Die Formel 1 kehrt 2023 in die berühmte Glücksspieler-Stadt zurück - ja, zurück, denn zwei Mal hat sich die Weltmeisterschaft schon in der Wüste von Nevada versucht. Und mehrmals sich schon um ein Comeback bemüht.
Nun hat sie es, nach vierzig Jahren, tatsächlich geschafft. Sie hat einen Fehlschlag wettzumachen - denn wer nach Las Vegas reist, der tut das, um den Glamour der Glücksspielstadt zu erleben. Nicht aber, um 75 Runden über einen graubraunen, zubetonierten Parkplatz vor Wüstenhintergrund zu heizen. Zweimal hatte sich die Formel 1 Glitzer und Glamour in Las Vegas erhofft, zweimal - 1981 und 1982 - hatte sie hier sogar ihr Saisonfinale ausgetragen. Beide Male wurde hier auch die Weltmeisterschaft entschieden. Der offizielle Name, "Caesars Palace Grand Prix", alles klang besser, größer und dramatischer, als es schließlich ausging.
Ecclestone, Las Vegas, Formel 1 und Gambling - Traumquartett?
"Es war eines dieser Dinge, die einfach passiert sind", rezitierte der damalige F1-Chefpromoter Bernie Ecclestone am Vorabend des ersten Rennwochenendes die Entstehungsgeschichte des Rennens in einer Dokumentation für das britische ITV. "Ich bin gut Freund mit den Leuten von Caesars Palace, und die haben alle großen Sportevents ausgerichtet. WM-Kämpfe, Golf, Tennis. Ich sagte ihnen, sie sollten einen Grand Prix abhalten."
Die US-Traditionsstrecke Watkins Glen war nämlich aus dem Kalender geflogen. Ecclestone, auf der Suche nach spektakulärem Ersatz, wollte ein zweites Stadtrennen wie das populäre Long Beach in Los Angeles, und fand mit dem Management des berühmten Vegas-Casinos "Caesars Palace" willige Partner. Die hofften, ein Mega-Event wie ein Grand Prix würde reiche Gambler in die Stadt locken.
Der Deal kam, so schreibt Terry Lovell in seiner Ecclestone-Biografie, in Rekordzeit zustande, nachdem sich Ecclestone und die Casino-Manager trafen. Caesars Palace lieh dem Event den Namen, und stellte seinen gigantischen Parkplatz zur Verfügung. Ecclestone entsandte die F1 zum Saisonfinale.
Formel 1 fährt zwei WM-Showdowns in Las Vegas
Nur bot der Parkplatz nicht den Glamour und Flair des Luxus-Casinos. Auf den welligen Parkplatz wurde ein 3,65 Kilometer langer, viel zu enger Betonkanal gequetscht, dem die Fahrer nichts abgewinnen konnten. Vom ersten Training an beschwerten sie sich. Flach, fad, schwindelerregend, und aufgrund der Hitze körperlich unverhältnismäßig anstrengend. "Es war wohl der am wenigsten ansprechendste Grand-Prix-Kurs, auf dem ich je gefahren bin", rekapitulierte der damalige F1-Pilot John Watson gegenüber CNN.
Unabhängig davon wurde 1981 zu einem dramatischen WM-Finale. Williams-Pilot Carlos Reutemann führte in der Tabelle mit einem Punkt Vorsprung vor Brabham-Pilot Nelson Piquet. Die beiden gerieten schon vor dem Rennen aneinander, als Reutemann, der sich die Pole holte, Piquet über das Hinterrad sprang.
Der WM-Kampf wurde aber sauber ausgetragen. Berühmterweise. Reutemann kam beim Start nicht weg, Williams-Kollege Alan Jones - der vor dem Rennen seinen Rücktritt verkündet hatte - ging vorbei, in Führung, und gewann mit 20 Sekunden Vorsprung vor Alain Prost im Renault und Bruno Giacomelli im Alfa. Reutemann erlebte ein berühmtes Desaster - er rutschte schnell auf Rang sieben ab, außerhalb der Punkte und direkt vor dem ebenfalls zurückgefallenen Piquet.
Reutemann, der nur vor Piquet hätte bleiben müssen, lieferte dann erstaunlich wenig Gegenwehr, als sein WM-Kontrahent zum Angriff überging. Piquet startete sofort eine Aufholjagd, kämpfte sich, im Cockpit erbrechend, fast bis zum Hitzekollaps zurück auf Rang fünf, holte die zwei nötigen Punkte und damit die WM. Reutemann beendete das Rennen auf Rang acht mit einer Runde Rückstand. Im nächsten Jahr erklärte er seinen Rücktritt.
Auch die 1982er-Ausgabe brachte eine WM-Entscheidung. Damals übrigens als drittes US-Rennen in einem Jahr, die Idee der US-Expansion ist also keineswegs eine des neuen Managements. Die hatte auch schon Ecclestone. Keke Rosberg im Williams hatte 1982 ausreichend Vorsprung auf John Watson im McLaren, sodass Watson das Rennen gewinnen und hoffen musste, dass Rosberg nicht punktete. Daraus wurde nichts - Renault kontrollierte mit Alain Prost und Rene Arnoux anfangs das Rennen, ehe Arnoux ausfiel und Prost Reifenprobleme erlitt.
Michele Alboreto fing Prost so am Ende ab. Watson schaffte immerhin eine Aufholjagd bis auf Platz zwei, aber Rosberg war dank Ausfälle bereits auf Platz fünf sicher Weltmeister. Einer der Ausfälle war übrigens Mario Andretti. Der Amerikaner und Weltmeister war bei Ferrari als Ersatzmann für zwei Rennen wiedergekehrt, und beendete seine Karriere mit Ausfall nach Aufhängungsbruch.
Las Vegas als kapitaler Formel-1-Fehlschlag
All das WM-Drama konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie übel Autorennen auf dem seelenlosen Parkplatz waren. Die finanziellen Erwartungen erfüllten sich nicht, denn Zuschauer und TV-Partner zeigten Desinteresse, sich die optisch grauenvolle Hitzeschlacht anzutun. Immerhin - einige F1-Fahrer sollen in den Casinos ihr Geld gelassen haben. "Wie jeder war ich ein Opfer", witzelte der 1981er-Sieger Alan Jones, der 1.500 Dollar an den Spieltischen verlor, bevor er aufhören konnte. Mario Andretti: "Es gab immer Gespräche darüber: 'Oh ja, ich habe 25.000, 30.000 Dollar verloren oder gewonnen. Solche Dinge."
Der Parkplatz von Caesars Palace sah noch zwei IndyCar-Rennen, dann nichts mehr. Heute steht dort ein Shoppingcenter. Die Formel 1 zog weiter. Ecclestone wollte seinen Las-Vegas-Traum aber nicht ganz aufgeben. Auf dem berühmten "Strip", der Hauptstraße, entlang der Casinos zu fahren erschien ihm wie ein garantierter Erfolg. In den 1990ern verhandelte er mit Casino-Inhaber Steve Wynn, wurde berühmterweise bei einem Treffen vor dem Saisonstart 1997 dabei von einem Hund angefallen.
Weder 1997, noch 2006 und 2016 erneut angestoßene Verhandlungen brachten das große Vegas-Strip-Nachtrennen. Wie nicht wenige der Ideen der Ära Ecclestone schaffte es aber auch der Las-Vegas-Traum mit zu den neuen F1-Eigentümern Liberty Media, die ihn für 2023 endlich wahrmachten. In genau der Form von Ecclestones kühnsten Träumen: Nachtrennen im Stadtzentrum.
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