Nach den ersten beiden Trainings der Formel 1 in Saudi-Arabien sprach das ganze Fahrerlager noch immer davon, wie wenig Spielraum für Fehler der Highspeed-Betonkanal des Jeddah Corniche Circuits bot. Trotzdem schafften sie es fast ohne Unfall. Bis Charles Leclerc fünf Minuten vor dem Ende des zweiten Trainings seinen Ferrari mit hoher Geschwindigkeit in der Absperrung versenkte.

Leclerc kam mit dem Schrecken davon. Ihn hatte es in Kurve 22 erwischt - die war schon vor dem Start ins Wochenende von vielen Fahrern als Gefahrenherd ausgemacht worden. Beim Einlenken auf einem Longrun mit mehr Benzin und alten Reifen verschätzte sich Leclerc leicht, worauf ihm im sechsten Gang vor dem Scheitelpunkt der Grip am Heck abriss. Rückwärts ging es mit nur sehr wenig Verzögerung in die dort aufgestellte TecPro-Barriere.

Leclerc-Ferrari übersteht Crash ohne schwere Schäden

Das Training wurde zwar nicht wieder gestartet, aber Leclerc konnte aussteigen und wurde nach einem kurzen Check im Medical Center für rennfit erklärt. Auch sein Ferrari SF21 dürfte den Abflug den ersten Untersuchungen nach den Umständen entsprechend gut überstanden haben. Zwar gab es natürlich viel Karbon-Kleinholz, aber die kritischen und strafrelevanten Teile - Chassis und Power Unit - haben den Anprall laut dem Team überlebt.

Die Kurven 22 und 23 gehören zu den schwierigeren Stellen einer ohnehin schon schwierigen Strecke. Die Fahrer kommen hier nach dem Vollgas-Geschlängel mit über 300 km/h an, und die Links-Rechts-Kombination geht noch immer mit 260 - solange man präzise auf der einzigen fahrbaren Linie bleibt. Zu aggressives Einlenken bedeutet, mit der Betonwand innen zu flirten. Wer zu spät dran ist, verliert viel Zeit. Spielraum für Fehler gibt es also keinen. Im Formel-2-Training hatte sich dort schon Logan Sargent als erster Fahrer des Wochenendes in die Mauer gedreht.

Leclerc nimmt die Schuld für den Abflug auf sich: "Es tut mir leid fürs Team, das viel Arbeit vor sich hat, um das Auto für morgen fertig zu bekommen, und ich werde alles geben, um das bestmögliche Ergebnis als Dankeschön einzufahren."

Ferrari in Saudi-Arabien gut aufgestellt

Am Freitag beendete er die Qualifying-Simulationen in einem engen und aufgrund der sich hier ungewöhnlich verhaltenden Reifen auf dem zehnten Platz, 0,673 Sekunden hinter der Mittelfeld-Benchmark-Zeit von Pierre Gasly und 0,183 Sekunden hinter seinem Teamkollegen Carlos Sainz, der auf Platz sieben in FP2 der bessere der beiden Ferrari-Piloten war.

"Der Tag hat leider nicht so geendet, wie wir wollten, aber wir haben unser geplantes Programm durchgebracht und alle Tests komplettiert, die wir in den beiden Trainings fahren wollten", ist Leclerc trotzdem optimistisch. Auch Teamkollege Sainz sieht Ferrari im Kampf um Platz fünf mit dabei: "Die Pace war den ganzen Tag da. Es waren nur unterschiedliche Reifenmischungen und Benzinladungen - jetzt müssen wir analysieren, wer vor und hinter uns ist. Momentan sieht es wie ein weiterer Enger Kampf zwischen AlphaTauri, Alpine, McLaren und uns aus."

Das Verhalten der Reifen bestätigt auch Sainz als ungewöhnlich: "Der soft wird eigentlich schneller, je mehr Runden du fährst, aber das gilt auch für Medium und Hard. Und bis du dann eine gute Runde fährst, sind alle drei Reifen performance-technisch sehr nah beieinander." Sorgen macht ihm das keine, denn die Balance im Ferrari war den ganzen Tag über gut.