Mit 55 Punkten sicherte sich Alfa Romeo den rekordverdächtigen sechsten Platz in der Konstrukteurswertung und wichtige Millionen für das Budget. Nach schwierigen Saisonen in den Jahren zuvor ein gelungener Neustart. Mit zwei neuen Fahrern, mehr Material in Schweizer Eigenproduktion und weniger Abhängigkeit von Ferrari. Vor allem zu Saisonbeginn ein meisterhafter Plan. Nach und nach wurden die Träume des Schweizer Teams aber auf eine harte Probe gestellt.

So startete Alfa Romeo in die neue Formel 1: Für Sauber ging es los wie mit der Feuerwehr. Trotz reduzierter Testzeit aufgrund großer technischer Schwierigkeiten in Barcelona. Beide Fahrer punkteten im ersten Rennen, Rookie Zhou Guanyus Debüt in der Königsklasse fast perfekt mit Rang zehn. Der C42 aus dem Hause Sauber war zu Beginn das einzige Auto innerhalb des Mindestgewichtes von 798 Kilogramm. Valtteri Bottas lieferte gleich ab und sicherte wichtige Punkte. Wie wichtig, würde sich erst im letzten Rennen der Saison zeigen.

Valtteri Bottas erzielte in seiner Debüt-Saison bei seinem neuen Arbeitsgeber 49 Punkte, Foto: LAT Images
Valtteri Bottas erzielte in seiner Debüt-Saison bei seinem neuen Arbeitsgeber 49 Punkte, Foto: LAT Images

Die Leistungen des Teams in Qualifying und Rennen zu Beginn gut, Highlight war Bottas' fünfter Startplatz in Miami, direkt hinter Red Bull und Ferrari und noch vor seinem Ex-Team Mercedes. Die frohe Stimmung in Hinwil trübten einerseits die Performance von Guanyu Zhou, der nicht mit Valtteri Bottas mithalten konnte, andererseits die Zuverlässigkeit des Ferrari-Motors. Schon im zweiten Rennen der Saison in Saudi-Arabien kostete Bottas ein defektes Kühlsystem Rang sechs und gute Punkte. Eine Serie, die sich im Laufe der Saison fortsetzen sollte.

So entwickelte sich Alfa Romeo 2022: Mit Saisonverlauf bauten die direkten Konkurrenten von Sauber Gewicht ab, und Performance auf. Ohne diesen Vorteil (drei bis vier Zehntel pro Runde) war Alfa Romeo auf die Weiterentwicklung angewiesen. Die stellte sich jedoch als Problem heraus. Etwa zehn Millionen unter dem Budget-Cap hatten die Mannen von Ex-Teamchef Frederic Vasseur nicht die Mittel dazu, mitzuhalten. Dazu kommt das teure Leben am Schweizer Standort (20-30 Prozent höheres Gehalt).

Anfangs konnte sich Sauber mit Alpine und McLaren messen, zu Saisonende musste sich das Schweizer Team mit dem hinteren Mittelfeld herumschlagen. Dazu kamen Zuverlässigkeitsprobleme: Mit insgesamt zwölf Ausfällen ist Alfa Romeo alleiniger Rekordhalter.

Der neue Frontflügel (oben) im Vergleich zum älteren Modell, Foto: Florent Gooden / DPPI
Der neue Frontflügel (oben) im Vergleich zum älteren Modell, Foto: Florent Gooden / DPPI

Am Ende lies auch die Pace zu wünschen übrig, meist war im Qualifying schon in Q2 Schluss. In den letzten 13 Rennen erzielte Sauber karge vier Punkte. Der neue Frontflügel in Japan versprach viel, brachte aber nicht genug Performance um Fehler auszugleichen: In Austin ein Dreher von Bottas, in Mexiko eine schlechte Reifenstrategie.

Das ist Alfa Romeos größte Stärke:
Ein potenziell schnelles Auto. Die Ingenieure in Hinwil haben 2022 gezeigt, dass sie ein gutes Auto entwickeln können. Das Konzept war gut, die Bouncing-Problematik bekam das Team bald in den Griff und wenn Zhou und Bottas nicht ausfielen, waren sie Kandidaten für eine Platzierung in den Top-10. 31 Punkte in den ersten fünf Rennen sprechen eine klare Sprache. Zum Ende hin häuften sich allerdings Ausfälle und unsaubere Wochenenden.

Aber: Zu Beginn war das Auto eine Rakete, leicht und mit viel Schweizer Anteil. Um Geld zu sparen und flexibler zu sein produzierte Sauber 2022 Getriebe und Aufhängung selbst. Mit Erfolg, das verheißt viel Potenzial für 2023 (mit etwas Schützenhilfe von Ferrari). Weiteres Plus: Mehr Geld durch P6 in der WM und eine zu erwartende Weiterentwicklung von Zhou Guanyu (Vertrag bis 2023).

Das ist Alfa Romeos größte Schwäche: Mit zwölf Ausfällen (gerecht aufgeteilt auf beide Fahrer) ist schnell ersichtlich, was neben dem Budget das größte Problem bei Sauber ist. Oft in den Punkten liegend fielen Bottas und Zhou aus. "Manchmal war es etwas Technisches, manchmal war es der Motor und manchmal Latifi", meint der Teamchef dazu.

Am Beispiel Zhou: Bei seinen sechs Ausfällen war viermal der Ferrari-Motor Schuld, in Silverstone war er spektakulär Opfer beim Startchaos, in Singapur drängte ihn Latifi in die Mauer. Den Motor hat das Team aus Hinwil nicht selbst in der Hand, hier müssen die Schweizer auf Ferrari hoffen. Sechs Verbrennungsmotoren (statt der erlaubten drei) hieß es für Bottas, Zhou verbrauchte fünf. Mit Motorenstrafen wurden Punkte zur Herkulesaufgabe. Aber zumindest Latifi ist 2023 keine Gefahr mehr.

Bottas' Dreher in Austin, einer der wenigen selbstverursachten Ausfälle der Saison, Foto: LAT Images
Bottas' Dreher in Austin, einer der wenigen selbstverursachten Ausfälle der Saison, Foto: LAT Images

2022-Schlussstrich für Alfa Romeo: Ohne konkrete Ziele startete Sauber in die neue Ära der Formel 1, das Schweizer Team machte 2022 dennoch einen deutlichen Schritt nach vorne. Vor allem zu Saisonbeginn war das Team aus Hinwil ein Stammgast in den Top-10. Mit einer besseren Performance von Zhou hätte Sauber den Vorteil des leichten C42 noch mehr ausnutzen können, leider benötigte der erste Chinese in der Formel 1 in seinem Debütjahr eine etwas längere Eingewöhnungszeit.

Zum Ende hin lieferte zwar Zhou konstant gute Leistungen ab, aber das Auto nicht mehr. Die Weiterentwicklung ging nur langsam voran, zudem hagelte es nach wie vor Ausfälle. Am Ende retteten die Mannen von Frederic Vasseur mit Ach und Krach und einer Defensiv-Schlacht P6 in der Konstrukteurs-WM. Mangelnden Einsatz kann Sauber niemand vorwerfen, von den Fahrern zu den Ingenieuren. 2023 dürfen die Schweizer wieder hoffen. Ohne Frederic Vasseur, dafür mit Andreas Seidl als CEO und zusätzlichen Millionen für das Entwicklungsbudget.

Von Überraschung zu Enttäuschung: Die Teambilanz von Alfa Romeo (11:35 Min.)