Für Mercedes bestätigten sich in den Freien Trainings zum Bahrain-GP 2022 am Freitag die bösen Vorahnungen der Wintertestfahrten. An der Spitze scheinen Lewis Hamilton und George Russell im Mercedes F1 W13 derzeit nichts zu melden zu haben. Sowohl Ferrari als auch Red Bull erweckten den klar schnelleren Eindruck, nicht nur im Klassement, sondern noch mehr auf den Longruns. Eine halbe Sekunde fehle auf Ferrari, bis zu neun Zehntel auf Red Bull, so Hamilton. Russell wittert sogar eine Gefahr von Teams wie Alfa Romeo und AlphaTauri.

"Auf gewisse Weise sind wir schon überrascht", gesteht Toto Wolff. Am Tag nach dem bitteren Auftakt in Sakhir muss der Mercedes-Teamchef zugegen: "Wir haben uns Erwartungen gesetzt und konnten diese bislang nicht erreichen." Jetzt gehe es schlicht um die Analyse, warum es so gekommen sei."

Wolff: Mercedes kann sich da herausbringen

Nicht überrascht zeigt sich der Österreicher jedoch davon, dass es potentiell immer so kommen konnte. "Jedes Jahr gehen die Punkte auf null und besonders in einer Saison mit derart großen Regeländerungen kannst du keinen Anspruch auf welche Performance auch immer haben", sagt Wolff. "Jetzt müssen wir das besser verstehen und Im Qualifying und Rennen werden wir dann wirklich wissen, wo wir stehen."

Selbst bei einem Misserfolg sei nichts verloren. "Wenn es nicht gut genug ist, wird dieses Team beweisen, dass wir uns aus einer Nicht-Performance herausbringen können", versichert Wolff. Das sei Mercedes bereits mehrfach gelungen - wenngleich nicht auf einem derartigen Niveau. "Wir wissen, dass wir es schon einmal gemacht haben. Es ist eine Herausforderung, aber du musst das Positive sehen. Alles, was wir jetzt lernen, macht uns in Zukunft stärker. Und diese Regeln sollen eine Weile bleiben [bis 2025]", sagt Wolff. Auch Lewis Hamilton sprach bereits davon, derart große Probleme wie derzeit habe es in all den Vorjahren nie gegeben.

Mercedes erwartet auch schnelle Lösungen

Auch für 2022 sei noch nichts verloren, so Wolff. Selbst dann, wenn die ersten Saisonrennen alles andere als wunschgemäß verlaufen sollten. Immerhin könne auch die Konkurrenz Rückschläge erleiden. "Selbst wenn du ein oder zwei Rennen verlierst und nicht auf dem Podium landest, ist niemand vor Ausfällen oder Unfällen geschützt. Das hat auch letztes Jahr eine große Rolle gespielt", sagt Wolff.

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Aus eigener Kraft rechnet der Mercedes-Teamchef ebenfalls mit einer durchaus kurzfristigeren Lösung - zumindest für Teile der Defizite - als Hamilton. "Ich glaube, dass es einfach Lösungen gibt, um die Performance wieder hinzubekommen", sagt Wolff. Das noch immer lästige, am Silberpfeil stark ausgeprägte Bouncing-Phänomen sei dabei nur eine von gleich fünf oder sechs Baustellen, über die viel Performance zu gewinnen sei. "Das ist einfach einer der Faktoren", sagt Wolff.

Formel 1: Viele Baustellen am Mercedes F1 W13

Woran es sonst noch hapert? Fast überall, klagt Wolff: "Es ist einfacher zu sagen, was funktioniert. Denn das ist weniger. Wir müssen alles am Auto ansehen. Aero, Gewicht, Power Unit - alles. In der Formel 1 ist es nie nur eine Lösung." Das klingt aufwendig, dramatisch. "Es gibt aber tiefhängende Früchte, die wir schon für die nächsten Rennen angehen können, was die Gesamtperformance verbessern wird", beruhigt der Österreicher. "Und dann gibt es mittelfristig komplexere Dinge. Beides gehen wir an."

Allzu schlecht sei die Stimmung im Mercedes-Lager wegen der Probleme nun nicht, versichert Wolff. "Natürlich wären wir lieber eine Sekunde schneller als alle anderen und würden im Sonnenuntergang verschwinden. Aber das ist gerade nicht der Fall", sagt Wolff. Deshalb gelte es nun, ruhig zu bleiben und alles nachzuvollziehen.

Wolff: Kräfteverhältnis von 2021 ist Geschichte

Zu einem Schluss ist Mercedes schon gekommen: Die neuen Regeln haben tatsächlich Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis. Wolff: "Es ist klasse zu sehen, wie Freds [Vasseur] und Laurents [Rossi] Teams [Alfa Romeo & Alpine] in den Trainings voll dabei sind. Die Regeln wurden gemacht, um das Feld zusammen zu bringen. Und das ist passiert." 2022 könne alles ganz anders sein als zuvor. "Denkt nicht, dass die Hackordnung von 2021 auch die Hackordnung von 2022 sein wird. Das wir schon und daran müssen wir uns jetzt gewöhnen", sagt Wolff.