Nur vier Runden fehlten Charles Leclerc beim Großen Preis von Saudi-Arabien, um auch das zweite Rennen der Formel-1-Saison 2022 für sich zu entscheiden. Nach einem rundenlangen Duell mit Max Verstappen auf höchstem Niveau musste sich der Ferrari-Pilot dem amtierenden Weltmeister im 46. Umlauf schließlich doch noch beugen. Zwei große Attacken Verstappens hatte Leclerc zuvor pariert, gegen die letzte war der weiterhin WM-Führende dann machtlos. Die Schlüsselrolle dabei spielte das DRS.

Aber der Reihe nach. Anders als in Bahrain hatte Leclerc das Rennen in Jeddah nicht von Start weg angeführt. Da behauptete Sergio Perez zunächst souverän seine Pole Position. Den gesamten ersten Stint über folgten Leclerc und Verstappen dem Mexikaner ohne jedwede Angriffschance. "Der erste Stint war etwas schwieriger, aber da habe ich meine Mediums gut gemanagt. Es war nicht leicht, an Checo dranzubleiben", schildert Leclerc.

Formel 1 Saudi-Arabien: Leclerc staubt Führung ab

Mit einer gehörigen Portion Rennglück spülte es den 24-Jährigen dann beim ersten Boxenstopp vorbei am Mexikaner. Und das nicht, weil Ferrari Red Bull mit einer Finte ausgetrickst hatte. "Wir wollten das Gegenteil von dem machen, was Checo vorne macht", sagt Leclerc. Zuvor hatte es am Boxenfunk große Diskussionen geben, ob Leclerc in Runde 15 kommen sollte. Auch die Ferrari-Crew stand bereits bereit zum Stopp. Das ist nur erlaubt, wenn der Stopp auch tatsächlich geplant ist. War er auch, aber nur wenn Perez weitergefahren wäre. Doch der Mexikaner kam zum Service. "Er ist in dieser Runde an die Box und ich glaube, wir haben uns da richtig entschieden."

Ob der Overcut tatsächlich die richtige Wahl gewesen wäre, werden wir allerdings nie erfahren. Richtig wurde die Entscheidung, weil nur Momente nach dem Stopp Perez' Nicholas Latifi crashte und ein Safety Car heraufbeschwor. So konnte Leclerc in der folgenden Runde zeitsparend auf harte Reifen umstecken und übernahm die Führung. Perez war das große Opfer - bis auf den vierten Platz fiel der Mexikaner zurück.

Leclerc hält Verstappen in Schach - bis zum VSC

In der zweiten Rennhälfte musste es Leclerc deshalb mit Verstappen als erstem Verfolger aufnehmen. "Aber auf dem Hard fühlte es sich gut an", berichtet Leclerc. Rundenlang schien der Sieger ausgemacht. Dann kam alles anders. "Sobald ich mal einen Vorsprung hatte, konnte ich die Lücke zu Max halten. Aber dann kam das VSC und sobald er ins DRS gekommen ist, wurde alles kniffliger", schildert der Ferrari-Fahrer jene Phase in der Fernando Alonso und Daniel Ricciardo in der Boxeneinfahrt ausrollten und das Rennen neutralisierten.

Bei Wiederfreigabe des Rennens in Runde 40 kam Verstappen plötzlich sehr viel besser zurecht als Leclerc - und schien auch einen Teil seines ohnehin schon geringen Rückstands aufgeholt zu haben. "Ich habe zu einem Zeitpunkt gedacht, dass Max näher dran war. Ich denke aber nicht, dass das beim eigentlichen Re-Start noch der Fall war. Das müssen wir uns aber ansehen", sagt Leclerc.

Formel 1: Leclerc kontert zwei Verstappen-Attacken

Einmal im Fenster für den Einsatz des Klappflügels wurde Verstappen schnell zu einer großen Bedrohung. Schon in der ersten Kurve der 42. Runde zeigte sich der Niederländer erstmals. Vor der letzten Kurve, der schnellsten Stelle der Strecke, flog Verstappen dann spielerisch vorbei am Ferrari. Doch Leclerc hatte sich auch nicht verteidigt. Ganz bewusst. "Ich wusste, dass Max' und Red Bulls Stärke dieses Wochenende der Speed auf den Geraden ist. Ich wusste, dass Max mich leicht überholt, wenn er auf der Hauptgeraden mit DRS hinter mir ist", schildert Leclerc. "Deshalb wollte ich das DRS."

Formel 1, Harte DRS-Tricks: Verstappen trickst Leclerc aus!: (26:46 Min.)

Der Clou: Verstappen hatte Leclerc vor der letzten Kurve schon vor jener Linie überholt, die das DRS für die folgende Hauptgerade vergibt. So durfte Leclerc auf Start/Ziel seinerseits den Flügel aufklappen - und nutzte das eiskalt zum Konter aus. "In der ersten Runde habe ich früh gebremst, um ihn vor Kurve eins zurück zu überholen", sagt Leclerc. Nur eine Runde später hatte Verstappen aus dieser Erfahrung gelernt. "Beim zweiten Mal wusste Max das, deswegen haben wir beide früh gebremst, aber ich blieb nochmal vorne", berichtet Leclerc. Vor der letzten Kurve wieder neben Leclerc, bremste der Niederländer plötzlich extrem früh und hart. Rauch stieg auf. Der Verbremser brachte Verstappen zwar das DRS, aber auch einen zu großen Rückstand auf Leclerc, der die letzte Kurve viel sauberer erwischte, um anzugreifen.

Leclerc gegen überlegenen Red-Bull-Topspeed chancenlos

Der dritte und letzte Versuch in Runde 46 sollte dann funktionieren. Diesmal hatte Verstappen sich vor der letzten Kurve ganz vorsichtig direkt hinter Leclerc positioniert - und schlug auf der folgenden Geraden erbarmungslos zu. "Das dritte Mal hat es dann nicht mehr funktioniert. Ich habe mein Bestes gegeben, um die Position zu halten, aber es war heute einfach nicht möglich", sagt Leclerc.

Völlig wehrlos bis zum nahenden Rennende war der Monegasse jedoch nicht. Leclerc blieb dran an Verstappen, wollte mit einem ähnlichen Manöver wie zuvor der Niederländer kontern. Doch gerade als Leclerc sich in Position gebracht hatte kollidierten in Kurve eins Alexander Albon und Lance Stroll. Der Williams blieb stehen. Gelbe Flaggen. Überholverbot. "Da kam diese gelbe Flagge, sonst hätte ich in Kurve eins vielleicht noch eine Chance haben können", ärgert sich Leclerc. "Das war schade, gehört aber dazu. Wir versuchen es beim nächsten Rennen wieder."

Leclerc trotz Enttäuschung: Das hat Spaß gemacht!

Als fairer Verlierer zeigte sich der Monegasse nach dem Rennen, gratulierte und lobte Verstappen sogar. "Den Kampf habe ich auf alle Fälle genossen. Enttäuschend, den Sieg so spät im Rennen zu verlieren, aber der Kampf hat Spaß gemacht", schwärmt Leclerc. "Dieses harte und faire Racing. Jedes Rennen sollte so sein. Aber natürlich ist enttäuschend, denn ich wollte den Sieg heute. Es war ziemlich schwierig, Max auf den Geraden hinter mir zu halten. Er hat einen guten Job gemacht, das war ein cooles Rennen!"