6,174 Kilometer purer Adrenalinrausch - das ist der neue Jeddah Corniche Circuit. Die Formel 1 trainierte am Freitag erstmals auf der brandneuen Rennstrecke in Saudi Arabien, wo der WM-Kampf zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton, zwischen Mercedes und Red Bull in die vorletzte, womöglich sogar letzte Runde geht.

Mercedes ging als Favorit in das Wochenende. Der Vollgas-Anteil des neuesten Stadtkurses sollte den starken Mercedes-Motor bevorzugen. Hamilton legte in beiden Trainings vor, fuhr zweimal Bestzeit. Allerdings war Verstappen nicht weit weg vom amtierenden Weltmeister.

Am Nachmittag fehlte ihm eine halbe Zehntelsekunde, am Abend knapp zwei Zehntel. Wieder einmal machten die Silberpfeile zwischen den ersten Trainings den größeren Sprung. Hamilton lobte die Setup-Änderungen zwischen den Sessions, Verstappen haderte eher damit.

Red Bull erleichtert - Keine Mercedes-Überlegenheit auf Geraden

"Auf eine Runde sind wir im Vergleich nicht so rasant", erklärte Hamilton - der schließlich noch immer Trainingsschnellster war. Der kleine Rückstand macht aber auch Red Bull Hoffnung. "Es gibt zu wenig geradeaus", freut sich Red Bulls Dr. Helmut Marko angesichts der prognostizierten Mercedes-Überlegenheit auf den Geraden.

Red Bull hält sich am Freitag erfahrungsgemäß bei der Motorleistung zurück, doch Mercedes hatte die angekündigte "Rakete" im Heck von Hamilton ebenfalls noch nicht gezündet. Der Brite fuhr mit einem älteren Motor und nicht mit dem Aggregat, das beim Brasilien GP erstmals eingesetzt wurde und in Dschidda am restlichen Wochenende seinen Dienst verrichten soll.

Bei den Topspeeds wird Red Bull noch nachlegen können und müssen. Verstappen wurde 'nur' mit 320,1 Stundenkilometern gemessen. Das reichte nur für Platz 19 im Ranking. Hamilton hingegen landete mit 326,1 Sachen auf Rang fünf der Liste.

Red Bull und Mercedes hadern mit Softs: Fehlendes Vertrauen?

Eine Besonderheit machte Mercedes und Red Bull zu schaffen: Beide hatten Probleme damit, das Maximum aus den Soft-Reifen herauszuholen. Auf dem Papier sollen die Softs rund drei Zehntel schneller sein als die Mediums. Mercedes fand im 2. Training gar keine Zeit darauf, Verstappen erst unwesentlich beim dritten Versuch.

Bei Pirelli glaubt man, dass die weiche Reifenmischung den Fahrern nicht das nötige Vertrauen gibt, weil sich die Gummipartikel an der Reifenoberfläche untereinander verschieben. Bei Geschwindigkeiten von bis zu 330 Stundenkilometern im Mauerdschungel von Dschidda ist Vertrauen das A und O. Je härter der Reifen, desto weniger verschieben sich die Gummi-Partikel in der Lauffläche. Die Reifen vermitteln ein direkteres Gefühl.

Max Verstappe hatte auf den Longruns zu kämpfen, Foto: LAT Images
Max Verstappe hatte auf den Longruns zu kämpfen, Foto: LAT Images

Mercedes mit Longrund-Vorteil: Verstappen fehlt eine Sekunde

Zwei Zehntel auf die lange Runde in Saudi Arabien beunruhigen Red Bull am Freitag nicht. Dafür aber die Longrun-Performance. Vor allem bei Lewis Hamilton lief es wie am Schnürchen. Der Brite landete am Ende des Tages bei einem anderen Setup als Teamkollege Valtteri Bottas, der auf eine Runde aber auf 0,061 Sekunden an den Weltmeister herankam.

Bei Mercedes wurden die Longruns aufgeteilt: Bottas fuhr Soft, Hamilton Medium. Hamiltons Medium-Run versetzt die Konkurrenz in Angst und Schrecken. "Bei uns war es nicht so gut", meint Marko ganz offen.

Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Bottas1331:34,806
Sainz1341:34,975
Ricciardo1251:35,203
Alonso1371:35,276
Vettel1461:35,451
Tsunoda1141:35,858

Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Hamilton1661:33,993
Leclerc1541:34,574
Ocon1431:34,582
Verstappen1231:35,068
Perez1441:35,152
Norris911:35,300
Räikönen1421:35,425
Latifi1461:35,887
Stroll1681:35,899
Mazepin1141:36,635

Longruns auf Hard

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Russell1471:34,874
Gasly1321:35,056
Giovinazzi1551:35,266
Schumacher1371:35,935

Auch wenn die Longruns aufgrund der Rot-Phase von Charles Leclerc etwas beschnitten wurden, so gibt es dennoch ein paar relevante Zeiten. Auf dem Medium-Reifen war Verstappen eine satte Sekunde langsamer als Hamilton.

Interessant dabei: Die gesamte Zeit verlor Verstappen dabei Runde für Runde ausschließlich im ersten Sektor. Dort macht sich das Gewicht besonders bemerkbar. "Aber daran liegt es nicht", winkt Marko ab. Der Doktor gibt sich stattdessen mystisch: "Bei Max ist etwas aufgetreten, das wir erst klären müssen."

Der Hoffnungsschimmer für Red Bull heißt Simulator. Zwar schienen die Vorab-Simulationen der Teams relativ akkurat gewesen zu sein, dennoch gibt es auf einer neuen Rennstrecke noch mehr Optimierungspotential bei den Simulationen als auf Strecken, die den Teams besser bekannt sind.