Die Formel-1-Saison 2022 steht kurz vor dem Abschluss, und Ferrari ist einmal mehr nicht im Titelkampf mit dabei. Mit Doppelsieg und großen Hoffnungen war die Mannschaft von Teamchef Mattia Binotto ins Jahr gestartet, doch sie hatte stark nachgelassen und gerät nun sogar in Gefahr, den zweiten Platz in der Konstrukteurs-WM an Mercedes zu verlieren.

Neun Jahre Hybrid-Ära und null Titel - da wächst der Druck im Heimatland der Scuderia. Besonders auf Binotto, der 2019 den Teamchef-Posten übernahm. Am Dienstag vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi berichtet nun mit der 'Gazzetta dello Sport' auch eines der führenden Sportmedien Italiens, dass Ferrari im Januar Binotto offiziell als Teamchef ersetzen will.

Update: Ferrari reagiert am Dienstagnachmittag schließlich offiziell: "Bezüglich der Spekulationen in den Medien bezüglich der Position von Teamchef Mattia Binotto hält Ferrari fest, dass diese Gerüchte keine Basis haben."

Ferrari soll bei Alfa-Sauber neuen Teamchef suchen

Laut den italienischen Berichten habe der Ferrari-Vorsitzende John Elkann die Entscheidung bereits getroffen. Und es soll auch bereits ein Nachfolger anvisiert werden: Frederic Vasseur, momentan Teamchef von Alfa-Sauber, soll ab Januar Binottos Posten übernehmen.

Er wäre seit dem Abgang von Jean Todt, der gemeinsam mit Michael Schumacher fünf Fahrer-Titel in Serie und dann 2007 noch einen mit Kimi Räikkönen holte, der fünfte Teamchef in 14 Jahren, nach Stefano Domenicali, Marco Mattiacci, Maurizio Arrivabene und eben Binotto. Einziger WM-Titel der Scuderia in diesem Zeitfenster war die Konstrukteurs-WM 2008.

Vasseur sei von Elkann intern bereits im letzten Sommer als mögliche Alternative ins Spiel gebracht worden, so die Gazzetta. In einem Interview am Rande des Italien-GPs äußerte Elkann dieses Jahr auch Kritik an Binotto und forderte, dass das ganze Team besser werden müsse: "Einschließlich des Teamchefs. Wir haben gesehen, dass es noch immer zu viele Fehler gibt, was Zuverlässigkeit, Fahrer und Strategie angeht."

Binotto mit Ferraris Vorsitzenden John Elkann, Foto: LAT Images
Binotto mit Ferraris Vorsitzenden John Elkann, Foto: LAT Images

Am Ende sprach Elkann Binotto in Monza zwar sein Vertrauen aus und hielt zumindest fest, dass seine Ernennung 2019 die richtige Entscheidung gewesen sei. Dem ließ er trotzdem eine klare Forderung nach Besserung folgen. Ein WM-Titel sei bis 2026 eigentlich Pflicht.

Binotto musste in seiner Amtszeit als Ferrari-Teamchef schon einiges einstecken. Der seit 1995 durchgehend bei den Italienern beschäftigte Ingenieur stieg intern über zwei Jahrzehnte erst zum Motorenchef, dann zum technischen Direktor auf und setzte sich schließlich 2018 gegen den damaligen Teamchef Maurizio Arrivabene durch. Unter Arrivabene hatte Ferrari davor zwei Jahre in Serie den WM-Titel gegen Mercedes verloren.

Mattia Binotto: Schwierige vier Jahre als Ferrari-Teamchef

Unter Binotto legte Ferrari jedoch erst einmal einen üblen Absturz hin. 2019 machte das Team einen Schritt zurück und fuhr nur mehr drei Siege ein. Obendrauf geriet die Scuderia ins Fadenkreuz der FIA wegen einer angeblich illegalen Power Unit. Ein Verstoß wurde öffentlich nie bestätigt, stattdessen einigten sich FIA und Ferrari hinter verschlossenen Türen.

Dass Ferrari in den zwei darauffolgenden Jahren dann auch noch ins Mittelfeld abrutschte, tat Binottos Image nicht gut, auch wenn er im Hintergrund große Umstrukturierungen in Gang setzte, um das Team nach seinen Vorstellungen neu aufzubauen. Er vertröstete deshalb auch auf das neue Reglement 2022, und schaffte tatsächlich mit seiner neuen Mannschaft die Wende.

Zumindest hatte er Ferrari wieder siegfähig gemacht. Doch nach zwei Siegen in den ersten drei Rennen gewannen Charles Leclerc und Carlos Sainz nur mehr zwei weitere Rennen. Seit der Sommerpause war das Auto in keinem Grand Prix ein ernsthafter Siegkandidat und mehrmals hinter Mercedes nur mehr dritte Kraft.

Vasseur als neuer Ferrari-Teamchef?

Gerüchte über Ferraris Sondieren der anderen Teamchefs im Formel-1-Fahrerlager gab es immer wieder. Alfa-Sauber-CEO Frederic Vasseur wäre ein Mann, der durchaus Verbindungen zur Scuderia hat.

Frederic Vasseur und Mattia Binotto beim Australien-GP im Fahrerlager, Foto: LAT Images
Frederic Vasseur und Mattia Binotto beim Australien-GP im Fahrerlager, Foto: LAT Images

Zum einen ist Vasseurs aktuelles Team Sauber über den Titelsponsor Alfa Romeo mit dem Automobil-Großkonzern Stellantis verbunden. Stellantis und Ferrari sind Schwesterunternehmen. Abgesehen davon ist Charles Leclerc für Vasseur ein alter Bekannter. Die beiden arbeiteten 2018 zusammen, als Leclerc sein Formel-1-Lehrjahr bei Sauber absolvierte.

Vasseur kann eine solide Bilanz beim mit relativ kleinem Budget operierenden Sauber-Team vorweisen. Unter ihm stabilisierte sich das Team nach einer Schwächephase wieder im Mittelfeld. Langfristig wird sich bei der Schweizer Mannschaft aber einiges ändern: 2026 wird man Audi-Werksteam.