Der Titelkampf im Jahr 2022 schien zu Beginn spannender denn je. Red Bull und Ferrari duellierten sich Woche für Woche. Sowohl in der Fahrer-, als auch der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft lagen beide nah beieinander. Zur Saisonhalbzeit verflüchtigte sich dieser Eindruck jedoch. Fehler und Zuverlässigkeitsprobleme kosteten die Scuderia viele Punkte. So viele, dass der Titelkampf schon zur Sommerpause so gut wie entschieden war.

Mercedes spielte sowieso nie wirklich eine Rolle. Red Bull dominierte die zweite Saisonhälfte nach Belieben. Das soll sich 2023 ändern, zumindest wenn es nach Ferrari und Mercedes geht. Beide wollen Red Bull wieder angreifen. Die Voraussetzungen sind gut: Die drei Top-Teams haben mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen. Wer hat die besten Chancen? Red Bull, Ferrari und Mercedes im Check.

Red Bull: Trotz Budget-Cap Strafe wieder Spitze?

Red Bull dominierte die Formel-1-Saison 2022. Das letztjährige Auto war der Konkurrenz überlegen. Dieses Jahr geht Red Bull allerdings mit einem Handicap in die Saison. Durch die Überschreitung des Budget Caps in der Saison 2021 stehen den Bullen 10 Prozent weniger Windkanal-Zeit, als auch CFD-Ressourcen zur Verfügung. Dabei hat Red Bull durch den ersten Rang in der Konstrukteurs-Wertung im vergangenen Jahr schon weniger Windkanal und CFD-Ressourcen als die Konkurrenz. Insgesamt verliert man so gegenüber Mercedes ganze 17 Prozentpunkte und gegenüber dem roten Pferd aus Maranello immerhin 12 Prozentpunkte.

Red Bull dominierte die Formel 1 2022, Foto: LAT Images
Red Bull dominierte die Formel 1 2022, Foto: LAT Images

Für die Weiterentwicklung hat Red Bull damit deutlich weniger Ressourcen zur Verfügung als die beiden Konkurrenten. Trotzdem rechnet man sich gute Chancen aus. Zum einen wurde die Strafe erst im Oktober vergangen Jahres erlassen, die Entwicklung des 2023er-Boliden dürfte bis dahin schon nahezu abgeschlossen gewesen sein - und zum anderen war der RB18 der Konkurrenz schon so weit voraus, dass man sich durchaus erlauben kann, ein bis zwei Zehntel im Vergleich zu verlieren. Trotzdem würde man weiterhin um die WM kämpfen können. Der RB19, so hört man bereits, soll eine Weiterentwicklung des Vorjahresboliden sein, das aerodynamische Konzept bleibt.

Ferrari: Neuer Teamchef, neues Glück?

Das vergangene Ferrari-Jahr ist schwer zu bewerten. Im Vergleich zu 2020 und 2021 konnte man erstmals wieder Rennen gewinnen. Allerdings verlor man jede Chance auf die Weltmeisterschaft nach einem sehr guten Saisonstart auf spektakuläre Weise. Mehrere Zuverlässigkeitsprobleme, Strategiefehler und am Funk unzufriedene Fahrer sorgten dafür, dass man 2022 trotz der besten Sieges- und Punkteausbeute seit Jahren unzufrieden abschloss. Teamchef Mattia Binotto nahm im Dezember seinen Hut und verließ Maranello. Auf ihn folgte Frederic Vasseur. Der von Sauber gekommene neue Ferrari-Boss soll das fehleranfällige Team wieder auf Kurs bringen. In der Formel 1 zahlen sich Personaländerungen nicht wie im Fußball kurzfristig aus. Richtige Änderungen brauchen Zeit. Beim Thema Strategie will Vasseur erst einmal abwarten. Bevor er Änderungen vornimmt, muss er sich zunächst einmal selbst ein Bild von der Situation machen. Das könnte beim Umbau wertvolle Zeit kosten.

Fred Vasseur soll Ferrari WM-tauglich machen, Foto: Ferrari
Fred Vasseur soll Ferrari WM-tauglich machen, Foto: Ferrari

Der F1-75 war dem RB18 über weite Strecken der Saison ebenbürtig, der nächste Bolide aus dem Hause Ferrari soll im besten Fall mithilfe der Red Bull-Budget Cap Strafe sogar überlegen sein. Ein Faktor wird dabei auch der Motor sein. Performance-Updates erlaubt das Reglement nicht. Allerdings musste Ferrari in der zweiten Saisonhälfte die Leistung drastisch runterschrauben, um weitere Motorschäden zu verhindern. Zuverlässigkeits-Updates über den Winter sind erlaubt - und bringen Maranello auf diese Weise Performance.

Mercedes: Wie ein Phönix aus der Asche?

Toto Wolff würde die Saison 2022 vermutlich als Seuchensaison oder ähnliches beschreiben. Zum ersten Mal seit rund acht Jahren hatte man kein titelfähiges Auto, sondern musste sich mit Porpoising herumschlagen. Bis das abgestellt war, war der Titel schon so gut wie verloren. Trotzdem: Bei Mercedes ist das Glas halb voll. Gegen Ende der Saison holte man auf die Konkurrenz auf, in Brasilien feierte man den ersten Sieg der Saison - und das direkt mit einem Doppelsieg.

Das zusätzle Entwicklungs-Kontingent ist schön und gut, allerdings muss Mercedes auch am meisten Zeit aufholen. Obwohl Mercedes Ferrari und Red Bull Ende 2022 näher kam, zeigte das Saisonfinale in Abu Dhabi, dass doch noch ein Stück auf die Konkurrenz fehlt. Knapp sieben Zehntelsekunden sind keine Kleinigkeit, die über einen Winter einfach verschwindet. Außerdem stellt sich die Frage: Setzt Mercedes wieder auf das eigenwillige und riskante Technik-Konzept ohne Seitenkästen? Ein Konzeptwechsel wäre langfristig wohl die sicherere Variante - aber man müsste bei Null beginnen.

Außerdem wurde Mercedes im Winter personell geschwächt. Strategie-Chef James Vowles verlässt den einstigen Dauerweltmeister und wird Teamchef bei Williams. Der Abgang kam überraschend und mit sofortiger Wirkung. Andererseits war die erste Niederlage seit knapp einem Jahrzehnt auch ein Motivationsschub für Brackley.