Die Ausbildung von Nachwuchsfahrern ist in der Formel 1 schon länger ein schwieriges Thema. Insbesondere die zunehmende Limitierung von Testfahrten machte es den Young Drivern in den letzten Jahren alles andere als leicht, Erfahrung in einem Cockpit der Königsklasse zu sammeln. Daher haben sich die Verantwortlichen der FIA für die aktuelle Saison etwas überlegt: Jedes Team muss Young Drivern zwei verpflichtende Einsätze in den Freitagstrainings einräumen.

Formel 1 2022: Sonderfall Guanyu Zhou - Junior oder nicht?

Trotz der eingeführten Verpflichtung zeigt sich nach 16 von 22 absolvierten Rennwochenenden, dass erst ein Viertel aller Einsätze stattgefunden hat. Denn lediglich Red Bull, Mercedes, Aston Martin, AlphaTauri und Williams haben bislang ein Freies Training an einen Nachwuchsfahrer abgegeben. Bei allen anderen Teams schlägt in diesem Punkt also weiterhin eine Null zu Buche. Wobei an dieser Stelle doch eine kleine Einschränkung gemacht werden muss. Ob Guanyu Zhous 1. Freies Training der Saison in Bahrain als Young-Driver-Einsatz zählt oder nicht, ist noch nicht final geklärt.

Im September 2021 hieß es vom Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn zu diesem Thema noch: "Wir werden sehr vorsichtig sein, wie wir einen Young Driver definieren." Regulär fällt unter diese Bezeichnung einzig und allein, wer in seiner Karriere maximal bei zwei Formel-1-Rennen gestartet ist. Eine Altersbegrenzung besteht hingegen nicht. Nach dieser Definition hätte der Chinese also alle Voraussetzungen erfüllt.

Für alle, die sich jetzt fragen, ob dann vielleicht auch Zhous 1. Freies Training am zweiten Rennwochenende in Saudi-Arabien als Young-Driver-Einsatz zählen könnte, sei angemerkt: In Artikel 32.4 (c) des sportlichen Reglements ist festgelegt, dass beide Stammfahrer eines Teams jeweils einmal für einen Young-Driver pausieren müssen. Der zweite Young Driver, der aller Voraussicht nach Theo Pourchaire sein wird, muss also in Valtteri Bottas' Auto Platz nehmen, damit es auch entsprechend angerechnet wird.

F1-Young-Driver-Einsätze 2022: Diese Fahrer sind eine Option

Red Bull und AlphaTauri werden aller Wahrscheinlichkeit nach dem Formel-2-Piloten Liam Lawson eine Gelegenheit für eine weitere Trainingssession einräumen. Der Neuseeländer, der in der aktuellen F2-Saison auf Rang 7 der Gesamtwertung liegt, durfte bereits in Spa am Lenkrad von AlphaTauri drehen. Aber für den Rennstall mit Sitz in Faenza wäre Nyck de Vries ebenfalls eine Option. Der Mercedes-Ersatzfahrer wurde in dieser Saison schon an Aston Martin und Williams verliehen.

TeamJunior 1OrtJunior 2OrtKandidaten
Red BullJuri VipsSpanienxxxxxxLiam Lawson
MercedesNyck De VriesFrankreichxxxxxxNyck De Vries
Aston MartinNyck De VriesMonzaxxxxxxFelipe Drugovich
AlphaTauriLiam LawsonBelgienxxxxxxLiam Lawson, Nyck De Vries
WilliamsNyck De VriesSpanienxxxxxxLogan Sargeant
Alfa Romeo SauberGuanyu Zhou?Bahrain?xxxxxxTheo Pourchaire
FerrarixxxxxxxxxxxxRobert Shwartzman
AlpinexxxxxxxxxxxxJack Doohan, Nyck De Vries
McLarenxxxxxxxxxxxxOscar Piastri, Colton Herta, Pato O'Ward
HaasxxxxxxxxxxxxPietro Fittipaldi

In Monza saß de Vries am Freitag noch im Aston Martin, weil das Team aus Silverstone schlicht und einfach kein eigenes Nachwuchsprogramm besitzt. Inzwischen konnte die Mannschaft in British Racing Green aber den Formel-2-Gesamtführenden Felipe Drugovich unter Vertrag nehmen, der voraussichtlich in Abu Dhabi sein 1. Freies Training in der Königsklasse absolvieren wird.

Auch Williams hat sich für seinen ersten Young-Driver-Einsatz in Spanien Nyck de Vries von Mercedes ausgeliehen. Den zweiten Einsatz für den Traditionsrennstall soll aber der Formel-2-Pilot Logan Sargeant, der seit Oktober 2021 Teil der Williams Driver Academy ist, in seiner amerikanischen Heimat bestreiten. Der in Florida geborene Rennfahrer darf aller Voraussicht nach im 1. Freien Training in Austin an den Start gehen.

Formel 1 2022: Vier Teams definitiv ohne Young-Driver-Einsatz

Vom "Sonderfall" Alfa Sauber abgesehen, haben Ferrari, Alpine, McLaren und Haas in dieser Saison definitiv noch keinen der beiden verpflichtenden Young-Driver-Einsätze absolviert. Den vier Teams bleiben also nur noch sechs Gelegenheiten, um ihre Pflichten zu erfüllen. Bei Ferrari ist schon länger klar, dass der amtierende Formel-2-Vizemeister, Robert Shwartzman, diese Aufgabe übernehmen wird. In Austin und in Abu Dhabi soll der israelisch-russischer Rennfahrer im F1-Cockpit Erfahrung sammeln.

Bei Alpine stand bis vor Kurzem der Australier Oscar Piastri als Kandidat für die Freitagstrainings auf dem Zettel. Nach dessen Wechsel zu McLaren dürfte sich dieser Plan jedoch zerschlagen haben. Aktuell steht daher der Formel-2-Pilot Jack Doohan ganz oben auf der Liste. Da das zweite Alpine-Cockpit aber nach wie vor noch nicht final vergeben ist, könnte auch hier Nyck de Vries noch dazwischen grätschen. Denn der Niederländer ist spätestens seit seinem starken Auftritt beim Rennen in Monza in aller Munde. Obwohl er erst wenige Stunden zuvor von seinem Einsatz erfahren hatte, pilotierte er seinen Williams-Boliden direkt auf P9.

Die zweite am "Piastri-Gate" beteiligte Partei, McLaren, hat hingegen eine Vielzahl an Kandidaten zur Auswahl. So könnten Colton Herta, Pato O'Ward oder Alex Palou im Papaya-Mobil ein paar Trainingsrunden drehen. Und falls sich McLaren mit Alpine diesbezüglich einig würde, könnte auch Oscar Piastri noch eine Chance bekommen, sich entsprechend auf das nächste Jahr vorzubereiten. Der Australier hat nämlich nach wie vor einen Vertrag mit dem ehemaligen Renault-Team.

Bleibt noch der amerikanische Rennstall Haas F1. Dort hat man bislang keine konkreten Pläne verkündet, wer die Young-Driver-Einsätze wo ableisten wird. Sollte sich kein anderer Pilot aufdrängen, dürfte aber wohl Pietro Fittipaldi zum Einsatz kommen. Der Haas-Ersatzfahrer und Enkel des zweifachen Formel-1-Weltmeisters erfüllt alle Bedingungen - gerade so. 2020 ersetzte der amerikanisch-brasilianische Pilot in Sakhir und Abu Dhabi den verletzten Romain Grosjean. Womit er sich genau an der Grenze zum Nicht-Young-Driver befindet.