Als die Formel 1 in Kanada eine neue technische Direktive ankündigte, um auf die Porposing-Beschwerden aus Baku zu reagieren, wurde diese von den Teams in der Luft zerrissen. Die FIA wollte offensichtlich ein Zeichen setzen, nachdem Lewis Hamilton nach dem Rennen in Baku vor lauter Rückenschmerzen kaum aus seinem Mercedes steigen konnte. Die erste Version von TD039 wurde jedoch viel zu überhastet durchgedrückt und aufgrund der Kritik von allen Seiten ruderte die Formel 1 nach nur einem Tag zurück. Nach der Besprechung der Formel-1-Kommision in Österreich gilt mittlerweile eine neue Version ab dem Grand Prix in Belgien Ende August.

Da das Phänomen des Porpoisings bei den letzten Rennen auch ohne die Regelung durch die neue TD nicht mehr stark auftrat, hatte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto keinerlei Verständnis für die Änderungen: "Wir diskutieren immer noch viel über die TD und das Porpoising, aber faktisch scheint es sich um kein Problem mehr zu handeln. Es war kein Thema in Silverstone und es war auch keines hier in Österreich, für keinen von uns. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch in den nächsten beiden Rennen nicht der Fall sein wird. Übertreibt die FIA da nicht bei diesem Thema, gab es wirklich eine Notwendigkeit zu handeln und diese TDs zu herauszugeben?"

Seit dem Kanada-Fiasko hatte sich die Diskussion rund um die TD allerdings auch auf den Unterboden und seine Leistungsfähigkeit ausgeweitet. Die zweite Version der TD beinhaltet hier strengere Grenzwerte in der Steifigkeit als zuvor. Mercedes-Chef Toto Wolff kam nicht umhin, Binotto daran zu erinnern: "Es war gut, dass diese TDs herausgegeben wurden. Es gibt eindeutig unterschiedliche Interpretationen bei der Befestigung der Skid Blocks. Außerdem wird die Steifigkeit der Bodenplatte ein Diskussionsthema für nächstes Jahr sein. Für uns bedeutet das keinerlei Veränderung, also wäre uns das so früh wie möglich am liebsten gewesen. Es kann beim Porpoising helfen. Mattia hat gesagt, dass sei kein großes Problem für die nächsten Rennen und das stimmt, aber es ist ein Thema in Sachen Performance."

Teamchefs des Mittelfelds: Betrifft uns nicht!

Die Teambosse der kleineren Teams vermeldeten unisono, nicht stark von der Unterbodenfrage betroffen zu sein. "Es wird eine neue Regel geben und dann werden wir sehen, wie das unser Auto beeinflusst. Ich weiß das noch nicht. Bis jetzt erwarte ich keine Probleme für uns, denn wir hatten auch zuvor keine Probleme mit Porpoising. Wie gut es dann kontrolliert wird und wie man es überhaupt kontrollieren kann, das kann ich nicht sagen", meinte AlphaTauri-Chef Franz Tost. Der bisherige Verdacht lautete, dass sich die Unterböden einiger Teams nur an den Messtellen der FIA regelkonform verhalten und sich an anderen Stellen wesentlich stärker und nicht linear verbiegen.

Wie andere Teamchefs aus dem Mittelfeld hat Fred Vasseur wenig Bedenken wegen der TD, Foto: LAT Images
Wie andere Teamchefs aus dem Mittelfeld hat Fred Vasseur wenig Bedenken wegen der TD, Foto: LAT Images

Auch Frederic Vasseur von Alfa Romeo wies Spekulationen um mögliche Vorteile seines Teams durch einen flexiblen Unterboden zurück: "Für uns wird sich nicht viel verändern. Ich bin ein bisschen überrascht über die Reaktionen, denn in den Regeln ist eigentlich festgelegt, dass die Bodenplatte starr sein muss. Das ist also nicht Neues." Der Franzose ist trotzdem kein Fan der neuen TD: "Ich bin nicht wirklich überzeugt, dass die FIA sich in das Setup des Autos einmischen sollte."

Mike Krack von Aston Martin warf den Ball in Richtung der Top-Teams: "Ich bin nicht überrascht, dass es einen großen Aufschrei gab, denn es sieht so aus, als hätten nicht alle der großen Teams das ausgenutzt. Ich denke nicht, dass es etwas für uns ändert."

Wolff: Vorteile am Unterboden eindeutig, Binotto: Änderungen am Ferrari nötig

Toto Wolff wunderte sich angesichts der Aussagen seiner Kollegen: "Es wirkt fast so als würde das Thema gar nicht existieren. Es ist ein Fakt, dass manche Teams Skid-Blöcke haben, die verschwinden, wenn das Auto den Boden berührt. Der Zweck der Skids ist, die Abnutzung der Bodenplatte zu limitieren. Wenn ein Skid also wie durch ein Wunder in Richtung Unterboden verschwinden kann, dann ist das eindeutig gegen die Regeln." Der Österreicher erklärte außerdem: "Die zweite Sache ist die Bodenplatte, die sich weiter verbiegt, als es die Toleranz erlaubt. Diese liegt aktuell bei einem Millimeter. Wenn die Platte sich stärker als einen Millimeter nach oben verbiegt, dann gewinnst du auch da Performance."

Der Ferrari muss laut Mattia Binotto ab Belgien modifiziert werden, Foto: LAT Images
Der Ferrari muss laut Mattia Binotto ab Belgien modifiziert werden, Foto: LAT Images

Mattia Binotto gab zu, dass der Unterboden des Ferrari aufgrund der TD modifiziert werden muss. "Am Unterboden werden ein paar Änderungen notwendig sein, denn es gab eine neue Klarstellung, welche Tests unter neuen Spezifikationen vorgenommen werden. Es wird einiges an Zeit brauchen, das zu verändern, also ist die Verschiebung auf Belgien gut. Da es kein großes Thema ist, gibt es auch keinen Grund zu Eile", erklärte der Italiener. Bei Mercedes wird man die Boliden der Konkurrenz aus Maranello in Belgien wohl genau beobachten. Toto Wolff konnte sich einen kleinen Seitenhieb in Richtung Ferrari angesichts der Verschiebung nicht verkneifen: "Das gibt den Teams, die etwas ändern müssen, genügend Zeit und damit können wir leben."