Die Gretchenfrage der Formel 1 ist beantwortet - zumindest fürs erste. Mercedes bleibt auch beim Auto für die Saison 2023 seinem radikalen Seitenkastenkonzept treu. Wie sein Vorgänger baut der F1 W14 E Performance hinter dem Monocoque extrem schlank. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Der neue Silberpfeil ist auf mehreren Ebenen einen genaueren Blick wert - auch wenn es zunächst nur wenige Fotos und Renderings gibt.
Silberpfeil, welch tiefst ironischer Begriff für den F1 W14. Historiker streiten sich bis heute über die genaue Entstehungsgeschichte des Begriffs, der Legende nach musste Mercedes den weißen Lack abkratzen, um das Maximalgewicht nicht zu überschreiten. Dabei kam das blanke Aluminium der Karosse zum Vorschein, der erste Silberpeil war geboren.
Knapp 90 Jahre später wiederholt sich die Geschichte. Rund 1,5 Kilogramm wiegt die gesamte Lackierung eines Formel-1-Autos. Extrem wenig, aber dennoch zu viel. Denn auch in der Saison 2023 haben die Teams mit dem Mindestgewicht von 798 Kilogramm zu kämpfen. Schon im vergangenen Jahr konnte man immer mehr schwarze Flächen an den Autos erkennen, Mercedes treibt diesen Trend auf die Spitze.
Der F1 W14 erstrahlt komplett in Karbon-Schwarz. Wie viel Gewicht man damit genau spart, wollte Teamchef Toto Wolff nicht verraten. Aber es ist ein wichtiges Signal an alle Abteilungen. Überall muss jedes einzelne Gramm eingespart werden.
Mit dem 2023er Auto befindet man sich nun am Gewichtslimit. Mehr als der fehlende Lack half ein neues Chassis dabei, das Gewicht zu drücken. "Signifikant leichter", soll es laut Chassis-Chef Mike Elliott sein. Wenn das Gewicht kein Problem mehr ist, hält sich Mercedes die Option offen, wieder silberne Akzente zu setzen.
Marketing-technisch ist der schwarze Benz nicht nur wegen der Legende der Silberpfeile eine gute Geschichte. Schon 2020 und 2021 trat Mercedes in schwarz an. Damals, um ein Zeichen für Diversität zu setzen.
Mercedes: Keine Seitenkästen neu interpretiert
Zurück zur Technik: Ist der F1 W14 Dasselbe in Schwarz? "Bei dieser Generation Autos liegt die Performance im Detail. Wenn man sich den W14 ansieht, dann sieht man die DNA des W13 - aber mit viel Evolution und Verbesserung im Detail", verrät Elliott.
Tatsächlich sind die Seitenkästen weiterhin kaum vorhanden. Das 'Nichts' der Saison 2023 sieht aber anders aus als das 'Nichts' der Saison 2022. Schon an den Einlässen gibt es Änderungen. Während die Öffnungen beim W13 zum Unterboden hin ausliefen, verlaufen die Öffnungen nun komplett parallel am Chassis senkrecht nach unten. Vorne belegt der Seitenkasten deshalb weniger Fläche auf dem Unterboden.
Nach hinten hin gibt es aber einen anderen Trend. Die Flächenversiegelung der Unterbodens wird größer, die Seitenkästen ziehen sich nicht mehr ganz so extrem zusammen. Dadurch ist der Unterboden nicht mehr so exponiert wie in der Vorsaison. Es dürfte einfacher sein, den Unterboden so zu stabilisieren und gleichzeitig ein Grund dafür, weshalb Mercedes den Luftwiderstand senken konnte. Auf den Geraden verlor man 2022 vor allem auf viel Red Bull Zeit.
Neue Mercedes-Seitenkästen schon im Windkanal?
Die Gretchen-Frage ist aber nur vorerst gelöst. "Was wir jetzt sehen, ist das Auto, das am Anfang fahren wird", stellt Toto Wolff klar. "Was wir im Windkanal haben für die Rennen, die folgen, da schaut es schon wieder anders aus." Das gezeigte Auto soll zwar weitestgehend der Spezifikation für Test und Rennen in Bahrain entsprechen, früh in der Saison könnten aber neue Seitenkästen kommen.
Eine fundamentale Neukonstruktion wollte Mercedes aber aus verschiedenen Gründen vorerst nicht. Einerseits ist man in Brackley nach wie vor davon überzeugt, dass der W13 ein gutes Auto war - das man nur viel zu selten umsetzen konnte. Die neuen Unterboden-Regeln könnten helfen. Mercedes war bei den Diskussionen rund um die Anhebung der Ränder um 15 Millimeter die treibende Kraft. So sollen die Autos weniger in den Bereich des ungeliebten Porpoising kommen.
Außerdem sieht Mercedes den W13 missverstanden. Das extreme Seitenkasten-Konzept soll nicht der Grund dafür gewesen sein, weshalb man mit einer so instabil springenden Hinterachse zu kämpfen hatte. "Das ist das Kernproblem. Weniger das, wie die Aero-Flächen auf den ersten Blick aussehen", stellt Wolff klar.
Technik-Chef Elliott gibt seinem Boss recht: "Das überrascht vielleicht viele Leute, aber bei all den Tests, die wir gemacht haben, haben wir keinen Grund dafür gesehen, von unserem Konzept abzuweichen. Die Probleme, die wir letztes Jahr vor allem mit dem Bouncing hatten, waren keine Folge der Geometrie unseres Autos."
Mercedes-Motorabdeckung wächst in die Breite
Während der W13 sein Kleid rundum skinny-fit trug, trägt der W14 rund um den Motor baggy-fit. Hinter dem Halo zieht sich die Motorabdeckung nicht zusammen, sondern führt in Chassis-Breite bis zum Auslass zwischen Beamwing und Heckflügel. Der Schwarzpfeil entledigt sich seiner unsauberen Kühlluft nun wie die Konkurrenz.
Viele Teams setzen auf eine voluminöse zweite Etage, so extrem wie am Mercedes ist die Wulst aber bislang nirgendwo. Obwohl die Öffnung vor dem Heckflügel leicht nach unten abfällt, findet sich darüber kaum mehr Platz für die Finne. Die Startnummern der Piloten passen nur gequetscht auf die Finne.
Mercedes baut Vorderachse am F1 W14 um
Neben Monocoque und zahlreichen Änderungen am Bodywork hinter dem Chassis, hat Mercedes über den Winter auch an der Front ordentlich Hand angelegt. Nase samt Frontflügel sind komplett neu.
Dazu gibt es eine neu konstruierte Vorderachse. Auf den ersten Bildern sieht es danach aus, als hätte auch Mercedes den Lenkhebel vom oberen in den unteren Querlenker verfrachtet. Ferrari ging beim SF-23 aus aerodynamischen Gründen einen ähnlichen Weg.
Technische Daten Mercedes F1 W14 E Performance - Chassis
- Monocoque: Karbon, Aluminium-Honigwaben
- Sicherheit: Titan-Halo, Überrollbügel vorne & hinten, Crash-Strukturen vorne, seitlich und hinten, Eindringungsschutz
- Verkleidung: Karbon
- Gewicht (einschl. Kühlflüssigkeit, Öl, Fahrer): 798 kg (per Reglement)
- Benzinsystem: ATL mit kevlarverstärkter Gummiblase
- Vorderradaufhängung: Druckstrebe
- Hinterradaufhängung: Zugstrebe
- Lenkung: Servounterstützte Zahnstange und Getriebeanordnung
- Bremssystem: Carbone Industries Karbonscheiben und Beläge, Brake-by-Wire
- Bremszangen: Brembo
- Räder: 18 Zoll, BBS, geschmiedetes Magnesium
- Elektronik: Einheitssteuergerät nach FIA-Standard von McLaren
Technische Daten Mercedes F1 W14 E Performance - Getriebe
- Hersteller: Mercedes
- Aufbau: Karbon-Gehäuse, längsseitig installiert
- Gänge: 8 vorwärts, 1 rückwärts
- Gangwechsel: Sequenzielle Halbautomatik, hydraulische Aktivierung
Technische Daten Mercedes F1 W14 E Performance - Motor
- Modell: Mercedes-AMG F1 M14 E Performance
- Mindestgewicht: 150 kg
- Hubraum: 1,6 Liter
- Zylinder: 6 in 90-Grad-V (per Reglement)
- Ventile: 4 pro Zylinder (per Reglement)
- Drehzahl: 15.000 u/min (per Reglement)
- Aufladung: 1 Turbolader
- Hybridsystem: Motor-Generator-Einheit
- Hybrid-Batterie: Lithium-Ion, 20 kg Mindestgewicht
- Batterie-Kapazität: 4 Megajoule/Runde (per Reglement)
- MGU-K Leistung: 120 kW bzw. 163 PS (per Reglement)
- MGU-K Drehzahl: max. 50.000 U/min (per Reglement)
- MGU-H Leistung: unbegrenzt
- MGU-H Drehzahl: max. 125.000 U/min (per Reglement)
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