Königsklasse. Ein Begriff, der immer wieder als Synonym für die Formel 1 genutzt wird. Die Formel 1 ist mit großem Abstand die weltweit populärste Rennserie. Rechtfertigt das den Begriff Königsklasse? Nein, dafür braucht es die besten Fahrer und die schnellsten Autos. Doch wie schnell sind Formel-1-Autos wirklich? Motorsport-Magazin.com macht den Check und lässt die F1 gegen MotoGP, Indycar, Formel E und Co. in vier Disziplinen antreten: Topspeed, Beschleunigung, Kurvengeschwindigkeit und Rundenzeit.

Thema heute: Die Beschleunigung oder auch der Adrenalin-Zünder. So schnell beschleunigt ein Formel-1-Auto! Wie immer ist bei den Werten große Vorsicht geboten. Im Gegensatz zu Autoherstellern prahlen die Rennteams nicht mit ihren Beschleunigungswerten. Offizielle Angaben gibt es kaum. Aber selbst, wenn es sie gäbe: Aus dem Automobil-Bereich wissen wir, dass man keiner Statistik trauen sollte, die man nicht selbst gefälscht hat… Manch ein Hersteller musst die Beschleunigung aus dem Stand, ein anderer im leichten Anrollen. Ein anderer misst bis 60 Meilen pro Stunde, wieder ein anderer bis 100 km/h. Wie dem auch sei, unsere Auflistung erfolgt nach bestem Wissen und Gewissen.

Formel 1: Königsklasse in unter drei Sekunden auf 100

Die Formel 1 bringt unglaublich viel Leistung mit. Diese Leistung schon auf den ersten Metern zu entfalten, ist aufgrund des Hinterrad-Antriebs der Autos aber kaum möglich. Zu schnell drehen die Gummis durch. Der Pilot muss das Gas mit Gefühl regulieren, um das Maximum aus dem Auto herauszuholen. Wenn das optimal gelingt, kann ein aktueller Formel-1-Bolide in unter 2,5 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Das ist zwar schnell, aber nicht übermäßig beeindruckend. Viele Hypercars oder Elektroautos schaffen ähnliche oder teils schnellere Werte.

Das liegt an verschiedenen Faktoren. Bei niedrigen Geschwindigkeiten bestimmt nicht in erster Linie Leistung, Gewicht oder Aerodynamik die Beschleunigung, sondern der Grip. Die straßenzugelassenen Beschleunigungswunder setzen allesamt auf Allradantrieb. Dazu ist eine Traktionskontrolle in der Formel 1 verboten - die Piloten müssen durchdrehende Hinterräder mit Gefühl vermeiden. Elektroautos sind besonders gute Sprinter, weil der Drehmomentverlauf der E-Maschinen perfekt ist und die Traktionskontrolle deutlich besser geregelt werden kann.

In 2,6 Sekunden auf 100, zwar beeindruckend, Königsklasse ist die Formel 1 damit aber nicht, Foto: LAT Images
In 2,6 Sekunden auf 100, zwar beeindruckend, Königsklasse ist die Formel 1 damit aber nicht, Foto: LAT Images

Die volle Performance eines Formel-1-Boliden wird erst genutzt, sobald das Auto stabilisiert ist und der Pilot voll aufs Gaspedal treten kann. Die Beschleunigungswerte von 0-200 und 0-300 sind dementsprechend beeindruckend. Auf 200 beschleunigt ein Formel-1-Bolide in rund 4,5 Sekunden, bis Tempo 300 vergehen aus dem Stand rund 10 Sekunden.

Was sich für den normalen Menschen unfassbar anhört, schaffen aber die extremsten Straßen-zugelassenen Autos von Königsegg und Co. ebenfalls. Allerdings gilt auch hier, ähnlich wie im Topspeed: Vergleiche sind schwierig. Denn zum einen besitzt die Formel 1 aufgrund des unfassbar hohen Abtriebs auch einen hohen Luftwiderstand und fährt je nach Setup mit unterschiedlich großen Flügeln, was für zusätzlichen Luftwiderstand sorgt. Dadurch schöpfen die Boliden nicht das aus, was die Power Unit in Verbindung mit dem verhältnismäßig niedrigen Gewicht hergeben würde.

MotoGP: Motorrad-Königsklasse unterliegt Formel 1

Im Gegensatz zur Formel 1 können die MotoGP-Fahrer nur zwei statt vier Rädern nutzen. Von 0-100 km/h ist das aber kein Nachteil, denn die MotoGP beschleunigt ähnlich wie die Formel 1 in rund 2,5 Sekunden auf die 100er-Marke hoch. Zwar ist die Reifen-Auflagefläche deutlich geringer, dafür hilft das extrem niedrige Gewicht von rund 157 Kilogramm (plus Faher) bei der Beschleunigung.

Allerdings gilt auch für die MotoGP ähnliches wie für die Königklasse der Automobile. Beim Start müssen die Fahrer das Gas regulieren, sonst würde das Vorderrad des Bikes drohen in die Luft abzuheben - und das Motorrad einen Wheelie vollführen.

Setzt ein Rider am Start zu viel Leistung frei, droht ein Wheelie, Foto: Tobias Linke
Setzt ein Rider am Start zu viel Leistung frei, droht ein Wheelie, Foto: Tobias Linke

Erst später kann das Motorrad seine volle Leistung ausspielen. Die Beschleunigung von 0 auf 200 Sachen schafft das Bike annähernd so schnell wie die Formel 1 in knapp unter 5 Sekunden, danach haben die Zweiräder durch den geringeren Luftwiderstand trotz ihrer vergleichsweise niedrigen Leistung von rund 300 PS einen leichten Vorteil.

Dass die Topspeed-Werte auf den Rennstrecken zwischen Formel 1 und MotoGP sehr ähnlich sind, zeigt, dass die Zweiräder beim Beschleunigen die Nase vorne haben. Die Motorräder kommen nämlich deutlich langsamer aus den Kurven heraus und müssen auch wieder deutlich früher bremsen.

Studenten schlagen Profis: Formula Student schlägt Formel 1 und Co

Die Königsklasse heißt Königsklasse, weil sie die schnellste Rennserie ist. Das stimmt in diesem Vergleich aber nicht ganz. Denn die prestigeträchtigen Königsklassen der Autos und Motorräder werden von kleinen Studentenprojekten geschlagen! Die Formula Student ist ein Wettbewerb, bei dem Studententeams aus der gesamten Welt mit kleinen Autos gegeneinander konkurrieren. 2016 baute der akademische Motorsport Club aus Zürich ein unfassbar schnell beschleunigendes Auto der Welt. Das elektrische Mini-Rennauto, auf den Namen Grimsel getauft, beschleunigte in nur 1,5 Sekunden (30 Meter) auf 100 km/h. Das ist ein unglaublicher Wert, den die 168 Kilogramm leichte Rennfliege auf.

In der Formula Student treten die Projekte der Studenten gegeneinander an, Foto: FSG - Botzkowski
In der Formula Student treten die Projekte der Studenten gegeneinander an, Foto: FSG - Botzkowski

Das "Studentenprojekt" ist im Detail eine kleine Wundermaschine. Es kommt mit einem Allradantrieb und insgesamt 200 PS daher. Die Motorleistung ist auf vier verschiedene elektrische Motoren, einen für jeden Reifen, aufgeteilt. Ein cleveres Traktionskontrollen-System sorgt zusätzlich dafür, dass die Performance jedes einzelnen Reifen individuell optimal genutzt werden kann. Um nach diesem bärenstarken Beschleunigungsvorgang die eigenen Energiereserven wieder aufzuladen, kann der Pilot beim Bremsen rund 30 Prozent der eingesetzten Energie wieder zurückgewinnen. Auf 200 beschleunigt der Mini-Bolide aber leider nicht, daher gibt es dafür keinen Vergleichswert. Beeindruckend bleibt dieses Fahrzeug aber trotzdem. Für die Rekordfahrt wurde das Auto übrigens leicht adaptiert, dem Formula-Student-Reglement würde es nicht mehr ganz entsprechen.

Top Fuel Dragster: Die Beschleunigungsmonster

Falls die 1,5 Sekunden-Beschleunigung der Formula Student schon magisch klangen, wird es jetzt gerade zu unheimlich! Die Dragster sind die am schnellsten beschleunigenden Autos der Welt. Ein solches Beschleunigungsmonster erreicht in rund 3 Sekunden 300 km/h, die 100er-Marke schafft er in unter einer Sekunde! Der Beschleunigungsrekord für einen solche Geschosse liegt bei 544 km/h in nur 3,659 Sekunden, aufgestellt von Brittany Force. Das ist absoluter Weltrekord! Selbst die Beschleunigung von 0 auf 100 Meilen, umgerechnet 0 auf 160 km/h, gelang in unter einer Sekunde.

Die langen Geschosse erreichen die 100km/h Marke in weniger als einer Sekunde, Foto: LAT Images
Die langen Geschosse erreichen die 100km/h Marke in weniger als einer Sekunde, Foto: LAT Images

Die Leistung der Boliden macht der Beschleunigung alle Ehre, die Pferdestärken der Dragster variieren je nach Team und Klasse. Die Spitzenwerte bewegen sich im Bereich zwischen 8.000 und 10.000 PS. Die 10.000er-Marke knacken aber nur die Top-Teams. In der Top Fuel-Klasse werden diese Werte durch V8-Motoren, die mit einer Mischung aus Nitromethan und Methanol angetrieben werden, erreicht. Der Motor kann wesentlich mehr der Mischung verbrennen als bei einem normalen Treibstoff. Es sind jedoch auch 6 und 4-Zylinder-Motoren erlaubt. Je nach Art des Motors und der Klasse, in der der Dragster antreten soll, wird dann das Mindestgewicht des Boliden festgelegt.

Werden alle Pferdchen im Heck des rund 1.000 Kilo schweren Top Fuel-Geschosses dann einmal ausgespielt, wirken Kräfte von über 5G auf den Piloten. Die Sprit-Kosten für so einen Versuch sind dann aber immens, die zuletzt steigenden Sprit-Preise kommen einem im Vergleich dazu wie Peanuts vor. Denn der verbrauchte Treibstoff ähnelt dem eines startenden Flugzeugs und erhitzt die aus dem Auspuff aufsteigenden Flammen auf bis zu 4.300 Grad Celsius.

IndyCar: Knapp hinter der Königsklasse

Die amerikanischen Verwandten der Formel 1 liegen in dieser Kategorie hinter der Königsklasse. So gewann die IndyCar zwar die Topspeed-Kategorie, die Zeit, die sie bis zu Geschwindigkeiten jenseits der 300er-Marke braucht, liegt aber hinter der Formel 1. Für die Beschleunigung auf 100 km/h braucht ein IndyCar-Bolide circa 3 Sekunden. Allerdings sind auch die IndyCars auf den ersten Metern limitiert, denn auch sie besitzen natürlich einen Heckantrieb und können auf den ersten Metern daher nicht die volle Leistung bringen.

Die IndyCar liegt rund 0,4 Sekunden hinter der Formel 1, Foto: LAT Images
Die IndyCar liegt rund 0,4 Sekunden hinter der Formel 1, Foto: LAT Images

Zudem fahren die IndyCars auf regulären Rundstrecken mit größeren Front, sowie Heckflügeln, als auf Superspeedways. In ihrer Low-Downforce Konfiguration beschleunigen die Boliden durch weniger Luftwiderstand schneller - die absoluten Bestwerte sind nur so möglich. Den Rückstand holen sie im Vergleich zur Formel 1 und MotoGP allerdings trotzdem nicht mehr auf. Grund dafür ist das Leistungsdefizit im Vergleich zur Formel 1. Die 2,2 Liter-Motoren stemmen 'nur' rund 700 Pferdestärken auf die Kurbelwelle.

NASCAR: Ähnlich schnell wie die IndyCar

Die beliebteste Motorsport-Serie Amerikas steht dem landesinternen Konkurrenten nur knapp nach. Die Stockcars erreichen die 100er-Marke in 3,4 Sekunden. Etwas langsamer als die IndyCar, allerdings schon eine Sekunde hinter Formel 1 und MotoGP. Allerdings muss man an dieser Stelle fairerweise erwähnen, dass die NASCARS mit ihren auf Straßenautos basierenden Boliden und dem Luftmengenbegrenzer, der die Leistung der Autos limitiert, einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz haben. Ohne Luftmengenbegrenzer wären vermutlich auch schnellere Werte möglich, denn dann stünden den Amerikanern statt rund 450 ganze 800 PS zur Verfügung.

Mit Luftmengenbegrenzer braucht die NASCAR rund 3,4 Sekunden, Foto: LAT Images
Mit Luftmengenbegrenzer braucht die NASCAR rund 3,4 Sekunden, Foto: LAT Images

Formel E: Mit Elektro-Power in unter 3 Sekunden zur 100

Die Formel E überzeugt in der Beschleunigungs-Kategorie mehr als beim Tospeed. Die Elektro-Boliden beschleunigen offiziell in 2,8 Sekunden auf 100 km/h. Sie liegen damit knapp hinter Formel 1 und MotoGP. 475 PS reichen, um auf den Profilreifen im unteren Geschwindigkeitsbereich über dem Grip-Limit zu sein. In der Praxis können die Boliden jedoch selten die volle Leistung abrufen. Denn die Reichweite würde dadurch stark reduziert werden. Im Renntrimm sind die Boliden dementsprechend langsamer. Mit der neuen Generation der Formel E wurden die Boliden zudem deutlich leichter und leistungsstärker, die Werte von 0-200 und 0-300 sollten dementsprechend auch gestiegen sein, dazu macht die Formel E allerdings keine offizielle Angabe.

WRC: Schnell trotz unebenem Terrain

Die Königsklasse des Rallye-Sports gastiert auf mehreren Etappen quer durch die Länder dieser Welt. Egal ob in Wüsten oder bei Schnee, die Streckenbedingungen sind für Beschleunigungswerte nicht ideal - und darauf sind die Rallye-Renner auch nicht ausgelegt. Deswegen hinkt der Vergleich etwas, allerdings zaubert die WRC auch auf etwas unebenem Terrain durchaus annehmbare Zeiten auf das Tableau. Beschleunigungswerte für die neue Generation sind nicht bekannt, aber die älteren Boliden mit lediglich 315 PS schafften den Sprint in 3,9 Sekunden. Inzwischen dürfte der Wert deutlich näher an der 3-Sekunen-Marke liegen. Dank Hybrid-System kommen die Autos heute auf über 500 PS Systemleistung. Dazu hilft der Allrad-Antrieb, ordentliche Beschleunigungswerte zu erreichen.

Trotz suboptimalem Untergrund schafft es die WRC in unter 4 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen, Foto: LAT Images
Trotz suboptimalem Untergrund schafft es die WRC in unter 4 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen, Foto: LAT Images

DTM: GT3-Boliden hinken hinter Vorgängern zurück

Die DTM geht seit der Saison 2021 mit ihren neuen GT3-Boliden an den Start. Bis 2020 fuhr man mit Class-1-Prototypen. Diese wurden von einem über 600PS starken 4-Zylinder Turbomotor angetrieben. Mit den Autos der alten Generation erreichte man die 100 km/h Grenze schon in circa 2,8 Sekunden und lag damit nur knapp hinter der Formel 1.

Die alten Class-1-Prototypen sind den neuen GT3-Boliden leistungstechnisch überlegen, Foto: LAT Images
Die alten Class-1-Prototypen sind den neuen GT3-Boliden leistungstechnisch überlegen, Foto: LAT Images

Mit den neuen GT3-Boliden sind es rund 3 Sekunden, die die DTM bis zu diesem Wert braucht. Dafür gibt es aber mehrere Gründe. Zum einen sind die GT3 Autos rund 300 Kilogramm schwerer als die alten Class-1-Prototypen, dazu kommen rund 50-90 PS weniger im Vergleich zur alten Generation. Mit dem Push-to-Pass Button konnte ein Pilot mit den alten Prototypen rund 30 zusätzliche PS abrufen, falls er sie für Überholmanöver oder zum Verteidigen brauchte - und kam damit sogar auf rund. Die GT3-Renner kommen lediglich auf 550 PS.

Geschwindigkeitsvergleich - Tabelle

Pos.Rennklasse0-100
1DragsterUnter eine Sekunde
2Formula Student1,5 Sekunden
3Formel 12,5 Sekunden
4MotoGP2,6 Sekunden
5Formel E2,8 Sekunden
6DTMCirca 3 Sekunden (Class-1-Prototyp: 2,8 Sekunden)
7IndyCarCirca 3 Sekunden
8Nascar3,4 Sekunden
9WRCKnapp unter 4 Sekunden (alte Generation)