Doppelsieg und WM-Führung, doch beinahe hätte es bei Red Bull schon vor dem Start des Spanien GP 2022 in Barcelona ein regelrechtes Drama gegeben. Während die Konkurrenz vor dem Start noch Sichtungsrunden drehte und sich in der Startaufstellung einfand, blieb der Startplatz von Max Verstappen lange Zeit leer. Erst acht Sekunden vor dem Schließen der Boxengasse ging der Weltmeister auf die Strecke.

Weil es um Sekunden ging, musste Verstappen sogar auf eine Startübung am Boxenausgang verzichten. Ist die Ampel auf Rot und ein Pilot ist noch nicht auf dem Weg in die Startaufstellung, muss er seine Startposition aufgeben und aus der Boxengasse starten.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner lieferte die Erklärung für den lange leergebliebenen Startplatz von Max Verstappen: "Wir mussten am DRS arbeiten." Im Qualifying musste Verstappen seinen letzten Versuch abbrechen, weil sich der Heckflügel nicht geöffnet hatte. Im Rennen brachte DRS Verstappen zur Weißglut, weil es auf der Start- und Zielgeraden nur gelegentlich funktionierte und er so nicht an George Russell vorbeikam.

Ferrari vermutet: Red Bulls Benzin zu warm

Das DRS-Problem war real, doch es war offensichtlich nicht der Grund, wieso Verstappen vor dem Rennen so lange in der Garage gehalten wurde. Red Bull arbeitete minutenlang gar nicht mehr am RB18 mit der Startnummer eins, ließ Verstappen aber trotzdem nicht auf die Strecke.

Ohne DRS biss sich Max Verstappen an George Russell die Zähne aus, Foto: LAT Images
Ohne DRS biss sich Max Verstappen an George Russell die Zähne aus, Foto: LAT Images

Hätte es sich um ein DRS-Problem gehandelt, hätte Verstappen auch Sichtungsrunden drehen und das System ausprobieren können. Im Zweifel hätte man auch in der Startaufstellung noch Reparaturen vornehmen können. Dafür wäre man das Risiko nicht eingegangen, Startplatz zwei zu verlieren, weil man es nicht rechtzeitig aus der Box schaffte.

Wahrscheinlich musste Verstappen mit laufendem Motor in der Garage ausharren, weil das Benzin zu kalt war. "Ich kann mir vorstellen, dass es daran lag", meint Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Red Bull will diese Version nicht bestätigen, doch eine andere plausible Erklärung gibt es kaum.

Schon in Miami gab es Probleme mit der Benzintemperatur. Beide Aston-Martin-Piloten mussten aus der Boxengasse starten, weil der Treibstoff zu kalt war. Das Technische Reglement schreibt vor, dass das Benzin nicht mehr als 10 Grad Celsius unter der Umgebungstemperatur liegen darf. Die Umgebungstemperatur wird zwei Stunden vor Rennstart vom offiziellen Wetterdienstleister gemessen und von der Rennleitung bekanntgegeben.

Benzin-Temperatur in Barcelona wieder laut Reglement

Bis Miami gab es noch eine Ausnahmeregelung. Dabei galt der fixe Wert von 18 Grad Celsius. Einige Motoren hatten mit dem 2022 eingeführten E10-Sprit Probleme, wenn das Benzin zu warm wurde. Offenbar betraf das Problem aber vor allem Mercedes und Honda.

Deshalb wollte Ferrari in Barcelona wieder zur Normalität zurückkehren. Das ging ohne Probleme, weil für die Ausnahmeregelung zuvor Ferraris Zustimmung notwendig war. Das Technische Reglement kann während der Saison nur mit Einstimmigkeit verändert werden.

Am Ende hatte Ferrari einen technischen Defekt zu verzeichnen, Foto: LAT Images
Am Ende hatte Ferrari einen technischen Defekt zu verzeichnen, Foto: LAT Images

Also galt in Barcelona wieder die alte Regelung, bei der das Benzin nicht mehr als 10 Grad unter die Umgebungstemperatur heruntergekühlt werden darf. Als Referenzwert kommunizierte die Rennleitung zwei Stunden vor dem Start des GP 35 Grad Celsius. Also musste der Treibstoff mindestens 25 Grad messen.

Red Bull traute sich deshalb offenbar nicht früher auf die Strecke. Ein Verstoß gegen die Regel könnte eine Disqualifikation zur Folge haben - auch auf dem Weg in die Startaufstellung. Binotto fordert trotzdem eine Anpassung der Regel: "Eigentlich sollte das Benzin das gesamte Event über nie unter der 10-Grad-Marke liegen. Aber wir können nur der FIA vertrauen." Ironie des Schicksals: Charles Leclerc schied beim Spanien GP in Führung liegend mit einem Motorenproblem aus, Red Bull erbte einen Doppelsieg.