Die Formel 1 war in ihrer Geschichte in den letzten Jahrzehnten nicht unbedingt für Fannähe und einen offenen Zugang für Anhänger des Sports bekannt. Doch das hat sich seit der Übernahme des Sports durch Liberty Media dramatisch geändert. Das ansonsten hermetisch abgeriegelte Paddock wurde für Zuschauer geöffnet, sodass die Fans ihren Helden näher sein können.

Beim Großen Preis von Mexiko machte es allerdings den Eindruck, dass die Königsklasse dabei über das Ziel hinausgeschossen ist. Chaotische Zustände im Fahrerlager und ein teils respektloses Verhalten einiger Autogrammjäger treiben viele Formel-1-Fahrer zur Weißglut. Muss der Sport reagieren?

McLaren-Fahrer schimpfen über Fan-Benehmen

Vor allem das McLaren-Duo Daniel Ricciardo und Lando Norris bezog ausführlich zu diesem Thema Stellung. Ricciardo rügte viele Paddock-Besucher für ihr Benehmen. "Dieses Jahr ist es viel hektischer geworden", erkannte der Australier. "Ich mag es, wenn es Atmosphäre im Paddock gibt, aber ich denke es sollte gewisse Grenzen geben", so Ricciardo. Berichte aus Mexiko City sprechen von verfolgungsähnlichen Szenen. Fans sollen Fahrern teils aktiv nachlaufen, nur um irgendwie ein Foto oder ein Autogramm abgreifen zu können.

"Ich denke, mit einem VIP-Pass im Paddock sein zu dürfen, ist ein gewisses Privileg und man sollte sich dann auch mit etwas Reife benehmen und etwas Respekt haben. Das war in diesem Jahr nicht immer der Fall", beklagte sich der achtfache Grand-Prix-Sieger. Viele Menschen würden beim Aufeinandertreffen mit den Formel-1-Stars einfach ihren Verstand verlieren, so Ricciardo.

Lando Norris schlug in dieselbe Kerbe. "Menschen müssen einfach unsere Privatsphäre und Grenzen respektieren", forderte er. Der 22-Jährige störte sich vor allem am Verhalten von erwachsenen Fans. "Kinder sind nunmal Kinder, sie sehen zu uns auf uns träumen eines Tages selbst einmal das zu tun. Das ist in Ordnung und macht Spaß. Aber ältere Menschen geben uns oft nicht ausreichend Respekt", so Norris.

Ricciardo: Weder 'bitte' noch 'danke'…

"Dabei sollten sich glücklich darüber fühlen, dass sei in das Paddock dürfen und so nah an uns herankommen", fügte der Brite hinzu. Ricciardo beklagte sich, dass es häufig schon an Kleinigkeiten des höflichen Umgangs mangle. "Wenn alle 'Bitte' und 'Danke' sagen würden" sobald sie Fotos oder Autogramme haben wollen, sei das schon viel wert.

Als besonders problematisch empfinden die Fahrer ungewollte Fan-Interaktionen aber vor allem direkt vor den Sessions, wenn sie sich lieber mental auf das Fahren mit dem Auto konzentrieren wollen. Charles Leclerc stimmte zu: "Man müsste einen Weg finden, es etwas angenehmer zu gestalten". Beileibe nicht alle Fahrer wollten sich jedoch der Kritik des McLaren-Duos anschließen.

Sergio Perez, der als Lokalmatador auch Fanliebling beim Mexiko-GP ist, stört sich nicht an dem Chaos im Fahrerlager. "Mexikaner sind sehr temperamentvoll aber sie würden natürlich niemandem etwas zu Leide tun", verteidigte er das Fan-Verhalten. Sebastian Vettel schloss sich dieser Einschätzung an: "Die Menschen sind einfach sehr begeistert. Alle denken, sie haben nur diese eine Chance. Aber ich denke es wäre schlimmer, wenn sich niemand für uns interessieren würde."

Für die Atmosphäre: Formel-1-Paddock muss zugänglich bleiben

In einem Punkt sind sich jedoch alle befragten Piloten und Teammitglieder einig: So wie früher, als keine Fans im Paddock zugelassen waren, soll es nicht werden. "Im Paddock hat früher Atmosphäre gefehlt. Vor acht oder zehn Jahren war das Fahrerlager ein sehr glanzloser Ort", so Ricciardo.

McLaren-Teamchef unterstrich diese Behauptung seines Fahrers mit seinen persönlichen Erfahrungen: "Als ich die Formel 1 2010 verlassen habe, konnte ich andere Fahrerlager erleben, wie etwa in der DTM, auf der Nordschleife oder in der WEC. Ich genoss es sehr, vor allem in Le Mans. Denn alles war viel offener für die Fans und sie konnten viel näher an der Action sein", erzählte der ehemalige Chef des LMP1-Programmes von Porsche. Bei seinen Besuchen als Gast in der Formel 1 habe sich die Leere im Fahrerlager komisch angefühlt.

Eine Lösung für das Fan-Chaos soll trotzdem her und das am besten schon bis zum nächsten Grand Prix. Denn in Brasilien erwarten viele ähnliche Szenen. Seidl erklärte diplomatisch: "Es gibt viele vernünftige Leute in der Formel 1 und bei den Teams. Ich bin mir sicher, dass kurz- mittel- und langfristig die richtigen Maßnahmen ergriffen werden". Ricciardo warf den Vorschlag in den Raum, dass die Formel 1 Leitlinien ausschicken solle, wo klargestellt wird, welches Verhalten nicht akzeptabel ist. Das ganze Rennen der Formel 1 heute in den Mexiko gibt es hier im Liveticker.