Welcome to Miami: Am Wochenende (TV-Programm, Live-Streams und Zeitplan beim Formel-1-Rennen in Miami gibt's hier) wird der langjährige Traum der Formel-1-Bosse um Liberty Media wahr. Die Königsklasse des Motorsports gastiert für einen neben Austin zweiten Lauf in den Vereinigten Staaten von Amerika in der schillernden Metropole im Sunshine State Florida.

Nach einem lange Zeit schwierigen Stand ist die Formel 1 längst in den USA angekommen und erlebt dort einen regelrechten Boom - nicht zuletzt Netflix sei Dank. 2023 folgt mit einem Formel-1-Rennen in Las Vegas gleich der nächste Grand Prix im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Gerade zum Debüt in Miami ist eine große US-Show neben der Strecke programmiert. Doch gilt das auch für die Action auf der bereits elften F1-Strecke in den USA? "Die oberste Priorität ruhte darauf, einen großartigen Rennkurs zu schaffen", versichert Grand-Prix-Chef Tom Garfinkel.

Formel-1-Strecke in Miami war ein Politikum

Immerhin war die Errichtung des semi-permanenten Miami International Autodrome rund um das imposante Hard Rock Stadium auf dem Gelände der Miami Dolphins alles andere als ein Wunschkonzert. Wegen Lärm- und Umweltschutzbedenken mancher Anlieger im Stadtteil Miami Gardens mussten die Macher um Garfinkel lange Zeit gänzlich um den zum Politikum gewordenen Grand Prix zittern. Aus denselben Gründen war zuvor bereits ein erster Versuch in Downtown Miami gescheitert.

Das Hard Rock Stadium dient am Formel-1-Wochenende als Bühne für musikalische Acts, Foto: Motorsport-Magazin.com
Das Hard Rock Stadium dient am Formel-1-Wochenende als Bühne für musikalische Acts, Foto: Motorsport-Magazin.com

Erst nach Anpassungen des ursprünglich geplanten Formel-1-Layouts in Miami und unter diversen Auflagen winkte die Politik in Miami Gardens das Rennen durch. Nun verzichtet der jetzt 5,412 Kilometer lange Kurs vollständig auf öffentliche Straßen und ruht einzig und allein auf dem Gelände der Miami Dolphins. Das zwang den erstmals von der Formel 1 beauftragten Streckendesigner, Apex Circuit Design, zu Kompromissen und Kreativiät.

Neuer Formel-1-Streckendesigner gefordert: Kniffliges Projekt in Miami

"Wir mussten viel ändern", sagt Apex-Gründer und Chefingenieur Clive Bowen. Allerdings voller Opportunismus: "Das hat uns die Gelegenheit gegeben, etwas verrückt zu spielen!" Statt auf der westlichen Seite der Strecke auf die 199. Straße abzubiegen, schlängelt sich die Strecke nach ihrem Beginn im Norden und einer Umfahrung im Osten und Süden des Stadions nun sehr viel enger direkt wieder zurück, gerade noch vorbei an den meisten Tennisanlagen der Miami Open. "Das war nicht sehr beliebt", erinnert sich Bowen an weitere Konflikte und Kompromisse mit der Tenniswelt.

So musste die Fertigstellung der Strecke während des Tennis-Turniers Ende März pausiert werden. Auch danach waren diverse Vorkehrungen nötig, um die Anlagen nicht zu beschädigen. Noch dazu sorgte Platzmangel in diesem südlichen Teil der Strecke für eine Verlegung der Start-Ziel-Geraden in den Norden des Hard Rock Stadiums. Willkommener Begleiteffekt: Das riesige Gebäude spendet dem Paddock im in Miami bereits heißen Mai Schatten.

Miami International Autodrom: Highspeed trifft Mickey Mouse

Hinter dem finalen Ergebnis stehen die Macher des Miami Grand Prix trotz aller Komplikationen voll und ganz. Tatsächlich liefern die 19 Kurven (12 links, 7 rechts) der gegen den Uhrzeigersinn gefahrenen Strecke sowohl auf dem Papier als auch bei Besichtigung von Motorsport-Magazin.com vor Ort einen spannend anmutenden Mix aus Highspeedkurven und extrem winkligen Ecken, gepaart mit gleich zwei extrem langen Vollgaspassagen.

Bereits bei einem ersten Blick auf das Streckenlayout fehlt von auf Straßenkursen heute üblichen, aber unbeliebten 90-Grad-Kurven jede Spur. Statt Eintönigkeit herrscht Abwechslung. Der erste Sektor bis zum Ausgang von Kurve acht besteht nahezu vollständig aus mittelschnellen bis schnellen Kurven. Der zweite Sektor beginnt mit einem 1,4 Kilometer langen Vollgasabschnitt und endet mit einem winkligen Geschlängel, das nach aerodynamischem Grip im ersten Sektor nun die Mechanik der Formel-1-Autos fordert. Im direkten Anschluss leitet eine 1,2 Kilometer lange Grade den Schlusssektor ein. Diese mündet in einer Haarnadel, ehe zwei reicht einfach gehaltene Vollgaskurven die Runde abschließen.

Formel 1 in Miami mit Schmirgelpapier-Asphalt und Regen-Vorsorge

Aber der Reihe nach. Gleich zu Beginn der Runde fällt auf, dass das Miami International Autodrome längst nicht so flach ist wie man es von einer Strecke, die sich zu Teilen über Parkplätze erstreckt, erwarten würde. "Die ganze Strecke kann nicht ganz flach sein, denn wenn es regnet, bleibt das Wasser einfach stehen. Deshalb gibt es kleine Anstiege und Gefälle, damit der Regen auch irgendwo hingelangen und abgeleitet werden kann", erklärt Bowen. Zustände wie Sotschi wollen die Designer so vermeiden, zumal Miami die Formel 1 mitten in der örtlichen Regen- und Gewitterzeit empfängt. Die aktuelle Wetterprognose zum Formel-1-Rennen in Miami verspricht tatsächlich Regen.

Auch der Asphalt selbst gibt dem Zufall keinen Raum. Bewusst entschieden sich die Organisatoren für eine Mischung aus Granit und im Motorsport eher ungewöhnlichen Kalkstein. Dieser enthält einen hohen Kiesanteil und soll so extrem guten Grip bieten. Bowen spricht hier von einem regelrechten Schmirgelpapier-Belag. Mit Hochdruckwasserstrahlern behandelt wurde der Asphalt bereits im Vorfeld des Rennens. So soll die Strecke gleich zu Beginn einen vorzeigbaren Griplevel bieten. Dennoch ist in Miami über das Wochenende hinweg eine deutliche Entwicklung der Strecke zu erwarten.

Formel 1 Miami: Erster Sektor bietet Highspeedkurven

Auch der Umweltaspekt kam dabei nicht zu kurz. Der Granit stammt aus dem benachbarten Georgia, der Kalkstein von der nur wenige Kilometer entfernten Küste Floridas. Auch damit wollten die Initiatoren besorgte Bürger in der Nachbarschaft besänftigen. Durch die besonderen Bestandteile des Asphalts präsentiert sich dieser in Miami zudem nicht im typischen tiefschwarz, sondern soll auch leicht weißbräunlich schimmern.

Gleich nach der ersten Kurve beginnt dann der Highspeed-Sektor so richtig. Zunächst folgt noch eine recht enge Kurve zwei samt der Boxenausfahrt - generell ist die Strecke in Miami an vielen Stellen recht schmal -, dann folgt die ultraschnelle Rechtskurve drei, deren Radius immer weiter aufmacht und die Fahrer auf die Südseite des Stadions führt. Nach einem kurzen Stück geradeaus folgt mit den Kurven vier bis sieben eine geschwungene Links-Rechts-Links-Kombination. "In diesen Kurven werden die Autos mit 5G unterwegs sein", schildert Bowen.

Formel 1 Miami: Kurzfristige Streckenänderung wegen Mick Schumacher

Gegen Ende dieser an Jeddah erinnernden Passage entfernte Apex erst kürzlich noch zwei Kerbs in den Kurven sechs und sieben. "Wegen des Unfalls von Mick Schumacher in Jeddah", sagt Bowen. "Deshalb haben wir dort jetzt nur noch eine flache Bemalung, die aussieht wie ein Kerb. Wenn da jetzt einer weit geht, wird es kein Problem mit Aufsetzen geben", erklärt Bowen.

Im ersten Sektor befinden sich fast ausschließlich Highspeed-Passagen, Foto: Motorsport-Magazin.com
Im ersten Sektor befinden sich fast ausschließlich Highspeed-Passagen, Foto: Motorsport-Magazin.com

Kurve sieben leitet zudem eine erste Schlüsselstelle der Stecke ein. Gemeinsam mit Kurve acht bildet sie einen immer enger werdenden Komplex. "Der ist der Doppelrechts am Ende der Mistral-Geraden in Paul Ricard nicht unähnlich", vergleicht Bowen. In Kurve acht ist der Scheitelpunkt zudem "blind", was den Fahrern den so wichtigen Kurvenausgang nur noch mehr erschwert - denn nun beginnt die 1,4 Kilometer lange Vollgaspassage zu Beginn des zweiten Sektors. "Da gibt es zwar zwei Kurven [T9 und T10], aber es ist ein Beschleunigungs-Run, ein bisschen wir in Baku", sagt Bowen.

1,4 Kilometer Vollgas: Miami mit Baku-Flair

An dieser Stelle beginnt auch die erste von drei DRS-Zonen in Miami, genauer gesagt 67 Meter hinter Kurve neun, und erstreckt sich bis zum Bremspunkt für die erneut blinde Kurve elf. Optisches Highlight an dieser Stelle: Zunächst fahren die Autos unter einer Gondelstrecke hindurch, ehe sie dieser auf dem letzten Teilstück der Gerade parallel folgen.

Im Vollgasabschnitt im zweiten Sektor fährt die Formel 1 mit einer Gondelbahn um die Wette, Foto: LAT Images
Im Vollgasabschnitt im zweiten Sektor fährt die Formel 1 mit einer Gondelbahn um die Wette, Foto: LAT Images

Von Kurve elf versprechen sich die Designer zudem die erste gute Überholstelle. "Der Eingang ist sehr weit, ein absichtlich später Scheitelpunkt, damit es dort eine Möglichkeit gibt, dass jemand die Tür offenlässt und so ein sauberes DRS-Manöver möglich ist", sagt Bowen. Dank der neuen F1-Regeln 2022 erwartet Apex, dass die Autos in den schnellen Kurven zuvor mühelos folgen können.

Partymeile im zweiten Sektor: Hommage an Foro Sol

Unmittelbar danach ändert sich der Charakter der Strecke schlagartig. Mit den Kurven 12 bis 16 folgt ein extrem winkliges Geschlängel mit zwei weiteren blinden Kurven (12 und 14). Hier zählt vor allem mechanischer Grip - und am Ende in Kurve 16 gute Traktion, folgt direkt im Anschluss zweite mehr als einen Kilometer lange Gerade bis hin zu Kurve 17.

Die Engstelle zum Ende des zweiten Sektors soll eine Hommage an das Foro Sol in Mexiko sein. Immerhin gibt es in Miami nicht nur ebenfalls eine enge Schikane, sondern zuvor auch eine regelrechte Partymeile, "The Beach", neben der Strecke. Pools, aufgeschütteter Sand und eine große Bühne samt DJ sollen hier vor allem ein junges Publikum anlocken.

Miami: Autobahnzubringer sorgt für irre Schikane

Spannend wird es dort allerdings vor allem sportlich - weil die Infrastruktur den Streckendesigner zu einer besonderen Lösung zwang. So kreuzt ein Zubringer der nahen Schnellstraße die Strecke direkt oberhalb am Ausgang von Kurve 15. "In Kurve 13 öffnet sich zunächst der Radius und dann steigt es [für Kurve 14] an, denn genau da, wo wir den Turnpike-Zubringer kreuzen, kommt ein Straßenabschnitt mit sieben Prozent Querneigung. Deshalb geht die Strecke dort mit sieben Prozent nach oben während wir uns der Überführung nähern, unter der wir durch müssen", berichtet Bowen.

Am Ende des zweiten Sektors befindet sich die haarigste Stelle der Strecke, Foto: LAT Images
Am Ende des zweiten Sektors befindet sich die haarigste Stelle der Strecke, Foto: LAT Images

Weil in der Formel 1 oberhalb der Strecke mindestens vier Meter Abstand eingehalten werden müssen, fällt die Strecke mitten in der Schikane 14/15 direkt wieder ab. Dort entsteht somit so etwas wie ein Kamm und damit die wohl kniffligste Stelle der Strecke. Immerhin ist durch die Mischung aus Steigung und Gefälle alles blind. "Du siehst den Scheitel von Kurve 14 nicht, wenn du durch 13 fährst und wenn du durch 14 fährst, siehst du auch den Scheitel von 15 nicht sehen können", schildert Bowen. Apex hofft auf zahlreiche Fehler, die die Autos direkt vor der folgenden Highspeedpassage näher zusammenbringen können.

Formel 1 Miami: Zweimal mehr als ein Kilometer Vollgas

Immerhin geht es danach nur noch kurz bergab zu Kurve 16. "Da geht es dann nach links, aber mit sehr wenig Auslaufzone. Das hat etwas von der Wall of Champions in Montreal ... Und dann kommt schon der Ausgang und 1,2 Kilometer Gerade bis Kurve 17", sagt Bowen. Auf dieser - diesmal biegungsfreien Gerade - folgt die zweite DRS-Zone, allerdings erst 450 Meter nach Kurve 16.

Miami International Autodrome: Gleich drei DRS-Zonen weist das Layout auf, Foto: Mercedes
Miami International Autodrome: Gleich drei DRS-Zonen weist das Layout auf, Foto: Mercedes

Dennoch erscheint das mehr als ausreichend, um sich vor dem harten Bremspunkt für Kurve 17 - der zweiten exzellenten Überholstelle - anzusaugen. Diese Stelle wurde ganz bewusst als Überholpunkt ausgelegt. Nicht umsonst steht dort auch eine Tribüne mit 20.000 Plätzen. Nach der Haarnadel folgt mit den Kurven 18 und 19 eine schnelle, aber einfache Links-Rechts zum Abschluss der Runde, die noch dazu mitten im Vollgas-Scheitel von Kurve 19 in die dritte DRS-Zone mündet. Das soll in Kurve 17 überholten Fahrern eine sofortige Konter-Chance in Kurve eins bieten.

Im letzten Sektor sollen die Fans auf einer riesigen Tribüne Überholaction zu sehen bekommen, Foto: Motorsport-Magazin.com
Im letzten Sektor sollen die Fans auf einer riesigen Tribüne Überholaction zu sehen bekommen, Foto: Motorsport-Magazin.com

Insgesamt erwarten die Simulationen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 223 km/h bei einem 2022 unterdurchschnittlichen Vollgasanteil von 58 Prozent der Rundenzeit. Trotz der zwei extrem langen Geraden sollen Topspeeds von maximal 320 bis 330 km/h erreicht werden - Hintergrund sind die nötigen Setup-Kompromisse, erfordern die schnellen Kurven im ersten Sektor und die langsamen Stellen am Ende des zweiten Abschnitts doch alles andere als ein Low-Downforce-Setup.

Miami International Autodrome in Zahlen

Streckenlänge: 5,412 km
Runden: 57
Renndistanz: 308,326 km
Kurven: 19 (12 links, 7 rechts)
Vollgasanteil: ca. 58 Prozent d. Rundenzeit
Topspeed: ca. 320-330 km/h
DRS-Zonen: 3 (T8-T11, T16-T17, T19-T1)