Der neue Teamchef Frederic Vasseur bekam schon in seiner ersten Medienrunde bei der Scuderia einen Vorgeschmack darauf, was die Gerüchteküche der italienischen Medien rund um Ferrari bereithalten kann. 30 PS mehr habe der Ferrari-Motor für 2023 zugelegt, war in der 'Gazzetta dello Sport' zu lesen. Natürlich wurde Vasseur auf diese Behauptungen angesprochen.

Der Franzose gab eine unmissverständliche Antwort: "Was die Zahlen beim Motor angeht. Ich weiß nicht, wo diese Zahlen herkommen, aber sie sind ein Witz!" Der Hintergrund ist klar: Die Motoren sind seit letztem Jahr eingefroren, es darf laut Reglement keine Leistungsentwicklung mehr stattfinden. Selbst wenn Ferrari also wüsste, wo noch einmal 30 PS mehr herauszukitzeln wären, dürften sie die Power-Unit nicht anrühren.

Nicht Leistung, sondern Zuverlässigkeit das Problem der Ferrari-Motoren

Dennoch wurde das Ferrari-Triebwerk weiterentwickelt, aber nur jenem Bereich, in dem das auch erlaubt ist. Vasseur verortete dort ohnehin die größere Baustelle in Maranello: "Wir haben einen Schritt gemacht, aber nur bei der Zuverlässigkeit. Die Leistung des Motors war im letzten Jahr überhaupt kein Problem, es war die Zuverlässigkeit. Das erste Ziel ist es, das zu beheben." Charles Leclerc verlor sowohl in Barcelona als auch in Baku die Chance auf dem Sieg durch defekte am Motor. Noch stärker in Erinnerung blieb allerdings der brennende Ferrari von Carlos Sainz in Österreich. Einen derart kapitalen Motorschaden hatten die Fans der Königklasse seit langem nicht gesehen.

Obwohl der Ex-Sauber-Mann seine Motorenabteilung auf einem guten Weg sieht, so kommt der Moment der Wahrheit erst auf das Team zu: "Bisher sieht es gut aus, aber die Realität auf der Strecke sieht manchmal anders aus." Der in Sachen Zuverlässigkeit weiterentwickelte Motor wird erst bei den Testfahrten in Bahrain vom 23. bis 25. Februar auf der Strecke debütieren.

Solche Motorschäden will Ferrari 2023 vermeiden, Foto: LAT Images
Solche Motorschäden will Ferrari 2023 vermeiden, Foto: LAT Images

Auf dem Prüfstand lassen sich die Belastungen des Streckenbetriebs nicht simulieren. Diese Erfahrung machte die Formel 1 im Vorjahr. Vasseur erklärte: "Manche Probleme der Teams in Sachen Zuverlässigkeit, und das gilt nicht nur für Ferrari, kamen auch vom Bouncing und Vibrationen." Deswegen ist noch nicht sicher, ob Ferrari seine Motoren-Hausaufgaben wirklich nach Wunsch erledigt hat: "In einigen Wochen werden da alle ein viel besseres Bild haben."

Falls die Ziele bei der Zuverlässigkeit erreicht wurden, so gelangt Ferrari vielleicht doch über Umwege in Richtung einer Leistungssteigerung. Mit einem standfesteren Motor können schärfere Motorenmodi länger genutzt werden, ohne im Sinne der Haltbarkeit in den Schonmodus schalten zu müssen. Das bedeutet also: Ferrari hat nicht mehr Leistung, sondern kann die Höchstleitung des Aggregats im Rennen länger nutzen. Im Qualifying ändert sich allerdings nichts, denn über eine Runde drehen ohnehin alle Hersteller ihren Motor voll auf. Die 30 Pferdestärken Mehrleistung gegenüber dem Vorjahr gehören also ins Märchenkochbuch der Formel-1-Gerüchteküche.