"Der Halo hat mein Leben gerettet", vermeldete Guanyu Zhou nach seinem Horror-Crash in Silverstone am 3. Juli 2022 auf Twitter. In der Startphase kollidierte der Alfa-Romeo-Pilot mit George Russells Mercedes, was den Chinesen auf den Kopf drehte. Fast ungebremst schlitterte Zhous Bolide kopfüber auf dem Asphalt, bis er im Kiesbett abhob und in den Fangzaun einschlug. Wie durch ein Wunder wurden weder Fahrer, Zuschauer noch Streckenposten verletzt.
Doch die wahre Ernsthaftigkeit der Lage wurde der Formel-1-Welt erst nach dem Unfall bewusst. Während die sekundäre Crash-Struktur, besser bekannt als Halo den Belastungen trotzte, löste sich die primäre Crash-Struktur (Überrollbügel) in Staub auf. Bilder des Autos zeigten später: Zwischen Zhous Kopf und dem Asphalt lagen nur wenige Zentimeter.
Alfa Romeo: Technischer Direktor fordert Regeländerung
"Wir arbeiten seit dem Tag des Unfalls mit der FIA daran, den Unfall zu rekonstruieren und so gut es geht zu bewerten", verrät Jan Monchaux, Technischer Direktor bei Alfa-Sauber. "Das ist keine leichte Aufgabe bei den Kräften, die involviert waren."
Anders als bei einigen anderen Teams üblich, teilte Alfa Romeo bis dato nicht einmal die G-Kräfte, welche während des Einschlags auf ihren Rookie-Piloten wirkten. "In der Zwischenzeit hat die FIA alle anderen Teams um Feedback zu verschiedensten ähnlichen Fällen, bei denen Kräfte auf den Überrollbügel herrschten, gebeten, um Raum zur Verbesserung zu finden", so der Deutsch-Franzose.
Schon vor Abschluss der Analysen der FIA stand für Monchaux eines fest: Es müssen neue Sicherheitsstandards in der Königsklasse her. "Ohne zu tief ins Detail zu gehen, sind die Kräfte, welche vom Reglement eingehalten werden müssen - du hast einige Vektoren, du musst Kraft auf die Vorder- und Rückseite des Überrollbügels ausüben - nicht unbedingt adäquat für Unfälle wie diesen, bei denen das Auto rutscht. Da sind die Kräfte eher flach, das ist nicht wirklich ein vertikaler Einschlag. Da müsste es in Zukunft vielleicht Änderungen geben", erklärte der Alfa-Romeo-Mann.
FIA: Diesen Test muss der Überrollbügel bestehen
Die FIA hat bereits angekündigt, am Überrollbügel schon 2023 nachschärfen zu wollen. Doch welchen Belastungen muss die aktuelle Generation an Überrollbügeln trotzen, um den Segen der FIA zu bekommen? Die Antwort auf diese Frage findet sich in Artikel 13.3 des technischen Reglements der Formel 1. Der Überrollbügel im Reglement als 'Principal Roll Structure' bezeichnet, muss eine Reihe an statischen Härtetests bestehen.
Während der Überrollbügel mit der Überlebens-Zelle verschraubt ist, muss die Struktur für zehn Sekunden eine Kraft von 60 Kilonewton in seitliche Richtung, 70 Kilonewton in Längsrichtung und 105 Kilonewton in vertikaler Richtung aushalten. 105 Kilonewton entsprechen etwa 10,7 Tonnen! Dabei darf sich die Struktur nicht mehr als 25 Millimeter deformieren. Außerdem dürfen keine strukturellen Schäden, weiter als 100 Millimeter unterhalb der Oberseite entstehen.
Zusätzlich müssen die Teams detaillierte Berechnungen einreichen, die beweisen, dass der Überrollbügel den gleichen Belastungen in Längsrichtung auch während einer Vorwärtsbewegung standhalten kann.
Doch wie Zhous Unfall demonstrierte, sind selbst diese extremen Belastungstests nicht ausreichend. "Wir werden einen neuen, zusätzlichen lateralen Belastungstest oder etwas in der Art bekommen, welchen wir 2023 bestehen müssen", vermutet McLaren-Mann James Key. Die Zeit drängt, die Teams wollen noch in dieser Woche vor dem Sommer-Shutdown Klarheit.
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