Seit dem Grand Prix von Kanada hat sich für Alfa Romeo in der Formel-1-Weltmeisterschaft eigentlich nichts verändert: Die Truppe von Frederic Vasseur hat 51 Punkte und liegt auf Platz 6 der Konstrukteurswertung. Von der mittlerweile vier Rennen andauernden Punkteflaute beim Schweizer Rennstall konnte bisher keiner der Verfolger so richtig profitieren, obwohl Haas beim Österreich Grand Prix gut gepunktet hat.

Für Chefingenieur Xevi Pujolar liegt auf der Hand, warum die Konkurrenz kaum näherkommt und die zu Saisonbeginn eingefahrenen Punkte so bedeutend sind: "Es war sehr wichtig [viele Punkte zu Saisonbeginn einzufahren, Anm. d. Red.]. Gleichzeitig ist es auch schade, dass wir nicht noch mehr punkten konnten, weil wir einige Ausfälle hatten. Mittlerweile wird mehr oder weniger die gesamte Top-10 von den Top-Teams geblockt. Wenn sie nicht ausfallen, wird es ziemlich schwer für uns."

Im ersten Saisondrittel legte vor allem Valtteri Bottas einen Lauf hin. Der Finne fuhr in den ersten fünf Rennen fünfmal unter die ersten Acht. Auch in Saudi-Arabien wäre er wohl zu einem starken Punkteresultat gekommen, wenn nicht das Kühlsystem seines C42 den Geist aufgeben hätte. Ab dem siebten Rennen konnte Alfa Romeo nur noch einmal groß punkten: Beim Kanada Grand Prix belegten Bottas und Guanyu Zhou die Plätze 7 und 8.

Gewichtsvorteil weg: Alfa Romeo will trotzdem an Mittelfeld-Spitze

Der Grund für Alfa Romeos Rückfall in Sachen Pace hat auch mit dem Wegfallen einer großen Stärke des Saisonstarts zu tun: "Manche Teams haben Aerodynamik-Updates gebracht und auch das Gewicht reduziert. Da hatten wir zu Beginn der Saison noch einen Vorteil. Sie hatten also zwei Wege, ihr Auto schneller zu machen." Der Alfa Romeo galt in den ersten Rennen als der einzige Bolide im Feld, der kein Übergewicht mit sich trug. Mittlerweile haben jedoch auch die Autos der anderen Teams einen Prozess zur Gewichtsreduzierung durchlaufen.

Zahlreiche technische Defekte verhinderten noch mehr Punkte bei Alfa Romeo, Foto: LAT Images
Zahlreiche technische Defekte verhinderten noch mehr Punkte bei Alfa Romeo, Foto: LAT Images

Pujolar bleibt trotzdem ambitioniert: "Wir können immer noch nahe an Alpine herankommen. McLaren war am letzten Wochenende zu stark, zumindest einer von ihnen. Wir können dennoch an der Spitze des Mittelfeldes mitfahren." Dies gilt jedoch nur für die Pace an einem Rennwochenende und nicht für die Punktetabelle: "Was die WM angeht sind Alpine und McLaren so ziemlich weg, aber für Platz 6 sieht es gut aus." Die beiden Kontrahenten um WM-Platz 4 sind um mehr als 40 Punkte enteilt, der Vorsprung auf das siebtplatzierte Haas-Team beträgt 15 Punkte.

Obwohl sich die Hackordnung der Formel-1-Saison 2022 mittlerweile klarer zeigt und große Chancen für Mittelfeldteams weniger werden, schließt der Alfa-Chefingenieur die Möglichkeit auf Big Points in den restlichen Rennen nicht aus: "Unser Plan ist weiter zu entwickeln und Gas zu geben. Wir müssen sicherstellen, dass wir an Alpine und McLaren dran sind. Und wenn vorne etwas passiert, dann müssen wir bereit sein, die Gelegenheit zu nutzen. Es wird auch in der zweiten Saisonhälfte solche Möglichkeiten geben. Ich bin mir sicher den Jungs an der Spitze wird etwas passieren, denn sie führen enge Zweikämpfe. Dann müssen wir bereit sein."

Pujolar: Q3 als Grundlage für Alfa-Romeo-Erfolge

Um diese Chancen ergreifen zu können, müssen in Hinwill erst einige Baustellen geschlossen werden: "Zuerst müssen wir uns in den Top-10 qualifizieren. Wenn wir von dort losfahren, dann müssen wir unsere Probleme am Start und in der ersten Runde lösen. Im Mittelfeld ist das Rennen immer etwas komplizierter, wegen dem Verkehr und der Zweikämpfe." Die Pace auf eine Runde ist dem Spanier jedoch am wichtigsten: "Die Priorität liegt auf dem Qualifying. Wenn du auf Platz 13 oder 14 bist, dann ist es viel schwerer noch nach vorne zu kommen."

Guanyu Zhou konnte die Alfa-Stärke am Sasionbeginn kaum ausnutzen und wurde häufig von der Technik gestoppt, Foto: LAT Images
Guanyu Zhou konnte die Alfa-Stärke am Sasionbeginn kaum ausnutzen und wurde häufig von der Technik gestoppt, Foto: LAT Images

Im eng umkämpften Mittelfeld ist es jedoch alles andere als einfach, regelmäßig ins Q3 einzuziehen. Das schwarze Gold von Pirelli ist für Pujolar einer der Hauptgründe: "Um Probleme zu vermeiden, musst du unter den ersten Zehn starten. Das macht einem das Leben viel einfacher. Mit diesen Reifen ist es extrem eng. Wenn du es auf eine Runde nicht zusammenbekommst, dann wird es sehr sensibel. Wir sehen wie einige Teams Aufs und Abs haben und das ist der Grund dafür. Bei unterschiedlichen Streckenbedingungen und verschiedenen Reifenmischungen ist es nicht einfach, alles zusammenzubekommen. Das macht die Unterschiede im Mittelfeld aus."

Dass die Teams im Mittelfeld unberechenbar sind und die ersten Sechs durch Red Bull, Ferrari und Mercedes besetzt sind, ist für Alfa Romeo das Glück in der bisher schwächsten Phase der Saison, zumal auch Alpine und (zumindest ein) McLaren der direkten Konkurrenz häufig die Punkte wegschnappen. So wird es Haas, AlphaTauri oder Aston Martin vermutlich kaum gelingen können, eine ähnliche Punkteserie hinzulegen, wie dies Bottas in den ersten sechs Rennen gelang. Die 51 eingefahrenen Punkte der Schweizer könnten daher bereits eine kleine Vorentscheidung auf dem Weg zu Platz 6 in Konstrukteurs-WM bedeuten.