Charles Leclerc konnte es kaum fassen. Nach einer bislang nahezu tadellosen Formel-1-Saison 2022 des Monegassen patzte der WM-Führende ausgerechnet beim ersten Heimrennen seiner Scuderia Ferrari. Beim Großen Preis der Emilia Romagna warf Leclerc vor den Augen zehntausender aufschreiender Tifosi zehn Runden vor Ende des Rennens einen zumindest sicheren dritten Platz hinter den diesmal schnelleren Red Bull von Max Verstappen und Sergio Perez weg.

Bei einem verzweifelten Versuch, Perez in der Schlussphase doch noch vom zweiten Platz zu verdrängen, hatte Leclerc es in der Variante Alta übertrieben. Hart rumpelte der F1-75 über die Kerbs, das hebelte den Boliden aus und schickte Leclerc in einen Dreher bis hinein in die Streckenbegrenzung. Glück im Unglück: Anders als sein bereits in der ersten Runde nach einem unverschuldeten Unfall mit Daniel Ricciardo ausgeschiedener Teamkollege Carlos Sainz konnte der Monegasse weiterfahren.

Charles Leclerc selbstkritisch: Wollte mehr als möglich war

Allerdings hatte sich Leclerc den Frontflügel zerstört und musste zum Wechsel an die Box. Das warf den Ferrari-Star bis auf den neunten Platz zurück. Dank nun frischer weicher Reifen gelang danach noch eine Aufholjagd bis auf den sechsten Rang - für Leclerc dennoch ein einziges Fiasko. "Ich bin von mir selbst enttäuscht. Ich wollte zu viel. Ich dachte, es gebe eine Gelegenheit mit Checo auf dieser Runde. Natürlich wollte ich deshalb in den Kurven 14 und 15 alles geben, aber ich habe zu viel gegeben und bin in der Mauer gelandet", klagt Leclerc über seinen eigenen Fehler.

Bereits am Start fiel Leclerc hinter beide Red Bull, Foto: LAT Images
Bereits am Start fiel Leclerc hinter beide Red Bull, Foto: LAT Images

"Das war heute voll und ganz meine Verantwortung. Ich bin enttäuscht und werde mir genau ansehen, was ich auf dieser Runde falsch gemacht haben. Das Auto ist komisch gesprungen, aber das ist keine Entschuldigung", ergänzt Leclerc. "Dieser Dreher hätte heute nicht passieren dürfen." Er habe allerdings nicht einsehen wollen, dass P3 an diesem Sonntag das Maximum gewesen sei. "Wir hatten heute nicht die Pace für mehr. Und ich war zu gierig und habe den Preis dafür gezahlt - und verglichen mit meinem vorherigen dritten Platz sieben potentielle Punkte verloren", hadert Leclerc.

Formel 1 Imola: Leclerc trauert verlorenen WM-Punkten nach

"Und das sind sieben Punkte, die am Ende der Meisterschaft natürlich sehr wichtig werden. Das sollte nicht wieder passieren", sagt Leclerc. Umso dramatischer fühlt sich der Verlust für Leclerc an, weil Red Bull in Imola plötzlich klar schneller auftrat. "Sie sind sehr stark und dieses Wochenende auch stärker als wir gewesen. Das müssen wir verstehen und reagieren. P3 war heute das Beste, was wir ausrichten konnten. Ich hätte aber auch Dritter werden müssen, wurde es aber nicht", sagt Leclerc.

"Wir hatten in Bahrain und Australien die Oberhand und sie hatten sie dieses Wochenende und in Jeddah. Also ist es sehr, sehr eng und ich denke, dass es so auch die restliche Saison bleibt", sagt Leclerc. Immerhin eine Lehre hat der Monegasse sofort aus seinem Fehler gezogen. "Deshalb ist jeder kleine Fehler ... und das war sogar ein großer, hätte aber noch viel größere Folgen haben können. Heute waren es nur sieben Punkte, aber es könnte beim nächsten Mal mehr kosten. Also muss ich da vorsichtig sein", sagt der Ferrari-Pilot.

Ferrari-Teamchef von Red Bulls Pace nicht alarmiert: War kein Weckruf

Teamchef Mattia Binotto spricht angesichts der Schadensbegrenzung sogar von einer Mischung aus Enttäuschung und Glück. "Wir hätten für die Tifosi gerne ein besseres Ergebnis geliefert. Aber manchmal ist es eben so", sagt der Italiener bei ServusTV.

Von einem Weckruf will Binotto angesichts der auch dank Upgrades besseren Performance Red Bulls nicht sprechen. "Das war kein Weckruf, denn wir tun das sowieso", antwortet Binotto auf Nachfragen, ob nun nicht auch Ferrari neue Teile brauche. Dennoch müsse man nun erst einmal das nächste Rennen in Miami abwarten. Leclerc gibt sich alarmierter. "Nur die Zeit wird uns sagen, wie groß Red Bulls Schritt war. Aber ganz sicher scheinen sie jetzt konkurrenzfähiger als in den ersten drei Rennen - oder ähnlich wie in Jeddah", sagt der Monegasse.

Ferrari in WM-Wertung nur noch knapp vor Red Bull

In beiden WM-Wertungen verteidigte Ferrari zumindest die Führung. Allerdings schmolz der Vorsprung deutlich zusammen. Insbesondere bei den Konstrukteuren liegt Red Bull nach einer nahezu perfekten Ausbeute an diesem Sprint-Wochenende nur noch elf Zähler hinter der Scuderia. Auf Verstappen verfügt Leclerc zumindest noch über ein Polster von 27 Punkten.