Er kann einfach nicht normal eine Weltmeisterschaft gewinnen. Alles spricht dafür, dass sich Max Verstappen nach Abu Dhabi 2021 und dem Chaos im letzten Jahr in Suzuka zum ersten Mal in einem Sprintrennen wieder kurios zum Meister krönt. Langeweile bei Red Bull? Vielleicht in der Saison, aber nicht beim Titelgewinn. Nicht die erste schräge WM-Entscheidung der Geschichte. Ein Blick zurück auf die ungewöhnlichsten, verrücktesten und kuriosesten Titelentscheidungen.

Suzuka 2022: Weltmeister oder nicht, das ist die Frage

Mit einer Kombination aus teils wilden Umständen wurde Max Verstappen 2022 in Japan Formel-1-Weltmeister. Kontroversen, Startunfall, eine Unterbrechung von zwei Stunden: Am Ende gewann wie so oft der Niederländer. Auf nasser Strecke fuhr er der Konkurrenz mit über 27 Sekunden Vorsprung davon.

Max Verstappen holte sich WM-Titel Nummer Zwei im Regen-Chaos von Suzuka, Foto: LAT Images
Max Verstappen holte sich WM-Titel Nummer Zwei im Regen-Chaos von Suzuka, Foto: LAT Images

Das reichte jedoch nicht: Erst dank Sergio Perez zweitem Platz, einer Strafe für Charles Leclerc und einer bizarren Formulierung im Sportlichen Reglement, die volle Punkte trotz einer Renndistanz von unter 75 Prozent verlieh, reichte der Punkteabstand aus. Lange blieb (für alle, selbst dem Protagonisten) unklar, ob Max Verstappen Weltmeister ist oder nicht. Am Ende das Happy End: Für Max Verstappen, Red Bull, und Honda.

Abu Dhabi 2021: Das große Chaos der letzten Runde

2021 brodelte es schon die gesamte Saison und ein denkwürdiger Showdown zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton zeichnet sich bereits ab, als beide punktegleich nach Abu Dhabi reisten. Dieses Finale ging als eine der großen Kontroversen in die F1-Geschichte ein.

Zuerst das späte Safety Car, durch welches der im Rennen eigentlich chancenlose Verstappen einen Gratis-Stopp und frische Reifen bekam. Dann die Entscheidung der Rennleitung, nur schnell die zwischen dem Führungsduo gefangenen Überrundeten durchzuwinken und das Rennen im Schnellverfahren eine Runde vor Schluss neu zu starten, wodurch Verstappen Hamilton überholen und den Titel holen konnte.

Das Safety Car, Mittelpunkt der Abu-Dhabi-Kontroverse, Foto: LAT Images
Das Safety Car, Mittelpunkt der Abu-Dhabi-Kontroverse, Foto: LAT Images

Das Warten auf den Weltmeister war das Längste der Seriengeschichte. Mercedes protestierte gegen die Rennleitungs-Entscheidungen, welche zurückgewiesen wurden, was wiederum zu einem Einspruch führte, der erst Tage später zurückgezogen wurde. Darauf folgte eine Untersuchung, in der die FIA zwar eine Fehlinterpretation der vagen Regeln eingestand, aber auch das WM-Ergebnis bestätigte.

Obendrauf gehen die Kontroversen im Oktober 2022 in die nächste Runde: Nach der langen Prüfung der 2021 erstmals geltenden Budget-Obergrenze wurde Red Bull ein Übertreten ebendieser unterstellt. Auf der Liste möglicher Strafen steht auch ein Punkteabzug, was Verstappen den Titel gekostet hätte. Daraus wurde bekanntlich nichts, Verstappen behielt seinen Titel und Red Bull kam mit einer Geldstrafe und weniger Zeit für aerodynamische Tests davon.

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Abu Dhabi 2014: Doppelte Punkte!

Mit elf zu fünf nach Siegen und einem 17-Punkte-Vorsprung vor dem Finale in Abu Dhabi schien eine Entscheidung im Mercedes-internen WM-Duell von Lewis Hamilton und Nico Rosberg eigentlich schon relativ sicher zugunsten von Hamilton zu sein. Doch halt! Doppelte Punkte! Ein Gimmick für die WM-Entscheidung, die die Formel 1 schnell wieder ans hinterste Ende der Schublade verschwinden ließ.

Die Idee war nach Jahren der Red-Bull-Dominanz geboren, um beim letzten Rennen für Spannung zu sorgen, offenbarte aber reihenweise Probleme. Zuerst einmal kämpften vorne trotzdem nur zwei Fahrer, nämlich Hamilton und Rosberg, um die WM, aber Hamilton konnte so auch mit doppelt so vielen Siegen die WM schnell verlieren. Obendrauf fand das Event auf dem überholfeindlichen Abu-Dhabi-Kurs statt.

Es machte letztendlich keinen Unterschied. Die Top-3 der WM blieben unverändert, Rosberg landete defektbedingt nur auf P14 und Hamilton gewann. Großer Profiteur war Williams-Pilot Valtteri Bottas, der dank der doppelten Auszahlung für seinen dritten Platz in der WM von sechs auf vier sprang. Detail am Rande: Mit Felipe Massa auf P2 holte Williams ein Doppelpodium und kassierte spektakuläre 66 Punkte. Das ist bis heute der Höchstwert für ein Wochenende.

Williams stellte in Abu Dhabi dank Doppel-Punkte einen Rekord auf, Foto: Mercedes AMG
Williams stellte in Abu Dhabi dank Doppel-Punkte einen Rekord auf, Foto: Mercedes AMG

Jerez 1997: Alle Kontroversen in einem Rennen

Ein Rennen mit so vielen Kontroversen wie Jerez 1997 muss man erst einmal finden. Michael Schumacher im Ferrari und Jacques Villeneuve im Williams kämpften um die WM, in einem Wochenende, das zu einer absurden Abfolge an Ereignissen wurde. Beginnend mit dem Qualifying, in dem Villeneuve, Schumacher, und der zweite Williams von Heinz-Harald Frentzen die exakt gleiche Zeit fuhren.

Schumacher führten den Großteil des Rennens, doch Villeneuve - nach schlechtem Start zurückgefallen, von Frentzen per Teamorder vorbeigelassen - setzte in der Schlussphase zum Angriff an. Als er sich neben den Ferrari bremste, lenkte Schumacher ein und rammte Villeneuves Seitenkasten. Er rutschte ins Kiesbett, Villeneuve fuhr weiter und war Weltmeister, sofern er das angeschlagene Auto ins Ziel brachte.

Das Finish war ein bizarres Zerrbild. Der angeschlagene Villeneuve ließ in der letzten Runde die McLaren von Mika Häkkinen und David Coulthard vorbei, Häkkinen gewann dank McLaren-Teamorder und Coulthard schien auf der Linie erneut zu verlangsamen, um - scheinbar unsicher über den Stand des Rennens - Villeneuve die WM zu garantieren, obwohl die beiden eigentlich für rivalisierende Teams fuhren.

Das McLaren-Duo Häkkinen und Coulthard feiert den Weltmeister Jacques Villeneuve, Foto: Sutton
Das McLaren-Duo Häkkinen und Coulthard feiert den Weltmeister Jacques Villeneuve, Foto: Sutton

Die danach implizierten Kontroversen können ein Buch füllen. Schumacher wurde erst von den Stewards frei-, dann aber in einem FIA-Disziplinarverfahren für den Crash schuldig gesprochen und ihm WM-P2 aberkannt. Es gab massenhaft Gerüchte über Absprachen. Ferrari habe Motor-Kunde Sauber angewiesen, Villeneuve bei Möglichkeit zu blocken. Williams und McLaren hätten konspiriert, um Villeneuve zum Titel zu verhelfen. Die Beschuldigten wehrten sich stets. Und Jahre später suggerierte Villeneuve, er wäre bei dem quasi fixen Titel auch bereit gewesen, seinen dritten Platz im Rennen aufzugeben. Um den sein letztes Rennen fahrenden Gerhard Berger aufs Podium zu bringen.

Japan 1987: Weltmeister durch K.O.

Japan war 1987 das vorletzte Rennen, und Schauplatz einer unglücklichen WM-Vorentscheidung. Die Williams-Piloten Nelson Piquet und Nigel Mansell hatten sich das ganze Jahr beharkt und Piquet reiste als Tabellenführer, allerdings mit nur drei Siegen zu Mansells fünf an. Mansell, über das Jahr oft schneller, musste dringend den Teamkollegen schlagen. Was am Freitag in einem verheerenden Unfall mündete.

So wurde die WM hier tatsächlich an einem Freitag entschieden. Im ersten Qualifying verlor Mansell den Williams über einen Randstein, drehte sich in den Reifenstapel, stieg auf und landete hart wieder auf der Strecke. Ein brutaler Schlag auf den Rücken, den er sich in der Vergangenheit bereits einmal verletzt hatte, setzte ihn außer Gefecht. Nach einer Nacht im Krankenhaus ging es zurück nach Großbritannien, Japan und das Finale musste er aussitzen. Piquets WM war durch Freitags-K.O. fix.

Williams und WM-Träume von Nigel Mansell - zerstört, Foto: Sutton
Williams und WM-Träume von Nigel Mansell - zerstört, Foto: Sutton

USA 1970: Fittipaldi garantiert Rindts posthumen Titel

Ein tragisches Ende gab es in der Formel-1-Saison 1970. Der in der Gesamtwertung bereits enteilte Lotus-Pilot Jochen Rindt verunglückte beim Italien-GP vor dem Rennen tödlich, mit 20 Punkten Vorsprung. Doch in den verbleibenden vier Grands Prix nahmen sich seine Verfolger gegenseitig Punkte weg oder fielen aus. Clay Regazzoni gewann in Italien und kostete dem dort zweitplatzierten Jackie Stewart Punkte, während Jacky Ickx in Italien ausfiel, dafür aber in Kanada gewann, wo wiederum Stewart ausfiel.

Damit betrug Rindts Polster beim US-GP in Watkins Glen noch immer zwölf Punkte auf Ickx, der nun einen Sieg brauchte, um die WM offen zu halten. Doch er erlitt auf Platz zwei liegend einen Defekt. Der junge Emerson Fittipaldi, der Rindts Cockpit jetzt als Vollzeit-Pilot übernommen hatte, feierte seinen ersten Sieg, damit war Rindts Titel garantiert. Er wurde zum bisher einzigen posthum gekrönten Weltmeister der Formel 1.

Mexiko 1964: Wildes Finish für John Surtees

Eine knappe WM-Entscheidung mit Teamorder, chaotischem Ausgang, Unfall, und Drama auf den letzten Runden? Gab es auch schon 1964! In Mexiko nämlich. Auch hier begann das Wochenende bizarr. Ferrari, in einem Disput mit dem italienischen Automobilverband, startete nicht im Rot der Scuderia, sondern blauweiß unter dem Banner des North American Racing Teams. Das letzte Rennen nicht in Rot. Sie hatten mit John Surtees einen Fahrer im WM-Rennen, der bereits einen Motorrad-WM-Titel hatte.

John Surtees im blau-weißen Ferrari, Foto: Ferrari
John Surtees im blau-weißen Ferrari, Foto: Ferrari

Doch die Konkurrenz begann das Wochenende besser. Während Surtees am hinteren Ende der Punkteränge fuhr, ging es davor mit den anderen WM-Anwärtern zur Sache. Jim Clark im Lotus setzte sich in Führung und lag damit auf Titelkurs, den er mit einem Sieg sicherhatte. Der Dritte im WM-Bunde, BRM-Fahrer und WM-Leader Graham Hill, war nämlich im Laufe des Rennens vom zweiten Ferrari von Lorenzo Bandini gerammt und zum Reparaturstopp gezwungen worden.

Nun also war Clark auf Kurs zum Titel, doch zwei Runden vor Schluss ging eine Ölleitung kaputt. In der letzten Runde stellte er ab. Plötzlich führte Dan Gurney vor Bandini, und Surtees fand sich auf dem dritten Platz wieder. Rechtzeitig realisierte Ferrari nun die Lage: Der zweite Platz würde Surtees die nötigen Punkte sichern, um Hill abzufangen. Auf der letzten Runde ließ Bandini Surtees auf Teamanweisung wieder vorbei. Surtees wurde der einzige Weltmeister auf zwei und vier Rädern, und feierte einen Titel in einem blauweißen Ferrari.