Damit hatte wirklich niemand gerechnet: Valtteri Bottas und Lewis Hamilton starten beim Mexiko GP 2021 aus der ersten Startreihe. Red Bull, das in den Trainings einen überlegenen Eindruck machte, bleibt beim fünftletzten Rennen der Formel-1-Saison 2021 heute nur die zweite Startreihe.

Aber kann Mercedes die Sensation auch ins Rennen übertragen? Oder war es ein einmaliger Ausrutscher von Red Bull? Welche Rolle spielte Yuki Tsunoda mit seiner Blockade dabei? Und: (Wie) Bringt Mercedes die Reihenfolge zwischen Hamilton und Bottas in Ordnung? Der Favoritencheck zum Mexiko GP.

Verstappen ohne Tsunoda-Blockade wirklich weiter vorne?

Zunächst einmal: War Red Bull im Qualifying wirklich langsamer und falls ja, warum? Das unglückliche Aufeinandertreffen mit Tsunoda hinterließ den Eindruck, Max Verstappen hätte die Chance auf Pole dadurch verloren.

0,350 Sekunden lag der Niederländer in seinem ersten Versuch hinter der Pole-Zeit von Bottas. Im zweiten Anlauf lag Verstappen im ersten Sektor noch immer hinten, allerdings hatte er seine persönliche Bestzeit um etwas mehr als eine Zehntelsekunde verbessert.

Die Sektoren zwei und drei waren Red Bulls Stärke. Verstappen hatte dort im ersten Versuch zu kämpfen und verlor verhältnismäßig viel Zeit. Im ersten Versuch hatte der Niederländer die Reifen schlicht nicht im Fenster. Die Hinterachse rutschte nur so durch die Gegend. Beim letzten Versuch lief es besser. Wie viel besser? Das ist aber die große Frage.

Obwohl Verstappen nach eigener Aussage aufgrund des Zwischenfalls mit Perez und Tsunoda vom Gas ging, war er im Mittelsektor nur 0,001 Sekunden langsamer als zuvor. Im letzten Sektor übertrieb er es dann und verlor erneut Zeit. Ob es ohne Tsunoda gereicht hätte, lässt sich im Nachhinein nicht sagen. Es wäre aber eng geworden.

Verstappen-Probleme bereits im FP3

Bleibt aber noch immer die Frage, wo Red Bull die Performance verlor. Im 3. Freien Training hatte die Bullen noch eine halbe Sekunde Vorsprung. Doch das Unheil bahnte sich da schon an. Im letzten Versuch konnte sich Verstappen dort nicht mehr verbessern. "Ich habe überhaupt keinen Grip, es ist komisch", funkte der WM-Leader in diesem Moment.

Im Qualifying ging es ihm zeitweise ähnlich. Im ersten Versuch von Q3 waren die Reifen schlichtweg nicht im Fenster. Deshalb verbesserte er sich von Q1 auf Q3 nur um lediglich zwei Zehntel. Bottas fand in den wenigen Minuten satte neun Zehntel. Eine normale Evolution von Q1 auf Q3.

Neben den Problemen, die Red Bull mit den Reifen bekam, hatte Mercedes die eigenen Probleme plötzlich gelöst. Durch die höheren Temperaturen - der Asphalt erhitzte sich auf fast 50 Grad - bekam Mercedes die Reifen plötzlich ins Fenster. "Uns fehlte auf der ersten Runde noch etwas Pace, aber ich glaube, dass uns die höheren Temperaturen am Nachmittag entgegengekommen sind", bestätigt Pole-Setter Bottas. Vorder- und Hinterachse spielten plötzlich zusammen.

Mexiko-Höhenlage als Mercedes-Hilfe am Start

Aufgegeben hat Verstappen nach der bitteren Qualifying-Niederlage noch lange nicht: "Ich bin guter Dinge, denn morgen starten wir auf einem anderen Reifen und darauf war das Gefühl gut." Im Q2 qualifizierten sich alle bis auf Tsunoda auf den Medium-Pneus. Darauf war Verstappen noch bei der Musik.

Die Soft-Reifen werden im Rennen unter normalen Umständen gar nicht zum Einsatz kommen. Alle werden eine Einstopp-Strategie mit Medium und Hard probieren. Im Longrun dürfte Red Bull generell weniger Probleme damit haben, die Reifen ins Fenster zu bekommen.

Die Analyse vom Freitag ist aus zwei Gründen hinfällig. Einerseits fuhren Red Bull und Mercedes unterschiedliche Programme. Red Bull testete den Medium auf Herz und Nieren, Mercedes Soft und Hard. Andererseits stellt sich die Frage, welche Referenz der Freitag nach einem solchen Performance-Umschwung noch ist.

Die erste gute Chance bietet sich Red Bull am Start. 811 Meter lang ist der Sprint von Pole bis Kurve eins. "Es ist aber ein bisschen anders als zum Beispiel in Russland", meint Hamilton. "Der Sprint ist fast so lang, aber dort ist der Luftwiderstand höher und der Windschatteneffekt ist größer."

Die dünne Luft auf knapp 2.300 Meter über dem Meeresspiegel sorgt dafür, dass der Luftwiderstand geringer ist. Entsprechend bringt der Windschatten nicht so viel wie auf Meereshöhe. "Valtteri und ich werden ohne Zweifel als Team arbeiten, um die Plätze eins und zwei zu halten", kündigt Hamilton an.

Zieht Mercedes im Rennen die Teamorder?

Das könnte Mercedes' Joker am Start sein. Bottas kündigte bereits zu Beginn des Wochenendes an, im Zweifel für Hamilton zu fahren. Der Brite braucht im WM-Kampf jeden Punkt. Bottas muss am Start womöglich Hamilton den Windschatten geben, statt sich selbst zu verteidigen.

Valtteri Bottas möchte Lewis Hamilton im Kampf um den Fahrertitel unterstützen, Foto: LAT Images
Valtteri Bottas möchte Lewis Hamilton im Kampf um den Fahrertitel unterstützen, Foto: LAT Images

"Wir werden natürlich besprechen, wie die erste Gerade ablaufen kann", verrät Toto Wolff, schränkt aber ein: "Es kommt immer anders als man glaubt." Was aber, wenn Bottas nach dem Start noch immer führt? "Wir haben diese Diskussion noch nicht geführt, weil wir nicht dachten, dass wir in dieser Position sein würden", gesteht Wolff. "Jetzt ist die Situation anders und wir werden es vor dem Rennen in unserem Strategie-Meeting machen."

Bei Red Bull stimmt immerhin die teaminterne Reihenfolge. Trotzdem kann auch Perez auf Platz vier behilflich werden. Strategisch heißt es nämlich: Zwei gegen zwei. Erst zum dritten Mal in dieser Saison gehen Mercedes und Red Bull von den Rängen eins bis vier aus ins Rennen.

Fazit: Schlechte Longrun-Vergleiche, Performance-Umschwünge, der Tsunoda-Faktor, ein ewig langer Sprint bis Kurve eins und Strategie samt Teamkollegen: Dieser Mexiko GP hat so viele Unwägbarkeiten, dass das einzige Fazit laufen kann: Vorteil Mercedes, Prognosen unmöglich.

Red Bull sabotiert sich selbst! Kostet Quali FAIL den Sieg? (16:05 Min.)