderen die Reifen per Reglement gratis wechseln. Da die Hard-Reifen ewig hielten, brauchte niemand mehr einen Boxenstopp. Russell fiel von eins auf sieben, Sainz von vier auf elf und Magnussen auf den letzten Platz zurück.

Magnussen-Crash führt zum zweiten Renn-Abbruch

Was war passiert? Kevin Magnussen touchierte in Runde 53 von 58 am Ausgang von Kurve zwei nach einem Fahrfehler die Wand und trennte seinen rechten Hinterreifen von der Felge. Felgentrümmer flogen in alle Richtungen und trafen sogar einen Zuseher hinter dem Fangzaun. Der Reifen landete auf der linken Fahrbahnseite, Magnussen stellte in Kurve vier ab. Die Rennleitung rief zuerst ein Safety Car aus, brach dann zwei Runden später ab. Dadurch wurde ein Restart in Runde 57 von 58 ermöglicht.

Die FIA-Entscheidungen erklärt: Viele Fahrer äußerten am Funk ihre Überraschung über die rote Flagge. Magnussen stand abseits der Strecke, auch der Reifen war leicht zu bergen. Das schien für ein Safety Car prädestiniert, auch wenn sich das Aufräumen womöglich nicht bis zur letzten Runde ausgegangen wäre. Die FIA rechtfertigte den Abbruch damit, dass sich die Trümmer der Felge über einen sehr weiten Bereich verteilt hatten. Von einem Abbruch, um noch zwei Runden im Renntempo zu garantieren, sprach man nicht.

Die Gewinner: Auf dem Papier alle bis auf Max Verstappen. Wer Erster ist, will einfach nur ins Ziel rollen. Für alle anderen war es Chance und Risiko zugleich. Nico Hülkenberg ist hervorzuheben. Davor hatte er auf abbauenden Reifen einen Platz an Lando Norris verloren und drohte sogar in die Fänge von Esteban Ocon zu geraten.

Restart-Showdown führt zum Massencrash

Was war passiert? Die zwei letzten Runden nach dem Abbruch wurden wieder stehend gestartet. Alle nahmen weiche Reifen, doch das Aufwärmen war bei kühleren Abendtemperaturen noch schwieriger. So ergab sich ein explosives Gemisch. Carlos Sainz drehte Fernando Alonso um, Sergio Perez musste durch das Gras, Pierre Gasly räumte Esteban Ocon ab, Logan Sargeant räumte Nyck de Vries ab, und Lance Stroll landete in Kurve drei kurz im Kies. Erneut wurde abgebrochen, eine Runde vor Schluss.

Die FIA-Entscheidungen erklärt: Im Sinne des Reglements wurde alles korrekt abgehandelt. Der stehende Restart nach Abbruch ist unabhängig von der Rundenzahl. Der erneute Abbruch ist nach einer Karambolage von diesem Ausmaß ebenfalls Standard-Vorgehen. Der Rennleiter muss innerhalb von Sekunden entscheiden, und besonders der Alpine-Crash war ein heftiger Aufprall. Sicherheit geht vor.

Gewinner: Oscar Piastri, Guanyu Zhou und Yuki Tsunoda hielten sich im Chaos schadlos. Aus den Plätzen 11, 12 und 13 wurden die Plätze 8, 9 und 10. Die verschwundenen Alpine bescherten Lando Norris P6 und Nico Hülkenberg P7.

Verlierer: Für Alpine waren es zwei Horror-Kurven. Pierre Gasly vernichtete ein starkes Rennen mit einem Ausritt durchs Gras, und riss bei seinem Zurückfahren auf die Strecke Esteban Ocon mit ins Verderben. Davor hatte Gasly in der Spitzengruppe mitgekämpft.

Beide Alpine waren nach dem Neustart nur noch Wracks, Foto: LAT Images
Beide Alpine waren nach dem Neustart nur noch Wracks, Foto: LAT Images

Während Gasly einer Strafe, und der drohenden Rennsperre, von der Schippe sprang, wurde Carlos Sainz für das Umdrehen von Fernando Alonso mit fünf Strafsekunden belegt. Bei Alpine kam man davon, weil die Stewards argumentierten, es sei das übliche Startgetümmel. Bei Sainz wurde das explizit ausgehebelt. Er habe Platz auf der Seite gehabt, und bekam die Alleinschuld.

Logan Sargeant verschätzte sich ganz hinten beim Anbremsen. Vermutlich, weil ihm in der verwirbelten Luft des Feldes als Letzter der geringe Anpressdruck zusätzlich überraschte. Er krachte Nyck de Vries ins Heck. Beide fielen aus, doch es gab keine Vorladung durch die Stewards. Der Unfall wurde nicht einmal von der Rennleitung notiert.

Rennleitung lässt halbes Start-Chaos verschwinden

Was war passiert? Der letzte Abbruch kam in Runde 57 von 58. Die Autos kamen in der Reihenfolge nach dem Startchaos an die Box (Verstappen-Hamilton-Sainz-Hülkenberg-Tsunoda-Norris-Piastri-Zhou-Bottas-Perez). Lange schien nun unklar, ob und in welcher Reihung die letzte Runde stattfinden würde. Dann wurde die Reihenfolge vom Restart (minus der Verunfallten) wiederhergestellt und das Rennen mit einer Runde hinter dem Safety Car beendet.

Die FIA-Entscheidungen erklärt: Basis lieferte ein Satz aus Artikel 57.3 des sportlichen Reglements zum Thema Reihenfolge nach Abbrüchen: "In allen Fällen wird die Reihung von jenem Punkt hergenommen, an dem es zuletzt möglich war, die Position aller Autos festzustellen." Nur fehlt es hier an Details zum "letzten Punkt". Das Herangehen der letzten Jahre diktiert ihn als die letzte Linie, die von allen Autos überfahren wurde, bevor das Chaos ausbrach.

In jedem Startgetümmel sind Positionen schwer zu ermitteln - die weiße Linie ist die SC-2-Linie, Foto: LAT Images
In jedem Startgetümmel sind Positionen schwer zu ermitteln - die weiße Linie ist die SC-2-Linie, Foto: LAT Images

Rennleiter Niels Wittich erklärte aufgrund eines Protests von Haas gegenüber den Stewards sein Herangehen. GPS-Daten der Autos sind im Detail unzuverlässig. Um die Frage schnell und eindeutig zu lösen, entschied Wittich mit seinem Team dagegen, eine beliebige Linie zu wählen, oder die Safety-Car-2-Linie am Boxenausgang. Das Chaos hatte ja schon in der ersten Kurve begonnen. Wittich entschied: Die Startaufstellung war die letzte eindeutige Reihung.

Vielerorts wurde diskutiert, ob das Rennen überhaupt noch wiederaufgenommen werden sollte. In dem Fall wäre der Zwischenstand von zwei Runden vor dem Abbruch als final gewertet worden. Dagegen spricht, dass so etwas nur dann erfolgen sollte, wenn die Umstände ein Fortführen nicht erlauben. In Australien war die Strecke innerhalb des Zeitlimits zu reinigen, die Sonne war nicht untergegangen, es gab keine anderen kritischen Situationen. Also wurde mit einer Safety-Car-Runde die Renndistanz komplettiert.

Gewinner: Der umgedrehte Fernando Alonso bekam P3 zurück, der ausgerittene Lance Stroll P4. Der ebenfalls durch die Wiese geräuberte Sergio Perez war eigentlich nur mehr auf P10 gelegen, nun war er Fünfter.

Verlierer: Durch die Entscheidung, das Feld wieder nach der Startaufstellung zu ordnen, verloren Nico Hülkenberg und Yuki Tsunoda die Plätze drei und vier, die sie sich im Getümmel erkämpft hatten. So blieb es bei sieben und zehn. Norris, Piastri, Zhou und Bottas verloren so ebenfalls Positionen, wenngleich weniger. Hätte die Rennleitung das Rennen nicht mehr aufgenommen, hätten schließlich noch beide Alpine Punkteergebnisse zurückerhalten.