Michael Andretti will in die Formel 1, und es ist ihm ernst. Das steht außer Frage. Beim Miami-GP war der Amerikaner und ehemaliger IndyCar-Meister, der nach seinem Aufstieg ins Management mit seinen Teams in Serien wie IndyCar und Formel E Erfolge gefeiert hat, überall im Fahrerlager zugange. Um für das Andretti-F1-Team zu werben.

Die Werbetour ist dringend nötig. Seit Monaten drängt Andretti Formel 1 und FIA, ihm für 2024 einen Startplatz zu geben, doch im Fahrerlager wird gemauert. Ein elftes Team ist nicht automatisch positiv für die Formel 1. Zumindest glauben das zu viele. In Miami herrscht unter der Mehrheit der Teams, und selbst beim oberen Formel-1-Management, Skepsis.

Das Hauptproblem ist, wie so oft in der Formel 1, das Geld. Aber nicht unbedingt das Geld, das Andretti für einen Einstieg aufbringen muss. Es geht um die Frage, wie viel höher der Formel-1-Umsatz durch ein Team Andretti werden würde. Simpel gesagt: Verteilt die Formel 1 ihre jährlichen Preisgelder, die aus Dingen wie TV-Verträgen und Strecken-Verträgen entstehen, auf elf statt zehn Teams, so bleibt für jedes einzelne Team natürlich weniger übrig.

Außer der Gesamt-Umsatz steigt. Es ist eine einfache Rechnung: Bei aktuell grob einer Milliarde Dollar verteiltem Preisgeld pro Jahr muss ein Andretti-Einstieg so viel Mehrwert bringen, damit der Topf auf über 1,1 Milliarden anwächst. Dann haben alle etwas davon. Nur hinterfragen die meisten Teams, ob der Andretti-Name das bewirken würde.

Formel-1-Teams zweifeln Andretti-Mehrwert an

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff führt seit langem die Zweifler an: "Also, wenn jemand das demonstrieren kann, dann sollten wir alle an einem Tisch sitzen und so einen Einsteiger bejubeln. Aber das wurde noch nicht demonstriert. Und das mag ein bisschen trocken klingen, weil es auf die Zahlen rausläuft, aber der Wert der Formel 1 ist, dass es eine beschränkte Anzahl an Franchises gibt."

"Wir wollen den Wert nicht verwässern, indem wir einfach Teams addieren", sagt Wolff. Das US-Unternehmen Liberty, welches die Formel 1 2017 erworben hat, gab sich viel Mühe, den Markenwert und die Exklusivität der Startplätze zu steigern. Teams sollten im Stil von US-Sportteams "Franchises" werden, Marken mit großem Mehrwert und nicht bloß Teams, die Rennen fahren.

Das ist Liberty mit großem Erfolg gelungen, durch verbesserte Vermarktung und unterstützt durch neue Preisgeld-Struktur und mit Kosten-Obergrenze. So ist heute ein F1-Team mehr wert denn je. Genau lässt es sich schwer schätzen, doch selbst bei den kleinsten kursieren inzwischen Zahlen jenseits der 400 Millionen als Gegenwert. "Wir haben große Summen investiert im Verlauf der letzten zehn Jahre", sagt Wolff.

Ein elftes Team ohne Mehrwert droht alles um gut zehn Prozent zu entwerten. Da wird die Opposition schnell klar. Erst recht, wenn es um kleinere Teams wie Haas geht, wo zehn Millionen Preisgeld ein doch signifikanter Teil des Team-Budgets sind. "Was springt für uns raus?", stellt Haas-Teamchef Günther Steiner die entscheidende Frage. "Wir brauchen keine mehr. Wir sind in einer guten Position."

Neue Teams haben für Formel 1 keine Priorität

Auf dem Papier gibt es eigentlich sogar finanzielle Provisionen, um den Mehrwehrt zu sichern - den sogenannten "Anti-Dilution Fund", zu Deutsch die Anti-Verwässerungs-Gebühr. Ein neues Team muss 200 Millionen Dollar bei F1-Eigner Liberty einzahlen. Für die nächsten zwei Jahre kommt das zusätzlich in den Preisgeld-Topf, um zu garantieren, dass die Preisgeld-Anteile aller Teams gleichbleiben. Nur hält das eben zwei Jahre - danach muss das neue Team den Wert der Formel 1 bereits gesteigert haben.

Haas-Teamchef Steiner suggerierte in Miami, dass Liberty einfach mehr vom eigenen Umsatz in den Preisgeld-Topf stecken könnte: "Ich meine, wenn FOM [Formula One Management, Front von Liberty in der F1, Anm.] mehr Geld ausschütten will oder so, dann ist das eine andere Diskussion. Aber einfach mehr Teams zu haben ... mehr heißt nicht besser."

Doch selbst bei Liberty herrschen Zweifel, trotz der Tatsache, dass Andretti als amerikanisches Team mitten in die amerikanischen Expansions-Pläne der Serie fällt. Von Libertys Firmen-CEO Greg Maffei kamen am Wochenende bei einem Interview mit 'Bloomberg' keine großen Zusprüche: "Ein Amerikanisches Team, das stark ist? Ein amerikanischer Fahrer, der stark ist? Ein amerikanischer Hersteller? Alle diese Dinge wären interessant. Aber einfach ein elftes Team? Ich glaube nicht, dass das viel für die Zuseher bringen würde."

Andretti hat US-Nachwuchsstar Colton Herta noch unter IndyCar-Vertrag, doch McLaren umgarnt ihn, Foto: LAT Images
Andretti hat US-Nachwuchsstar Colton Herta noch unter IndyCar-Vertrag, doch McLaren umgarnt ihn, Foto: LAT Images

Auch Liberty müsste im Fall eines Flops einstecken. Natürlich gibt es Logistik-Kosten aufseiten der Serie, die steigen würden - mehr Teams bedeutet mehr Ressourcen an allen Ecken und Enden. Nicht alle Strecken sind für eine Formel 1 mit elf Teams bereit.

Alpine und McLaren geben Andretti Rückendeckung

Nach seinen Runden durchs Miami-Fahrerlager scheint Andretti dennoch unter den Teams nur zwei Unterstützer zu haben. Da ist auf einer Seite Alpine-Renault - dort hat man momentan kein Motor-Kundenteam, Andretti käme wie gerufen. "Ich stehe sehr dahinter, ich habe auch mit Michael gesprochen", sagt Alpine-CEO Laurent Rossi. "Es passt zur Expansion in den USA. Ich denke, es wird zur Show passen, und ein amerikanisches Team wird direkt Interesse in den USA generieren. Und daher Umsatz."

Hinter Alpine folgt McLaren. Deren Motorsport-CEO Zak Brown ist langjähriger Freund und Partner von Andretti in anderen Rennserien, das schafft Vertrauen: "Ein sehr verlässliches Team mit einer verlässlichen Marke, mit den richtigen Ressourcen, das ist denke ich eine Bereicherung für unseren Sport. Und das scheint das zu sein, was Michael zusammengestellt hat. Basierend darauf unterstützen wir es."

Andretti hält positive Meetings mit Formel 1 und FIA

Immerhin scheint Andretti aber mit der FIA und dem Formel-1-Management Fortschritte gemacht zu haben. In Miami traf er sich sowohl mit FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem als auch mit F1-Vertretern, um seinen Fall darzulegen. "Wir sind da positiv raus", erklärte er nach dem FIA-Meeting gegenüber dem 'IndyStar'. Ben Sulayem stehe hinter den Bemühungen, und erstmals habe man konkrete Vorstellungen, wie man Fortschritte erzielen könne: "Aber es ist ein großer Prozess."

"Es könnte bis September oder Oktober dauern", so Andretti. Doch die positiven Signale reichen ihm, um das Projekt voranzutreiben. Bis August will er nicht nur weitere Leute an Bord holen, sondern im amerikanischen Indianapolis mit den Bauarbeiten für eine neue, Formel-1-fähige Teambasis beginnen. Solche Investitionen könnten die anderen Teams überzeugen: "Wir geben Geld aus, um den Ball ins Rollen zu bringen, und wir glauben, dass wir es hoffentlich hinbekommen. Wir wissen, dass es ein Risiko ist, aber wir glauben, dass es das Risiko wert ist, um den Ball ins Rollen zu bekommen."