Die letzten fünf Formel-1-Rennen sprechen eine deutliche Sprache im teaminternen 'Duell' bei Red Bull: Während Max Verstappen die fünf Grand Prix allesamt gewann, konnte Sergio Perez nur in Spa als Zweiter auf das Podest steigen. Auch Pech hält nicht als Erklärung her, denn Verstappen musste ebenso wie Perez aufgrund von Strafversetzungen mehrfach von schlechten Startplätzen losfahren.

Nun könnte mit dem Blick auf die Vorsaison eingeworfen werden: Ist doch alles normal? 2021 holte der Weltmeister schließlich mehr als doppelt so viele Punkte wie der Mexikaner. Auch in den letzten fünf Rennen steht dieses Verhältnis: 127 Zähler für Verstappen, 59 für Perez. Dagegen spricht jedoch der Beginn der diesjährigen Saison, denn da wusste 'Checo' zu überzeugen. Neben seiner ersten Pole-Position in Saudi-Arabien gelang ihm auch der Sieg beim prestigeträchtigen Rennen in Monaco.

Nach seinem Triumph im Fürstentum sah die Punktetabelle wesentlich freundlicher für den Mexikaner aus, denn er hielt bei nur 15 Punkten Rückstand auf Teamkollege Verstappen. In den neun Rennen seit dem Monaco Grand Prix ist dieser Abstand auf satte 125 Zähler angewachsen. Verstappen holte in diesem Zeitraum sieben Siege und einen zweiten Platz. Bei Perez stehen dagegen gerade einmal drei Podestplätze zu buche. Ist Verstappen also deutlich schneller geworden oder Perez so viel langsamer?

Wache: Balanceverschiebung Richtung Verstappen

Red Bulls technischer Direktor, Pierre Wache, sieht ein Problem für den Mexikaner und versucht eine Erklärung: "Es sind mehrere Faktoren, aber der Hauptfaktor ist eindeutig die Balance des Autos und das Vertrauen in das Auto, im Vergleich zum Jahresbeginn, als das Auto für ihn [Perez, Anm. d. Red.] etwas ausgeglichener war und für Max etwas weniger." Verstappen wollte damals eine griffigere Vorderachse, während Perez mit dem untersteuernden RB18 offensichtlich gut zurechtkam.

Pierre Wache durfte in Frankreich mit Max Verstappen auf dem Podest feiern, Foto: LAT Images
Pierre Wache durfte in Frankreich mit Max Verstappen auf dem Podest feiern, Foto: LAT Images

Wache gibt zu, dass das Team das Auto in Richtung einer anderen Balance entwickelte: "In dem Entwicklungsprogramm, das wir während der Saison in das Auto gesteckt haben, war es vielleicht ein Teil etwas davon wegzukommen. Danach war es ziemlich schwierig, die richtige Abstimmung für ihn zu finden, damit er so souverän ist, um Max zu schlagen oder mit ihm zu kämpfen."

In Saudi Arabien feierte Sergio Perez seine erste Pole-Position, Foto: LAT Images
In Saudi Arabien feierte Sergio Perez seine erste Pole-Position, Foto: LAT Images

Übergewichtiger RB18 kam Perez entgegen

Der Red Bull litt zu Saisonbeginn, ähnlich wie zahlreiche andere Autos der Generation 2022, an deutlichem Übergewicht. Dies verhinderte laut dem französischen Ingenieur zunächst eine Anpassung der Balance: "Das Gewicht ist sicherlich ein Aspekt, es ist ein Teil der Abstimmung des Autos. Zu Beginn der Saison hatten wir nicht die Möglichkeit, das Gewicht zu verlagern und dann ist es eine Frage des Setups." Dieses Setup lag Perez besser als Verstappen.

Mit dem mittlerweile abgespeckten RB18 hat sich dieser Prozess jedoch umgekehrt. Wache sieht das Team daher in der Pflicht, Perez zu helfen: "Es lief zu Gunsten von Max. Ich denke, er kann jedes Auto fahren. Jetzt müssen wir einen Weg finden, Sergio ein Auto zu geben, mit dem er Leistung bringen und konkurrenzfähig sein kann."

Lösung für Perez? Red Bull im Balance-Dilemma

Eine Lösung für Red Bulls Nummer 2 hatte der technische Direktor noch nicht parat. Er erklärte das Setup-Dilemma auf Perez' Garagenseite: "Es ist jedes Mal schwierig, wenn man versucht, das Auto theoretisch für die Leistung zu entwickeln, und man dann mit den Abstimmungswerkzeugen nicht weiterkommt, um das Auto wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das bedeutet, dass man etwas an Leistung einbüßen muss, um die richtige Balance zu erreichen." Wird das Auto besser an Perez Balance-Bedürfnisse angepasst, so verliert es also anderweitig an Leistungsfähigkeit. Wache will diesen Effekt jedoch nicht überbewerten: "Das heißt nicht, dass es viel ist. Aber es geht in diese Richtung."

In solchen Situationen machen sich unter den Fans gerne Verschwörungstheorien breit, dass Red Bull das Auto absichtlich schlechter für Perez gemacht hätte, damit Nummer-1-Pilot Verstappen besser aussieht. Diesen Vermutungen schiebt Wache einen klaren Riegel vor: "Wenn wir das Auto entwickeln, dann streben wir nach der besten Leistungsentwicklung. Es passt jetzt mehr zu Max, aber das war nicht der Zweck der Entwicklung. Es ging um die Weiterentwicklung des Autos." Und diese ist offensichtlich gelungen. War Ferrari im ersten Saisondrittel noch auf Augenhöhe und im Qualifying sogar meist schneller als Red Bull, so dominieren die Bullen seit einigen Rennen das Geschehen, allerdings zumeist nur mit Verstappen am Steuer.