Beim Thema Sicherheit kennt die FIA keine Kompromisse. Das verleitete den Automobilweltverband auch zum Schnellschuss beim Kanada GP mit einer Technischen Direktive, um den Formel-1-Autos das Springen abzugewöhnen. Die erste Version von TD039 beinhaltete jedoch nicht nur Formfehler, sondern war auch noch wenig durchdacht. Die Direktive musste komplett neu verfasst werden und gilt nun erst nach der Sommerpause ab Belgien.

Während TD039 nur eine kurzfristige Lösung für das Problem ist, hat die FIA in der Zwischenzeit auch langfristige Änderungen genauer untersucht. Die Technische Direktive löst das Problem nicht am Ursprung, sondern mildert nur die Auswirkungen. In Zukunft sollen die Autos aber so designt werden, dass das Phänomen gar nicht mehr auftritt.

In einer Sitzung der Technischen Beratungsgruppe (Technical Advisory Committee) hat die FIA nun ihre Pläne für 2023 vorgestellt und Feedback eingeholt. Allerdings hat die Sporthoheit klargestellt, dass 'Porpoising' als 'signifikant sicherheitsrelevant' einstuft wird. Deshalb will sich die FIA bei den Anpassungen am Reglement nicht ins Handwerk pfuschen lassen.

Man befürchtet, die Teams würden in ihrem üblichen Egoismus die Änderungen für einen Wettbewerbsvorteil nutzen wollen. Der neue FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem regiert mit harter Hand: Die Vorschläge seines Technik-Teams dürfen in der TAC von allen Teams diskutiert werde, am Ende entscheidet aber die FIA. Bei Sicherheitsthemen erlaubt das Reglement der FIA diesen Alleingang.

FIA kastriert Formel-1-Unterböden

Das Maßnahmenpaket, welches die FIA-Ingenieure ausgearbeitet haben, umfasst vier Punkte. Zwei davon haben einen direkten Einfluss auf das Design und die Performance der Autos. Die erste Maßnahme ist, den Rand des Unterbodens um 25 Millimeter anzuheben. Dadurch kann können die Venturi-Kanäle nicht mehr so gut versiegelt werden, Abtrieb geht verloren.

In Österreich war Porpoising für die Formel 1 wieder kein Problem, Foto: LAT Images
In Österreich war Porpoising für die Formel 1 wieder kein Problem, Foto: LAT Images

Gleichzeitig soll es auch Änderungen am Kanal selbst geben. Der niedrigste Punkt wird 2023 angehoben. Die Luft im Kanal kann dadurch aus zwei Gründen nicht mehr so stark beschleunigt werden. Einerseits verkleinert sich die Volumenänderung im Kanal, andererseits vergrößert sich der Abstand zum Asphalt, der Ground-Effect wird schwächer.

Zusätzlich werden die lateralen Biegetests am Unterboden verschärft und neue Sensoren eingeführt. Bei TD039 greift die FIA ab Spa auf den bestehenden Sensor zurück, der eigentlich für Unfälle vorgesehen ist. Optimal ist der für die Porpoising-Messungen nicht, kurzfristig gibt es aber keine Alternative.

Mehr Abtrieb, mehr Porpoising-Probleme

Die zuletzt von Red Bull und auch Ferrari vorgebrachten Argumente, dass Porpoising 2023 kein Thema mehr sein würde, lässt die FIA nicht gelten. Durch die Entwicklung der Autos wird mehr Abtrieb generiert und dadurch das Porpoising-Problem wieder verstärkt, ist man sich sicher. Dass Schläge in Z-Richtung in Österreich und Silverstone kein Thema waren, führt die FIA auf die Streckencharakteristik zurück.

Die Maßnahmen für 2023 zielen allerdings alle auf das aerodynamische Phänomen des Porpoising ab. Das Problem, dass die Autos für die bestmögliche Aero-Performance weiterhin extrem hart abgestimmt werden und gleichzeitig so wenig Bodenfreiheit wie möglich haben müssen, bleibt bestehen.

Überrollbügel nach Zhou-Crash im Fokus

Im gleichen Meeting der TAC wurde weiters der Silverstone-Unfall von Guanyu Zhou und das Kollabieren des Überrollbügels diskutiert. Die Teams müssen sich für 2023 darauf einstellen, dass die Anforderungen an den Überrollbügel noch verschärft werden, nachdem Alfa zuletzt verlautbaren ließ, dass die beim Zhou-Unfall einwirkende Kraft doppelt so stark war wie jene, die beim Crashtest einwirken.

Der Motorsportweltrat soll nach genauerer Analyse die exakten Werte für den Überrollbügel ebenso wie die Aero-Änderungen final beschließen.