Mercedes sieht sich nach dem Freitag der Formel 1 in Bahrain mit dem Rücken zur Wand. Für Lewis Hamilton und George Russell bestätigte sich in den Trainings der Eindruck von den Testfahrten. In beiden Sessions fehlte dem Weltmeisterteam der Anschluss an die Spitze. Die Stimmung der Fahrer scheint schon vor dem ersten Rennen am Tiefpunkt. Langsamer Mercedes kein Bluff. Red Bull und Ferrari deutlich schneller. Selbst Mittelfeldteams eine Bedrohung.

"Ihr könnt sehen, dass wir sehr weit weg sind. Wir bluffen nicht wie vorher, oder wie die Leute es angenommen haben", stellt Hamilton nach den ersten beiden Sessions der neuen Formel-1-Saison auf dem Bahrain International Circuit klar. Der Rekordweltmeister war im FP1 nur Siebter und landete am Abend gar nur auf Rang neun. Über eine Sekunde Rückstand auf Red-Bull-Pilot Max Verstappen treiben ihn zur Verzweiflung.

"Ich kann da wirklich gar nichts machen, es ist das Auto. Ich habe versucht das Setup zu verbessern, aber das Setup ist nicht das Problem", so der 37-Jährige, der dieses Jahr seine zehnte Saison für Mercedes absolviert und sich mit einer Ausgangslage konfrontiert sieht, die er so noch nie erlebt hat.

Hamilton sieht keine kurzfristige Lösung der Probleme

Selbst im Vorjahr, als das Team sein Standing als Dominator verlor, war die Lage für ihn nicht im Ansatz so dramatisch. "Wir hatten kleine Probleme in der Vergangenheit, verglichen mit diesem Jahr waren es sehr viel kleinere Probleme und wir sind jetzt mit sehr viel größeren Problemen konfrontiert", sagt Hamilton. "Und alles was wir versuchen, um das zu beheben, ändert daran nicht wirklich etwas. Es scheint hier eine langfristige Lösung geben zu müssen, da gibt es nichts Kurzfristiges."

Für seinen neuen Teamkollegen war der Trainingsauftakt ebenfalls ein böses Erwachen. Nach drei Jahren mit Williams steht Russell bei Mercedes gleich einer Krisensituation gegenüber. "Wir geben gerade wirklich alles, um das Potential zu entfesseln, von dem wir glauben, dass es da ist. Aber wir kommen da gerade einfach nicht hin. Alles was wir versuchen, ist vielleicht ein Schritt nach vorne aber zwei nach hinten", so Russell.

Russell desillusioniert: Selbst AlphaTauri und Alfa Romeo schneller

Der 24-Jährige kam als Vierter in beiden Trainings deutlich besser zurecht als Hamilton. Am Abend hatte er dennoch knapp sechs Zehntelsekunden Rückstand auf die Bestzeit von Verstappen. Doch selbst dieser Rückstand trügt für ihn über das wahre Kräfteverhältnis hinweg: "Das ist nur eine Runde. Da kann man nicht zu viel hineininterpretieren. Ich denke, die Pace mit viel Benzin ist repräsentativer und da sind wir konstant eine Sekunde langsamer als unsere Rivalen."

Hamilton beziffert den Rückstand auf Red Bull und Ferrari ähnlich: "Ich bin im Moment nur realistisch, wie ich es euch letzte Woche gesagt habe. Wir fahren hier nicht um den Sieg. Wenn man auf Red Bull schaut, sind sie weit vor uns, so im Bereich von acht bis neun Zehntelsekunden. Ferrari ist wahrscheinlich rund eine halbe Sekunde oder sechs Zehntelsekunden vorne. Also fahren wir gegen wen auch immer dahinter."

Russell erwartet sogar, dass er im Mercedes gegen das gleiche Team kämpfen muss, mit dem er sich als Williams-Fahrer auseinandersetzte. "Wir sind so weit hinter Red Bull und Ferrari, und selbst AlphaTauri und Alfa Romeo scheinen unsere Pace zu haben oder sogar schneller zu sein", so seine Mutmaßung.

Durchhalteparolen bei Hamilton

Mercedes war bei Hamilton und Russell in den Sessions mit unterschiedlichen Setups zugange, doch keines brachte den erhofften Durchbruch. Hamilton sah sowieso keine Basis, Vergleiche zu ziehen: "Ich habe nicht geschaut, was an Georges Auto gemacht wurde. Wir haben unterschiedliche Dinge versucht aber ich habe es bei ihm nicht verfolgt. Ich habe mich auf meine eigenen Probleme konzentriert."

Hamilton kämpfte vor allem mit Bremsproblemen. Die Temperatur der rechten Vorderradbremse war deutlich höher als die der linken, weshalb die Bremsleistung ungleichmäßig übertragen wurde und der Brite in der Anbremsphase keine Stabilität vorfand. Er wertete dieses technische Problem als ein kleines Übel verglichen mit den konzeptionellen Problemen das W13.

Dem Frust über diesen Zustand will er um jeden Preis trotzen: "Meine Einstellung ist immer noch, zu versuchen mein Bestes zu geben und das Maximum aus dem Auto zu holen. Es ist nicht ideal, aber es ist wie es ist. Wir müssen als Team zusammenstehen und versuchen, das in Ordnung zu bringen."