Die Szenen während des Qualifyings zum Großen Preis der Emilia Romagna 2022 in der Mercedes-Garage sprachen Bände. Lewis Hamilton und Toto Wolff diskutierten nach dem Aus in Q2 ungewöhnlich gestenreich. Der Rekordsieger der Formel 1 wollte später nicht allzu genau auf die Meinungsverschiedenheit eingehen: "Das ist intern. Aber es gibt Dinge, die wir anders hätten machen sollen."

Mercedes erlebte in Imola eine historische Schlappe. Zum ersten Mal seit Japan 2012 qualifizierten sich beide Silberpfeile außerhalb der Top-10. Damals fuhren noch Michael Schumacher und Nico Rosberg für Mercedes.

Auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari erging es Schumachers Mercedes- und Rekordnachfolger Lewis Hamilton und Youngster George Russell ähnlich schlecht. Startplatz 11 für Russell, Startplatz 13 für Hamilton. Das Mercedes-Debakel war eine Mischung aus Pech und schlechter Performance.

Das Grundproblem des W13 ist der Umgang mit den Reifen. Der Silberpfeil tut sich schwer damit, die Pirelli-Pneus ins richtige Arbeitsfenster zu bekommen. Deshalb hat Mercedes in dieser Saison speziell Probleme im Qualifying. Im Renntrimm funktioniert der Bolide dann wieder einigermaßen.

In Bahrain war das Problem nicht dramatisch, weil die Strecke das Aufwärm-Problem kaschiert. In Dschidda und Melbourne wurde es schon problematischer, in Imola schließlich durch die kühlen und teils regnerischen Bedingungen offensichtlich.

Schlimmes Bouncing ließ bei Mercedes die Funken sprühen, Foto: LAT Images
Schlimmes Bouncing ließ bei Mercedes die Funken sprühen, Foto: LAT Images

"Wir wissen aber noch nicht genau, warum wir dieses Problem haben", zeigte sich Strecken-Chefingenieur Andrew Shovlin leicht frustriert. Mangelnden Abtrieb schließt er aber aus: "Ich würde nicht sagen, dass wir weniger Abtrieb als andere Teams im Mittelfeld haben."

Die Ingenieure haben die Bremsbelüftung im Verdacht. Über die Bremsen wird schließlich über die Felge auch der Reifen aufgeheizt. Die Regeln haben sich dahingehend 2022 gravierend geändert. Die Teams haben aerodynamisch deutlich weniger Möglichkeiten, das Ziel zu erreichen und durch den größeren Reifendurchmesser ist der Abstand zwischen Bremsanalage und Felge größer.

"Wir wissen aber nicht, ob es daran liegt oder ob die Art und Weise, wie wir unser Fahrzeug abstimmen, das Problem ist", wirft Shovlin ein. Zu den Problemen gesellten sich dann noch Fehlentscheidungen und Pech, die alle mit dem Reifenthema in Verbindung stehen.

Hamilton wollte mehrere Runden am Stück fahren, um die Reifen auf Temperatur zu bringen. Mercedes aber holte Hamilton an die Box, um frische Pneus aufzuziehen. Durch die Unterbrechung nach dem Sainz-Unfall ging der Plan nicht auf, weil es anschließend wieder zu regnen begann. Kein Pilot konnte sich deshalb nach der Wiederaufnahme verbessern.

Abgeschrieben hat man das Wochenende beim Rekordweltmeister noch nicht. Vor allem George Russell ist guter Dinge. "Wenn es ein gutes Wochenende dafür gibt, nicht da zu sein, wo wir sein wollen, dann ist es ein Sprint-Wochenende", so der Brite, der die Erklärung hinterherschickt: "So haben wir noch die Möglichkeit, ein paar Startpositionen gutzumachen."

Bei der Rennpace ist Mercedes optimistisch. Sind die Pneus einmal auf Temperatur, funktioniert der W13 in aller Regel wieder besser als die restlichen Mittelfeld-Autos. Im Rennen waren die Silberpfeile bislang dritte Kraft hinter Ferrari und Red Bull - im Qualifying nur in Bahrain.

Da funktioniert der Benz nicht nur, er kann sogar seinen Vorteil des besseren Reifenverschleiß' ausspielen. Das könnte schon im Sprint funktionieren, glaubt Russell: "Es gibt genügend Runden dafür, dass die Reifen abbauen und um da besser zu sein, als die Konkurrenz." Mercedes kann es sich entweder erlauben, mit weicheren Reifen zu starten oder mit gleichen Reifen schließlich einen Vorteil in der Schlussphase zu haben. Reifenwechsel, die die Probleme der Konkurrenz kaschieren könnten, sind im Sprint nicht angedacht.