Auch mit eher wenig beeindruckenden Darbietung im regnerischen Qualifying beim Kanada-Grand-Prix ist nicht zu leugnen: Sergio Perez und Red Bull, das passt. Nach einem etwas holprigen Start läuft es vor allem seit 2022 richtig gut für den Mexikaner bei seinem neuen Arbeitsgeber.
Gewann Max Verstappen das Qualifying-Duell im letzten Jahr noch 20:3 sieht es diese Saison anders aus: Nach neun Saisonrennen steht es 6:3 für den Holländer. In der Weltmeisterschaft führt Verstappen mit 175 Punkten die Wertung an. Erster Verfolger? Teamkollege Sergio Perez, 46 Punkte dahinter. Warum Perez dieses Jahr so viel besser mit dem Red-Bull-Boliden zurechtkommt und wo die Probleme des Weltmeisters Verstappens liegen.
Perez besiegt den Fluch des zweiten Red-Bull-Sitzes
Die riesige Regeländerung in der Formel 1 machte die Autos unter anderem schwerer und sie neigen zum Untersteuern. Perfekt für Fahrer wie Sergio Perez, das passt genau zu seinem Fahrstil. In seinem Debütjahr bei Red Bull musste er sich erst auf das instabile Heck des RB16B einstellen.
"Das Auto hatte einen sehr speziellen Fahrstil und ich brauchte eine Weile, um mich daran zu gewöhnen. Aber am Ende der Saison war es gut." Dabei machte er eine bessere Figur als seine Vorgänger Alex Albon oder Pierre Gasly, auch dank seiner langjährigen Erfahrung in verschiedenen Teams. Gebrochen war der Fluch des zweiten Red-Bull-Cockpits. Zur Belohnung gab es die Vertragsverlängerung.
Sergio Perez, an den Schwierigkeiten gewachsen?
Vor allem in der zweiten Saisonhälfte 2021 gelang es Sergio Perez immer besser, den wilden Bullen zu zähmen: Neben seinem Sieg in Baku erzielte der Mexikaner vier weitere dritte Plätze und verfehlte das Podium in Interlagos und Katar als Vierter nur knapp. Highlight war die heroische Verteidigung gegen Hamilton im Saisonfinale in Abu Dhabi, die Verstappen als Weltmeister und Perez als mexikanischen Verteidigungsminister hervorbrachte.
Auf dem Weg von Racing Point zu einem Top-Team wie Red Bull musste Sergio Perez sich auf vieles neu einstellen: "Es war extrem intensiv. Es wurde viel Arbeit hinter den Kulissen geleistet, und es herrschte viel Druck", zog Perez Bilanz nach seiner ersten Saison. Die Erwartungshaltung sei viel größer, wenn man um Podien und Siege mitfahren würde. Ebenfalls neu nach sieben Jahren bei Racing Point: die hohe mediale Aufmerksamkeit.
"Es war nicht einfach, aber es hat mich auf ein anderes Niveau gebracht", so Perez zu Saisonende. Auch Teamkollege Verstappen hätte einen großen Teil dazu beigetragen. Optimistisch sah Perez schon damals dem neue Reglement entgegen: "Das ist eine große Gelegenheit für mich." Im zweiten Jahr kenne er ebenfalls seine Ingenieure und andere Teammitglieder bereits besser.
2022: Die Karten sind neu gemischt
Beim Auftaktrennen in Bahrain zeigte 'Checo' bereits, dass er sich im diesjährigen Auto wohlfühlt. Aufgrund technischer Defekte holten beide Red-Bull-Piloten zwar keine Punkte, aber Perez Selbstvertrauen für die weiteren Rennen. Mit genug Verständnis des sowohl aerodynamischen als auch mechanisch neuen Paketes kann sich Perez immer besser auf das Auto einstellen. Acht Rennen später kämpft Sergio Perez zumindest theoretisch mit um den Weltmeistertitel.
"Letztes Jahr habe ich länger gebraucht, um mich an das Auto anzupassen. Jetzt kann ich von FP1 weg am Auto zu arbeiten beginnen und bin in Qualifying und Rennen viel besser vorbereitet", freut sich der Mexikaner. Höhepunkt der Saison war der Sieg in Monaco, der auch mit einer Welle des Hypes über einen möglichen ersten mexikanischen Formel-1-Weltmeister einherging. Schon jetzt wird ein Drittel der gesamten Red-Bull-Merchandise-Produkte in Mexiko verkauft.
Was ist mit Verstappen? Gewichtige Probleme beim Weltmeister
Anders sieht es bei Max Verstappen aus: Der lässt das Heck gerne fliegen und hat sich im Laufe der Jahre perfekt auf das zum Übersteuern neigende Auto aus Milton Keynes eingestellt. Mit den großen Regeländerungen muss sich der Holländer zum ersten Mal seit seinem Debüt bei Red Bull mit einem Auto anfreunden, das nicht zu 100% seiner bevorzugten Fahrweise entspricht.
Denn: Mit dem höheren Gewicht der neuen Generation an Formel-1-Autos neigen die Autos zum Untersteuern, so auch der Bolide aus dem Hause Red Bull. Der RB18 hat zudem noch mit ein paar Kilos Übergewicht zu kämpfen.
Die Designphilosophie ist 2022 eine andere als in den letzten Jahren. "Es ist sehr schwierig, mit diesem Auto so zu arbeiten, wie ich mir das vorstelle. Als ich neu zu Red Bull kam, musste ich auch erst schrittweise entdecken, wie ich das Auto haben will. Das wird mit diesem Auto auch nach und nach kommen."
Verstappen Junior: Kein Grip, keine gute Balance in engen Kurven
Max Verstappen klagte erstmals in Melbourne, dass er mit dem neuen RB18 in den Kurven nicht so attackieren könnte, wie er es gerne täte. "Im Moment finde ich aber keine gute Balance zwischen Vorder- und Hinterachse des Autos", meinte Verstappen dann in Baku. Vor allem auf Stadtkursen mit engen, teilweise 90 Grad Kurven hat der 24-jährige Probleme. "Da brauchst du ein Auto, das schnell einlenkt." Auf klassischen Rennstrecken wie Barcelona kann der Holländer das Fahrverhalten einfacher kompensieren.
Nach dem zweiten verlorenen Teamduell im Qualifying sahen manche Max Verstappen bereits in Erklärungsnot: "Das kann passieren und ist keine Katastrophe. Ich hatte vorn nicht genug Grip", so der Holländer. "Und hier in Monaco ist es sehr wichtig, dass das Auto schnell einlenkt." Wegen fehlender Balance hätte er in den Kurven nicht attackieren können. "Aber 'Checo' fühlte sich wohler als ich, was die Balance betrifft. Er kann mit ein bisschen Untersteuern besser umgehen, er mag das. Ich hingegen brauche eine starke Front."
Verstappen Senior: Auto passt nicht zu Max!
Jos 'The Boss' Verstappen sieht Red Bull in der Bringschuld. Das Team müsse das Auto mehr in Richtung seines Sohnes entwickeln, derzeit passe es nicht zu Max. Ralf Schumacher ist in seiner Kolumne anderer Meinung: Er empfiehlt Max den Fahrstil vom Teamkollegen in gewissen Streckenabschnitten zu adaptieren: "Das neue Konzept der Fahrzeuge kommt Sergio mehr entgegen." Perez könne aus dem Auto mehr herausholen als Max mit seinem sehr aggressiven Fahrstil.
9 Rennen, 6 Siege trotz unpassendem Fahrstil
"Von meiner Seite wünsche ich mir etwas mehr Biss an der Vorderachse. Aber ich würde nicht sagen, dass ich mich unkomfortabel fühle", widerspricht Max seinem Papa Jos. "Es geht nur noch um Feintuning", spricht der Sohn und gewann die nächsten zwei Rennen in Baku und Montreal.
Vor allem beim Großen Preis von Kanada hatte Max Verstappen wieder deutlich die Oberhand zu Sergio Perez. Am Ende war nicht der Teamkollege Gegner, sondern Ferraris Carlos Sainz. Nach zwei verlorenen internen Qualifyings in Folge für 'Checo' ist aber trotzdem nicht zu erwarten, dass Papa Perez wütend nach einer Weiterentwicklung des RB18 zugunsten seines Sohnes verlangt.
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