Mercedes liegt in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft 'nur' auf dem dritten Rang, doch in einer Disziplin sind die Silberpfeile Klassenprimus: Zuverlässigkeit. Bei den Autos von Lewis Hamilton und George Russell traten bisher weder Defekte im Rennen auf, noch mussten sie aufgrund von Wechseln bei den Motorenteilen eine Rückversetzung in der Startaufstellung hinnehmen. Den einzigen Ausfall bei Mercedes erlitt George Russell beim Heimrennen in Silverstone aufgrund der Startkollision rund um Guanyu Zhous heftigen Abflug.

Mercedes-Boss Toto Wolff zeigt sich angesichts der Standfestigkeit seiner Boliden zufrieden: "Die Zuverlässigkeit war bisher eines der Highlights unseres Teams. Da haben wir gute Arbeit geleistet." Auf diesen Aspekt legte das Team in der Fabrik in Brackley und bei der Motorenabteilung in Brixworth besonderen Wert, da man nach der Saison 2021 einen Schwachpunkt erkannte. "Wir haben letztes Jahr eine Lektion gelernt. Man darf in Sachen Zuverlässigkeit keine Kompromisse eingehen, denn dann kommst du nicht ins Ziel", erklärte Wolff.

Bilder wie hier bei Ferrari sucht man bei Mercedes 2022 vergeblich, Foto: LAT Images
Bilder wie hier bei Ferrari sucht man bei Mercedes 2022 vergeblich, Foto: LAT Images

Im Vorjahr hagelte es bei Mercedes vor allem Gridstrafen aufgrund von Motorwechseln. Doch auch andere Unzulänglichkeiten gab es zu bemängeln. Valtteri Bottas musste in Monaco aufgeben, weil sich eine Radmutter beim Boxenstopp nicht entfernen ließ. Lewis Hamilton wurde im Qualifying in Brasilien disqualifiziert, da sein Heckflügel nicht den Toleranzwerten entsprach.

Wolff: Zuverlässigkeit garantiert Punkte

In der Saison 2022 sieht Toto Wolff solche Vorkommnisse nur noch bei der Konkurrenz. "Das kann man bei einigen unserer Mitstreiter sehen. Du kannst der schnellste auf der Strecke sein, aber wenn dir das Auto um die Ohren fliegt, dann holst du keine Punkte", meinte der Österreicher mit Blick auf Ferrari und Red Bull. Während Red Bull vor allem zu Saisonbeginn technische Defekte aufwies, kam es bei Ferrari ab Saisonmitte zu zahlreichen Problemen im Motorenbereich, inklusive Motorschäden und daraus resultierenden Rückversetzungen.

Blickt man auf die Statistik, dann ist die Standfestigkeit der Silberpfeile ersichtlich: Trotz eines weniger konkurrenzfähigen Autos stehen 24 Punktankünfte zu Buche. Red Bull kommt auf 22 Punkteresultate und Ferrari auf 21. Außerdem haben die Mercedes in dieser Saison 300 Rennkilometer mehr als Red Bull zurückgelegt. Im Vergleich zu Ferrari sind es sogar satte 1.200 Kilometer mehr, was vier Renndistanzen entspricht.

In Brasilien im Vorjahr konnte Lewis Hamilton trotz einer Motorenstrafe gewinnen, Foto: LAT Images
In Brasilien im Vorjahr konnte Lewis Hamilton trotz einer Motorenstrafe gewinnen, Foto: LAT Images

Mercedes zu konservativ? Wolff: Müssen mehr Performance finden

Das Manko an Pace des W13 lässt jedoch auch die Frage stellen: Ist Mercedes im Sinne der Standfestigkeit technisch weniger ans Limit gegangen als die Konkurrenz aus Milton Keynes und Maranello? Toto Wolff schließt diese Möglichkeit nicht aus: "Vielleicht fahren wir jetzt zu konservativ. Eine Mischung aus diesem und dem letzten Jahr wäre wohl gut." Im Vorjahr hatte Mercedes noch phasenweise das schnellste Auto im Feld. Trotz seiner Strafversetzung in Brasilien konnte Lewis Hamilton das Rennen in Interlagos 2021 gewinnen. Auf den Geraden profitierte er dabei von der Leistung eines frischen und voll aufgedrehten Motors.

In der Formel 1 gibt es eine alte Weisheit: Es ist leichter ein schnelles Auto zuverlässig zu machen als ein zuverlässiges Auto schnell. Bei Mercedes ist allerdings letzteres die Aufgabe. Toto Wolff ist sich dessen bewusst. "Wir müssen jetzt einfach mehr Performance finden", so lautet der Marschplan für die Silberpfeile. Von seinen Piloten kann er diese Leistungssteigerung jedoch nicht verlangen: "Beide holen momentan mehr raus, als eigentlich im Auto drinsteckt."