Andretti will mit der GM-Nobelmarke Cadillac in die Formel 1 einsteigen. Was praktisch immer in der Geschichte der Königsklasse eine erfreuliche Nachricht für den Sport gewesen wäre, stößt auf Seiten des Formel-1-Managements und der derzeitigen Rennställe auf Zurückhaltung oder gar Ablehnung. Nur die FIA unterstützt das Vorhaben der nordamerikanischen Rennsport-Dynastie mit General Motors im Rücken. Warum das Thema Andretti zu einem Machtkampf wird.

Auf der einen Seite des steht die FIA rund um Mohamed Ben Sulayem. Der Emirati übernahm im Dezember 2021 die Führung der FIA. Ben Sulayem positionierte sich spätestens am 2. Januar mit einem Tweet klar für die Aufnahme neuer Teams in die Königsklasse des Motorsports. Wenige Tage später folgte die Ankündigung des gemeinsamen Projekts von Andretti und GM.

FIA-Präsident: Wir sprechen über GM!

Seitdem ist er der wohl prominenteste Befürworter des US-Rennstalles und macht daraus keinen Hehl. "Wir sprechen hier nicht über jemanden, der auf der Suche nach einem Abenteuer ist. Wir sprechen über GM!", bekräftigte Ben Sulayem seine Unterstützung von Andretti-Cadillac bei einer Medienrunde im Rahmen der Rallye Dakar.

Für die FIA haben Neuzugänge die Funktion, den Sport krisenfester zu machen. Im Moment ist es aufgrund des F1-Booms kaum denkbar, dass Teams die Formel 1 verlassen. Die Königsklasse ist durch den prall gefüllten Sponsoren- und Fernsehtopf auf der einen und den Budget Cap auf der anderen Seite ein lukratives Geschäft, das sich wenn nicht auf der Rennstrecke spätestens im Marketing lohnt. Der Wert eines F1-Teams ist so hoch wie nie zuvor.

Doch jeder Boom kann auch einmal ein Ende haben. Im Falle der Formel 1 würde sich der Verlust eines Teams auf das sportliche Produkt niederschlagen. Ein Verlust, den ein Feld von 22 oder 24 Autos viel besser abfedern könnte, als die derzeitigen 20 Boliden. Aber nicht um jeden Preis. "Wir müssen die Formel 1 nachhaltig gestalten", betonte Ben Sulayem deshalb - und zwar mit glaubwürdigen Teams. "So stellte ich mit die Zukunft vor, auf der einen Seite mit einem nachhaltigen OEM, auf der anderen Seite mit einem Team wie Andretti", beschrieb das FIA-Oberhaupt.

Darüber hinaus sind aber dem Weltverband die Hände gebunden. Der Ball für den Einstieg liegt nun bei der FOM und damit auch bei den bestehenden Teams. Für einen Einstieg müssen sowohl der kommerzielle Rechteinhaber als auch der Motorsport-Weltverband ihre Zustimmung geben. Die Königsklasse betont aber, dass es mehrere Interessenten gibt. Andretti ist demnach zwar der lauteste Anwärter auf einen Einstieg, aber nicht der einzige.

Michael Andretti: Erfüllen alle Voraussetzungen für Formel-1-Einstieg

Entsprechend zurückhaltend versucht der FIA-Präsident seine Unterstützung auch auszudrücken. Man wolle die Tür für neue F1-Teams öffnen, aber eine sichere Start-Zusage sei das noch lange nicht. "Wir werden sehen, ob sie alle Punkte erfüllen können", so Ben Sulayem. Michael Andretti zeigte sich in einem Interview bei Forbes überzeugt davon: "Wir haben alle Voraussetzungen abgehakt. Den einzigen Punkt, den wir noch nicht finalisiert hatten, als wir an unserem Eintritt gearbeitet haben, war, dass wir keinen Hersteller hinter uns hatten."

Auf der anderen Seite steht die Formel 1 und damit in erster Linie die Teams. Für die bedeutet ein Einstieg von Andretti ein direkter Konkurrenzkampf auf dem Sponsorenmarkt und das auch noch im so wichtigen Markt USA. Gleichzeitig würde plötzlich ein Rennstall mehr am satten Preisgeld-Kuchen mitnaschen.

Andretti wirft den bestehenden Teams deshalb Gier vor: "Es geht nur um Geld. Zuerst denken sie, dass sie ein Zehntel ihres Preisgelds weniger bekommen. Aber sie werden auch sehr gierig und denken, dass wir auch alle amerikanischen Sponsoren wegnehmen werden", sagte er und betonte, dass alle auf sich selbst schauen würden und nicht darauf, was das beste für das allgemeine Wachstum der Formel 1 sei.

Formel 1: So viel kostet der Einstieg

Andrettis Plan sieht vor 2025 in die Königsklasse einzusteigen. Ein günstiger Zeitpunkt für ihn, denn es ist das letzte Jahr in welchem das derzeitige Concorde-Agreement noch in Kraft ist. Demnach würde für den Neueinstieg eine Summe von 200 Millionen US-Dollar fällig werden, die als Kompensation unter den bestehenden Teams aufgeteilt wird.

Viel Geld! Aber in den Augen der bestehenden Teams zu wenig. Ab 2026 gelten mit einer Erneuerung des Concorde Agreements neue finanzielle Rahmenbedingungen. Vergleichbar mit Franchises im US-Sport könnten dann Summen zwischen 500 Millionen bis zu einer Milliarde Dollar veranschlagt werden. Die Zeit drängt also für Andretti-Cadillac.

Andretti-Cadillac: Wer baut den Motor?

Eine Frage, die sich der Formel 1 allerdings aufdrängt, ist wie die Position von Cadillac in dem ganzen Konstrukt aussehen soll. Wird GM einen eigenen Motor bauen? Danach sieht es derzeit nicht aus. Als wahrscheinlichstes Szenario gilt, dass man mit einer Renault-Power-Unit an den Start gehen wird. 2025 müsste sich das Team sowieso einen Motorpartner suchen, aber auch für das neue Motor-Reglement ab 2026 wäre GM spät dran.

"Wir haben eine unterzeichnete Vereinbarung mit einem Power-Unit-Lieferanten. Und während wir voranschreiten, bringen wir unsere Expertise ein, um Dinge für die Zukunft zu schaffen", erklärte GM-Präsident Mark Reuss die Rolle von Cadillac vage. Andretti betonte, dass geistiges Eigentum von GM im Motor stecken solle und es sich nicht nur um einen Kundenmotor handelt, der mit einem Cadillac-Emblem versehen ist. Die anderen Formel-1-Teams haben aber begründete Zweifel daran.

Andretti bleibt einen konkreten Fahrplan schuldig und auch wie groß der angebliche Anteil von Cadillac am Fahrzeug und dem Motor sein solle, ließen beide offen. Wohlwissend, dass die Formel 1 dem Einstieg eines neuen Werkseinsatzes aufgeschlossener gegenübersteht als jenem eines Kundenteams, das sich hinter dem Logo eines OEMs tarnt.

Fest steht, dass die US-Amerikaner als Kundenteam beginnen und das aller Voraussicht nach bei Renault. Das französische Team unterstützt deshalb als einer der wenigen Rennställe das Vorhaben von Andretti, auch McLaren sprach sich in der Vergangenheit für das Team aus Indianapolis aus. Ob das in Kombination mit der FIA-Unterstützung reicht, um die Königsklasse zu überzeugen, werden die nächsten Monate zeigen.