Der Autosport-Weltverband hat am 1. Juni bestätigt, dass Peter Bayer die FIA verlassen hat. Der Österreicher war seit 2017 als Generalsekretär der Fédération Internationale de l’Automobile tätig. 2021 wurde er außerdem zum Executive-Director der Formel 1 ernannt. Den vakanten Posten übernahm daraufhin Shaila-Ann Rao - zumindest übergangsmäßig. Rao war bereits zwischen 2016 und 2018 als Leiterin der Rechtsabteilung Teil der FIA, verbrachte aber die letzten Jahre als Beraterin von Toto Wolff bei Mercedes.

Spielt Shaila-Ann Rao Mercedes in die Hände?

Schon an ihrem ersten Rennwochenende in Baku, das sie in ihrem neuen Amt bestritt, geriet Rao ins Visier von Ferrari. Darauf angesprochen, ob es von seiner Seite aus irgendwelche Bedenken gibt, was die enge Verbindung der FIA-Neubesetzung zu Mercedes betrifft, antwortete Teamchef Mattia Binotto nämlich: "Sicherlich gibt es da Bedenken. Es ist nun am Präsidenten der FIA, dafür zu sorgen, dass es zu keinen Interessenskonflikten kommt. Und ich zweifle nicht daran, dass er das auch tun wird. […] Ich bin ziemlich sicher, dass sich diese Bedenken vor dem Hintergrund zukünftiger Entscheidungen und Handlungen schnell zerstreuen werden."

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Nach dem letzten Grand Prix in Kanada und dem damit verbundenen Hin und Her bezüglich der neuen technischen Direktive der FIA, mit der man das Porpoising in den Griff bekommen wollte, war die Aufregung bei Ferrari dann aber plötzlich besonders groß. Irgendwie hatte es Mercedes nämlich bewerkstelligt, sozusagen über Nacht eine neue Strebe parat zu haben, die ihr Hüpf-Problem lösen - oder zumindest deutlich abschwächen - sollte. Die Frage, die sich nicht wenige Beobachter daraufhin stellten: Wusste Mercedes schon vor der offiziellen Veröffentlichung von der FIA-Direktive? Und hatte vielleicht Shaila-Ann Rao damit zu tun?

"Haben Bedenken, hegen aber keine Zweifel" - Mattia Binotto

Am Rande des Rennwochenendes in Kanada kam der Italiener daher noch einmal auf dieses Thema zu sprechen. In einer Teamchef-Pressekonferenz, an der neben Binotto auch Günther Steiner und Toto Wolff teilnahmen, wiederholte er aber im Grunde nur, was er bereits in Baku gesagt hatte und spielte den Ball so erneut mehr oder weniger unauffällig in Richtung FIA: "Als Ferrari haben wir Bedenken, hegen aber keine Zweifel. Ich habe volles Vertrauen in die FIA, dass sie alles genau prüft. Rao ist ein Profi, eine Anwältin, sie besitzt Integrität."

Besonders interessant: Vor dieser öffentlichen Konferenz hatte Wolff beim nicht öffentlich zugänglichen Teamchefmeeting wohl ziemlich verärgert auf die Anschuldigungen in seine Richtung reagiert. So ist er dort laut eigener Aussage aus einem Interview mit der österreichischen Zeitung OE24 deshalb "hochgefahren", weil Mercedes beschuldigt wurde, mit der FIA "gepackelt" zu haben, weil seine ehemalige Anwältin dort jetzt Generalsekretärin für Sport ist. "Dabei ist sie eine total integre Rechtsanwältin", so der Mercedes-Teamchef.

Gleichzeitig ließen Binotto und Wolff sowohl in Baku als auch in Kanada ebenfalls keinerlei Zweifel aufkommen, dass sie die Entscheidungen des neuen FIA-Präsidenten Mohammed bin Sulayem, die die Strukturen der FIA betreffen, vollstens respektieren. "Der Präsident trifft Entscheidungen. Er hat eine Vision. Das müssen wir respektieren und sollten uns daher auch nicht einmischen," so etwa der Österreicher.

Ecclestone: "Das ist brandgefährlich"

Vor Kurzem äußerte sich auch der ehemalige Geschäftsführer der Formel 1, Bernie Ecclestone, zu diesem Thema. Wie die englische Zeitung Dailymail berichtet, hält der Brite die gesamte Situation um Shaila-Ann Rao für "bloody dangerous". "Toto hat mit diesem ganzen Unsinn, dass sich die Autos verändern müssen, angefangen. Sie [Rao; d. Red.] hat ihnen [Mercedes; d. Red.] offensichtlich von der neuen Direktive erzählt." Dass der Brite von einer potenziellen Vorteilnahme auf Seiten von Mercedes überzeugt ist, ist natürlich trotzdem alles andere als ein endgültiger Beweis.