Nach Mattia Binottos Abgang bei Ferrari steht seine berufliche Zukunft noch offen. Insgesamt 27 Jahre war der Ingenieur bei der Scuderia, arbeitete sich vom Testteam zum Teamchef hoch. Binottos Erfahrung und technisches Wissen im Motoren-Bereich würden ihn in der Theorie zu einem begehrten Kandidaten bei Formel-1-Teams machen. Auch für Mercedes? Top-Ingenieure wie James Allison vollzogen bereits den Wechsel von rot zu silber. Binotto wird sich ihnen aber definitiv nicht anschließen. Warum, erklärt Toto Wolff.

Mercedes und Ferrari: Es ist kompliziert

"Mattia und ich hatten so unsere Momente", erinnert sich Wolff. Gleich in seinem ersten Jahr als neuer Ferrari-Teamchef: 2019 das Drama mit Mercedes. Im Titelkampf starteten die Silberpfeile wie die Feuerwehr, aber Ferrari hatte in der zweiten Saisonhälfte das stärkere Auto. Und den stärkeren Motor. Um das aufzuholen ging Mercedes bis an die körperliche Belastungsgrenze. Bis die Bombe platzte: Illegale Ferrari-Wunder-Motoren. Das hinterließ Spuren. "Das ist kein Geheimnis, über die vielen Jahre."

Vier Siege waren nicht genug, Binotto musste gehen, Foto: Scuderia Ferrari
Vier Siege waren nicht genug, Binotto musste gehen, Foto: Scuderia Ferrari

Zuletzt hat sich das Verhältnis der beiden allerdings verbessert. "2022 haben wir uns dann irgendwie verbündet, und kamen besser miteinander aus", meint Toto Wolff. Vereinigt gegen den gemeinsamen Feind Red Bull: Bei Themen wie dem Budget-Cap oder Strafen waren sich die Rennställe aus Brackley und Maranello oftmals einig.

Wolff: Ferrari-Teamchef als (Alb-)Traumjob aller

"Jetzt ist das Unvermeidbare passiert. Aber er hat sich länger gehalten, als ich es erwartet hatte", war Toto Wolff nicht überrascht über die gescheiterte Ehe zwischen Binotto und Ferrari. Hoher Druck teamintern, vom Management und den Medien. "Du repräsentierst nicht nur Ferrari, sondern das ganze Land Italien."

Vor allem als Italiener (oder in der Schweiz geborener Italiener wie Binotto) schwierig. "Als Ausländer liest du zumindest die Nachrichten nicht. Als Italiener bist du direkt in der Schusslinie", glaubt Toto Wolff. Entweder himmelhoch gelobt, oder brutal zerschossen von der nationalen Presse. Trotzdem hätte auch er vor zehn Jahren, bevor er Teamchef bei Mercedes wurde, das Angebot nicht ausgeschlagen. "Jeder der das sagt, lügt einfach."

Binotto bei Mercedes, Wolff bei Ferrari?

"Ich bekam damals die Chance bei Daimler, aber wenn Ferrari um die Ecke gekommen wäre und mir das angeboten hätte", sinniert Toto Wolff. Gerüchten zufolge könnte der Österreicher sogar fließend Italienisch. "Das sagen sie nur, weil sie nett sein wollen. Als fließend würde ich das nicht bezeichnen."

So bleibt Mattia Binottos Nachfolge unklar. Wie die persönliche Zukunft des 53-Jährigen. Fix ist: Bei Mercedes wird er nicht landen. "Nein, dafür ist zu viel Porzellan zerschlagen worden", stellt Toto Wolff klar. Mit Hywel Thomas als Leiter der Motorenabteilung ist Mercedes gut aufgestellt. "Aber Mattia kennt die Formel 1 in- und auswendig. Vielleicht findet er eine Rolle bei einem anderen Team." Vielleicht müssen Formel-1-Fans so doch nicht nach fast 30 Jahren ohne Mattia Binotto in der Königsklasse auskommen.