Formel-1-Knowhow für Supersportwagen zu nutzen hat lange Tradition. Üblicherweise bleibt es aber den großen Herstellern überlassen, man denke an den Mercedes AMG One. Red Bull geht hingegen schon immer einen etwas anderen Weg - und so wird das seit 2005 existierende Formel-1-Team des Energy-Drink-Konzerns jetzt erstmals selbst zu einem Autohersteller.

Am Dienstag vor dem Großbritannien-GP bestätigte Red Bull öffentlich einen in Eigenregie entwickelten Supersportwagen. Das als "RB17" der Nomenklatur der Formel-1-Autos folgende Design wird zwar keine Straßenzulassung erhalten, soll aber das ultimative Geschoss für Track Days werden. Nicht zuletzt dank dem prominenten Entwicklungsteam, angeführt von Red Bulls Aerodynamik-Legende Adrian Newey, aus dessen Feder zwölf WM-F1-Autos stammen.

Für Newey ist der RB17 ein Traum-Projekt. Seit 1982 designt er Rennautos, was aber immer Einschränkungen durch das Reglement bedeutet. Dieses Projekt hingegen ist minimal limitiert: Es soll ein für alle Kunden fahrbares und sicheres Track-Day-Auto mit zwei Sitzen und einem Dach werden. Abgesehen davon hatten Newey und sein Design-Team freie Hand.

Red Bull: RB17 soll Formel-1-Performance liefern können

Das Auto befindet sich noch im Planstadium, daher gibt es auch kein umfangreiches Bildmaterial. Die Zielsetzung ist aber klar, wie Newey erklärt: "Über die Jahre haben mich die Leute immer gefragt, wie es ist, ein Formel-1-Auto zu fahren." Das soll der RB17 ermöglichen. Zumindest, wenn man fünf Millionen britische Pfund zur Verfügung hat und sich rechtzeitig eines der 50 Kleinserien-Exemplare sichern kann, die ab 2025 ausgeliefert werden sollen. So der gegenwärtige Plan.

Was technische Daten in diesem Planstadium angeht, spricht Red Bull von einem 900 Kilo schweren Auto, mit einem V8-Biturbo mit 1100 PS plus einem Hybrid-System zwischen 100 und 200 PS zur Verbesserung der Fahrbarkeit, plus komplexer Aerodynamik. Man bezeichnet es als "Adrians Greatest Hits." Newey nennt darauf angesprochen sofort Ground Effect mit flexiblen Schürzen und aktive Radaufhängung als große Features, sowie einen angeblasenen Diffusor wie jene Newey-Designs, mit denen Sebastian Vettel einst WM-Titel holte.

Adrian Newey und Red-bull-Teamchef Christian Horner, Foto: Red Bull Content Pool
Adrian Newey und Red-bull-Teamchef Christian Horner, Foto: Red Bull Content Pool

"Ich glaube, das Auto wird Rundenrekorde fahren können", kündigt Red-Bull-Teamchef Christian Horner an. Im Hypercar-Segment soll es der Klassenprimus werden. Neben einem Formel-1-Auto soll es sich durchaus achtbar schlagen können, bestätigt Newey: "Unsere ersten Simulationen sagen, dass es sich auf jeden Fall in dem Bereich bewegt." Daher auch der Name - RB17. Jener Name, der vom Team 2021 ausgelassen wurde, weil regelbedingt das Vorjahres-Chassis weiterverwendet werden musste. 2021 fuhr man mit dem RB16B, 2022 sprang man zum RB18.

Formel-1-Kostengrenze macht Weg für Newey-Traumprojekt frei

Eigentlich ist der RB17 nicht das erste Sportwagen-Projekt von Red Bull und Newey. Das Team hat mit "Red Bull Advanced Technologies" bereits einen Arm für Hightech-Dienstleistungen abseits des F1-Geschäfts, und dieser zeigt sich für Aston Martins Supersportwagen Valkyrie mit verantwortlich. Der wurde ebenfalls von Newey, aber noch immer mit einer Straßenzulassung im Hinterkopf und in Kooperation mit Aston Martin entworfen. "Das hat den Appetit angeregt", meint Horner. "Es war der logische Schritt."

Der von Red Bull entworfene Aston Martin Valkyrie war ein Appetithappen, Foto: Red Bull Content Pool
Der von Red Bull entworfene Aston Martin Valkyrie war ein Appetithappen, Foto: Red Bull Content Pool

Der RB17 ist nun ein reines Red-Bull-Projekt. Was das Team nicht intern herstellen kann, wird extern nach genauen Vorgaben gefertigt, dazu gehört auch der Motor. Für Red Bull ist es ein durchaus sinnvolles Projekt, wie Horner erklärt. Durch die Formel-1-Kostengrenze kann es sich das Team gar nicht mehr leisten, sämtliches Personal und die ganze Infrastruktur der vergangenen Jahre für die F1 zu nutzen: "Wenn du diese Ressourcen erhalten willst, dann sind andere Projekte notwendig, um die Existenz zu rechtfertigen. Dies ist das perfekte Projekt, um unsere Fähigkeiten zu nutzen."

So gesehen ist es für Newey eine glückliche Fügung, dass das Projekt zustande kam. Nicht nur ressourcenbedingt. Durch die Pandemie hatte Newey, der zu Weihnachten 2020 und dann Anfang 2021 die ersten Entwürfe des Autos anfertigte, auch die Zeit dafür. Das heißt zugleich aber auch, dass sich der RB17 weiter im frühen Entwicklungsstadium befindet. Es gibt noch keinen Prototypen, kein herzeigbares Modell, nur Simulationen. Die Ästhetik muss noch finalisiert werden.

Weitere Pläne für das Auto gibt es momentan nicht. Eine Straßenzulassung ist genauso wenig angedacht wie die Nutzung als Basis für ein echtes Rennauto. Dass es das Formel-1-Team ablenkt - Newey berät schließlich auch dort die Technik-Abteilung - sieht Horner auch nicht: "Umgekehrt. Es wird die Formel 1 ergänzen, nicht davon ablenken."

Dass Red Bulls Formel-1-Fahrer Max Verstappen und Sergio Perez zumindest irgendwann im Prototypen sitzen und ihren Input geben, steht für Horner natürlich auch außer Frage: "Es ist nur logisch, dass sie an einem Punkt während der Entwicklung mit einbezogen werden."