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'Schumacher' - ein Name, der alle Motorsportfans aufhorchen lässt und ein Name, der verpflichtet. Eine erfolgreiche Motorsportkarriere, die soll ein Schumacher hinlegen. Der Maßstab? 7 WM-Titel und 91 Grand-Prix-Siege, eingefahren von Michael. Diesem Vergleich kann in der über 70-jährigen Geschichte der Formel 1 nur einer von 772 Grand-Prix-Piloten standhalten. Lewis Hamilton musste sich dem aber kaum stellen, Mick Schumacher hingegen sehr wohl.

Die deutsche Motorsport-Hoffnung

'Wie der Vater, so der Sohn' lautete die Hoffnung. Kein Wunder also, dass bei Mick Schumachers Formel-1-Debüt 2021 mit Haas die deutsche Medienlandschaft in einen regelrechten Wahn verfiel. Um die Deutschen in der Formel 1 war es nach Jahren der Siege und Weltmeistertitel nicht gerade gut bestellt. Sebastian Vettel hatte seinen Sitz bei Ferrari verloren und fuhr nun im Mittelfeld für Aston Martin. Und sonst? Nichts.

Es musste ein Leuchtstreifen am Horizont her: Mick Schumacher, der Sohn der größten deutschen Rennsportlegende. Das musste doch etwas Großes werden, oder? Von Podestplätzen wurde fabuliert und die Frage gestellt, wann Carlos Sainz bei Ferrari endlich Platz für Mick Platz machen muss. Die Realität sah anders aus und sie war der Fachpresse sowie fachkundigen Fans schon vorher bewusst: Mit diesem Haas war kein Blumentopf zu gewinnen. Das mussten nach dauerhaftem Ausscheiden in Q1 und regelmäßigen Rückständen von über einer Runde zum vorletzten Team auch irgendwann die größten Träumer erkennen.

2021: Der Formel-1-Testlauf

Doch wie glänzen in einem unterirdischen Dienstwagen? Eine alte Formel-1-Weistheit sagt: Dein Teamkollege ist der erste Gegner. Doch dieser war kein Maßstab. Der Russe Nikita Mazepin machte in seiner Formel-1-Karriere eigentlich nur mit Fehlern auf und Kontroversen neben der Rennstrecke Schlagzeilen. Ernst nahmen ihn nur wenige Außenstehende, nicht umsonst tauften die Fans ihn spöttisch 'Mazespin'.

2021 fuhr Mick Schumacher hinterher, das Jahr war ein Testlauf für das was 2022 kommen sollte, Foto: LAT Images
2021 fuhr Mick Schumacher hinterher, das Jahr war ein Testlauf für das was 2022 kommen sollte, Foto: LAT Images

Doch teamintern sah das anders aus. Wer Geld hat, schafft an. Und das hatte Mazepin Senior für Mazepin Junior. Das Logo von Dimitri Mazepins Firma prangte als Titelpartner auf dem Haas. Was konnte Mick also in dieser Konstellation tun? Eigentlich nichts. Am Hungaroring durfte er sich kurz mit dem späteren Weltmeister Max Verstappen duellieren. Ein kleines Ausrufezeichen, aber nichts, was in der Königsklasse nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Es war klar: 2022 würde das entscheidende Jahr werden, 2021 war ein Test unter Rennbedingungen gewesen.

2022 als erste richtige Messlatte

Das zweite Formel-1-Jahr brachte zwei große Änderungen für Schumacher mit sich. Zum einen baute die Formel 1 die Aerodynamik für besseres Racing komplett um. Haas hatte sich voll auf diese Chance konzentriert, jeder Dollar der Entwicklungsabteilung floss in das 2022er Projekt. Die zweite Änderung kam wesentlich überraschender. Russlands Präsident und Mazepin-Freund Vladimir Putin begann den Krieg gegen die Ukraine. Die Sportwelt reagierte geschockt und verurteilte den Angriff aufs Schärfste. FIA und Haas handelten sofort konsequent: Die Mazepins flogen raus. Die finanzielle Lücke wurde von Teambesitzer Gene Haas überbrückt und die Lücke im Cockpit füllte ein alter Bekannter: Kevin Magnussen, bereits von 2017 bis 2020 im Haas-Rennanzug, kehrte in die Formel 1 zurück.

Für Mick Schumacher änderte das alles. Plötzlich saß da ein sportlicher Konkurrent neben ihm. Kein Spitzenpilot, aber ein Punktefahrer, der die Bezeichnung 'Messlatte' verdiente. Jetzt war die Chance gekommen, um zu zeigen, was in ihm und dem neuen Haas VF-22 steckte. Doch das stellte erst einmal Magnussen unter Beweis. Der Däne fuhr beim Saisonauftakt in Bahrain als Fünfter ein herausragendes Ergebnis ein, welches auch das beste Saisonresultat von Haas bleiben sollte.

Mit Kevin Magnussen hatte Mick Schumacher eine Herausforderung komplett neuen Ausmaßes zu bewältigen, Foto: LAT Images
Mit Kevin Magnussen hatte Mick Schumacher eine Herausforderung komplett neuen Ausmaßes zu bewältigen, Foto: LAT Images

Schumacher hingegen schrammte mit Rang 11 knapp an den Punkten vorbei. Das Stigma der Punktelosigkeit haftete ihm nun an. Was 2021 noch unmöglich war, musste 2022 geliefert werden. Schumacher schrieb Schlagzeilen, aber keine guten. Schwere Unfälle in Saudi-Arabien und Monaco verursachten eine große Reparaturrechnung. Teamchef Günther Steiner war 'not amused'. Eine Fehde mit deutschen Medien, die weiterhin treu zu Schumacher hielten, entbrannte. Haas würde Schumacher in den Rücken fallen, anstatt ihn zu unterstützen, so der Vorwurf aus Deutschland.

Die Punktebilanz vor dem zehnten Saisonrennen in Großbritannien verblieb aber eindeutig: Magnussen 15, Schumacher 0. Doch von vielen unbemerkt war ein Knoten aufgegangen. In Kanada stellte der 23-jährige sein Auto im Regen bereits auf Startplatz sechs. In Silverstone gelang es dann endlich auch im Rennen: Schumacher stürmte von Startplatz 19 auf Platz 8 nach vorne und holte sich die ersten Punkte seiner Karriere im 30. Anlauf. Eine tonnenschwere Last schien von den Schultern gefallen zu sein, denn beim nächsten Rennen in Österreich geigte er gleich noch lauter auf. Der sechste Rang konnte sich mehr als sehen lassen. Das musste doch die Initialzündung gewesen sein, oder? Sie war es nicht.

Die Trendwende bleibt aus

Zwei punktelose Auftritte in Frankreich und Ungarn deuteten den weiteren Saisonverlauf an. Auch mit einem großen Update-Paket am Haas gelangen keine Zähler mehr bis Saisonende. Die einzige Konstante war die Inkonstanz. Ein gesamtes Wochenende ohne Probleme wollte einfach nicht gelingen. War die Leistung im Qualifying gut, lief das Rennen nicht. War die Leistung im Rennen gut, so war der Startplatz zu schlecht für Punkte. Dazu kamen Motorenstrafen, schlechte Boxenstopps und gescheiterte Risikostrategien als Hindernisse. Teamchef Günther Steiner erkannte die Lage: "Er hat in Kanada, Großbritannien und Österreich sehr gute Rennen geliefert. Aber es fehlt ihm an Konstanz - er müsste öfter starke Leistungen bringen."

Kevin Magnussen sicherte sich seine und Haas' erste Pole-Position in Brasilien, Mick Schumacher landete auf dem letzten Platz, Foto: LAT Images
Kevin Magnussen sicherte sich seine und Haas' erste Pole-Position in Brasilien, Mick Schumacher landete auf dem letzten Platz, Foto: LAT Images

Die konnte Schumacher aber nicht mehr zeigen. Das Brasilien-Wochenende fasste seine Saison zusammen. Im Qualifying wurde er Letzter, während Magnussen sensationell die erste Pole-Position der Teamgeschichte einfuhr. Im Sprint ging es dann gehörig nach vorne: Von 20 auf 12, ohne dass sich Schumacher davon etwas kaufen konnte. Das Rennen war wiederum ein Flop. Die Aufs zur falschen Zeit und die Abs, wenn es gezählt hätte.

Schumacher konnte sein Potential und das des Autos nicht konstant genug abrufen. Er konnte nicht das liefern, was eindeutig drin gewesen wäre. Haas braucht aber eine Konstante und diese will es nun in einem Landsmann Schumachers gefunden haben. Nico Hülkenberg wird ab 2023 ins Cockpit steigen. Günther Steiner erklärt: "Mick fehlt die Erfahrung von vielen Jahren in der Formel 1. Außerdem war er nie bei einem anderen Team als bei uns. Nico bringt sie hingegen mit. Er war bei vier verschiedenen Teams, er hat also die Erfahrung."

2023 auf der Mercedes-Ersatzbank

Und Mick Schumacher? Der macht 2023 erst einmal die Erfahrung der Ersatzbank. Was das angeht, ist er selbst optimistisch: "Ich habe meine Pace gezeigt und ich weiß, dass viele Leute im Paddock mit meiner Entwicklung zufrieden sind." Zu diesen Leuten gehört Mercedes-Boss Toto Wolff. Eine Verpflichtung Schumachers als Ersatzfahrer ist mittlerweile bestätigt. Der deutsche heuert 2023 beim deutschen Team als dritter Fahrer an. Eine Chance, Erfahrungen zu sammeln und die Abläufe in einem Top-Team kennenzulernen, das konnte ihm Haas nicht bieten.

Mick Schumacher heuert 2023 bei Mercedes an, eine neue Chance für die deutsche Formel-1-Hoffnung, Foto: Mercedes AMG F1
Mick Schumacher heuert 2023 bei Mercedes an, eine neue Chance für die deutsche Formel-1-Hoffnung, Foto: Mercedes AMG F1

Hat Schumacher also noch eine Chance? Ausgerechnet die Haas-Paarung für 2023 sollte ihm Mut machen, denn Magnussen und Hülkenberg waren zum Jahresbeginn 2021 weit von einem Formel-1-Stammcockpit entfernt. Für Schumacher waren seine beiden Formel-1-Jahre mit Haas eine Achterbahnfahrt der Gefühle - auf wie neben der Rennstrecke, nach der es hieß: Bitte austeigen!

Das soll es für ihn aber noch nicht gewesen sein: "Es hat sich nicht angefühlt, als wäre mein letztes Rennen schon gefahren. Im Kopf habe ich schon meine Rückkehr 2024, wenn sich nicht sogar 2023 schon etwas ergibt", gibt er sich kämpferisch. Eines ist dabei klar: Bekommt Schumacher noch eine zweite Chance, dann muss er sie nutzen, so wie es Magnussen und Hülkenberg taten, als sie ins kalte Wasser geworfen wurden. Sein großer Name war Vorteil und Nachteil zu gleich, aber am Ende zählen in der Formel 1 nur Leistung und Ergebnisse.

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