Sauber war ein zentraler Angelpunkt des großen F1-Teamchefbebens nach der Saison 2022. Teamchef Frederic Vasseur verließ die Schweizer, die 2023 das letzte Mal unter dem Namen Alfa Romeo antreten werden, in Richtung Ferrari. Dafür wurde Andreas Seidl als Vorbote der Audi-Übernahme ab 2026 von McLaren als neuer starker Mann nach Hinwil geholt. Der Bayer ist dort jedoch der neue Geschäftsführer der gesamten Sauber Gruppe und nicht, wie noch in Woking, der Teamchef des Formel-1-Rennstalls. Es wurde gerätselt, wer also die Nachfolge Vasseurs antreten wird. Die Antwort war überraschend: Niemand. Statt eines Teamchefs hat Alfa-Romeo-Sauber nun mit Alessandro Alunni Bravi einen sogenannten Teamrepräsentanten.

Doch was macht ein Teamrepräsentant im Vergleich zu einem Teamchef? Um das zu erfahren traf Motorsport-Magazin.com den Italiener zum Exklusivinterview. Im Gegensatz zum aktuellen Trend der Ingenieure, die zu Teamchefs werden (Andrea Stella bei McLaren, James Vowles bei Williams), kommt Alunni Bravi aus einem anderen Berufsfeld. Er erklärt, wofür er bei Sauber bisher zuständig war: "Als Managing Director der Sauber Gruppe leite ich alle Firmen innerhalb der Gruppe, d.h. Sauber Motorsport und Sauber Technologies, was die Muttergesellschaft ist. Wir liefern Ingenieursleistungen für verschiedenste Industrien und in meiner Rolle bin ich direkt verantwortlich für das Geschäftliche, also Marketing, Kommunikation, Verkauf und Nachhaltigkeit. Außerdem bin ich der Hauptbuchhalter, also bin ich auch in Sachen Rechtsfragen der Gruppe zuständig."

Noch ein Jahr lang tritt Sauber in Alfa-Romeo-Farben an, Foto: LAT Images
Noch ein Jahr lang tritt Sauber in Alfa-Romeo-Farben an, Foto: LAT Images

Das neue Sauber-Prinzip: Aufgabenverteilung statt Personalunion

Und diese Aufgaben hat der 48-Jährige auch weiterhin. Ab 2023 bekommt er aber noch mehr zu tun: "Jetzt gibt es meine zusätzliche Rolle als Teamrepräsentant. Ich werde an der Strecke eng mit unserem Chefingenieur Xevi Pujolar, der Techniktruppe und unserem Sportdirektor Beat Zehnder zusammenarbeiten. Unsere Aufgaben werden aufgeteilt, um effizienter zu sein. Wir wollten eine andere Organisationsform, die unserer Meinung nach besser auf die wachsende Komplexität der Formel 1 reagieren kann. Es gibt einen höheren Aufwand bei der Arbeit an der Strecke und wir denken diese neue Struktur lässt uns in allen Bereichen effizienter arbeiten."

Was bedeutet das aber genau? Der Wahlschweizer erklärte, warum er eben nicht den Titel des Teamchefs trägt: "Der Unterschied ist, dass der Teamchef eine Rolle hat, die ein einzigartiges Profil an verschiedenen Aufgaben beinhaltet. Da geht es um die Arbeit auf technischer und sportlicher Ebene. Wir denken, dass die Organisation eines F1-Teams, insbesondere um unser Wachstum fortzusetzen, eine andere Aufgabenverteilung braucht, die mit der Expertise und der Kompetenz eines jeden einhergeht. Meine Rolle ist klar: Ich repräsentiere das Team. Ich werde am Kommandostand sein und in allen technischen Besprechungen dabei sein. Ich werde der Ansprechpartner sein und das Team bei der FIA und dem Rechteinhaber [Liberty Media, Anm. d. Red.] vertreten."

Sauber-Urgestein Beat Zehnder übernimmt sportliche Verantwortung, Foto: Alfa Romeo Racing
Sauber-Urgestein Beat Zehnder übernimmt sportliche Verantwortung, Foto: Alfa Romeo Racing

Der Italiener ist ein Manager und Jurist, daher übernimmt er also auch die beschriebenen Aufgaben. Die klassische Teamchefrolle bei Sauber ist technisch auf den Schultern von Jan Monchaux sowie Xevi Pujolar, während der sportliche Teil von Teamurgestein Beat Zehnder getragen wird. Dies wird auch in der Selbstbetrachtung Alunni Bravis ersichtlich: "Ich bin Teil einer Gruppe, wo es verschiedene Kompetenzen gibt, und viele Aufgaben ausgefüllt werden müssen, sowohl auf als auch neben der Strecke. Das wäre normal die Teamchefrolle, aber wir bevorzugen es als Gruppe in allen Bereichen zu arbeiten." Und welche Rolle spielt dann Andreas Seidl, der in genau dieser Rolle erfolgreich bei McLaren gearbeitet hatte? Bravi betont, dass sich die beiden in ihren Aufgabenfeldern nicht in die Quere kommen: "Er hat den Blick auf der Entwicklung der gesamten Gruppe und ich bin auf andere Bereiche fokussiert und werde ihm berichten. Es gibt also keine Überschneidungen in unseren beiden Rollen, es ist eine Aufgabenteilung."

Andreas Seidl ist Alunni Bravis neuer Boss, Foto: Sauber Group
Andreas Seidl ist Alunni Bravis neuer Boss, Foto: Sauber Group

Saubers Ziel? Mehr Konstanz

Was die Ziele für die neue Saison angeht, wurde der Teamrepräsentant zunächst persönlich: "Mein persönliches Ziel ist es, mir den Respekt unserer Mitarbeiter zu erarbeiten. Ich will sie bis zum Ende der Saison stolz machen. Das wäre die allergrößte Errungenschaft für mich." Auf erneute Nachfrage konnte ihm wenigstens eine Sache entlockt werden, die bei Sauber ganz oben auf der Liste steht: "Natürlich wollen wir uns insgesamt Verbessern, aber das heißt nicht, dass du neue Ziele in Sachen Konstrukteurs-WM aussprechen musst. Es geht darum, uns überall zu verbessern und unsere Schwächen anzugehen. Wir wollen diese Saison konstant sein. Wenn es ein Ziel gibt, dann ist es vom Saisonstart bis zum Ende konstant zu sein, das ist das Wichtigste."

Im Vorjahr legte Alfa Romeo einen starken Start hin und Neuzugang Valtteri Bottas sammelte Punkte am Fließband. Dann kam jedoch der sportliche Absturz zur Sommerpause. Die Bilanz: 51 Punkte in Saisonhälfte Eins und nur 4 in Saisonhälfte Zwei. Der Italiener machte aber auch klar, dass es nicht allein um die Punkteausbeute geht: "Natürlich sind die Resultate auf der Strecke der klarste Indikator, ob wir einen guten Job gemacht haben oder nicht, aber es ist auch nur ein Element. Wir müssen unsere Arbeit überall verbessern."