Sebastian Vettel wurde in Ungarn die zweifelhafte Ehre zuteil, als erster Fahrer seit 2019 wegen einem technischen Vergehen von einem Formel-1-Rennen disqualifiziert zu werden. Aston Matin will das nicht auf sich sitzen lassen, und will Vettels zweiten Platz mit einem Einspruch und einer Forderung nach Neubeurteilung zurückgewinnen.

Disqualifikationen wegen technischen Verstößen sind in der Formel 1 also an und für sich relativ selten. Nur noch seltener: erfolgreiche Einsprüche. Motorsport-Magazin.com durchforstet das Strafen-Archiv, und blickt zurück auf die größten Technik-Skandale.

Ferrari-Einspruch im Kampf um Formel-1-WM erfolgreich

Einen Erfolg verzeichnete 1999 zuletzt Ferrari. Eddie Irvine, unterstützt von Michael Schumacher, feierte im vorletzten Grand Prix des Jahres in Malaysia einen dringend benötigten Sieg im Kampf um die Fahrer-WM. Nach dem Rennen aber gab es Ärger: Bei der Technischen Untersuchung allerdings stellten die FIA-Techniker fest: Die Bargeboards von Ferrari lagen nicht innerhalb der vom Technischen Reglement vorgegebenen Abmessungen, was Disqualifikation bedeutete. Mika Häkkinen und McLaren erbten den Sieg, und waren schon Weltmeister.

Aber Ferrari zog vor den International Court of Appeal, dem Berufungsgericht der FIA. Und bekam recht: Die in Frage gestellten Elemente bewegten sich in einem mit fünf Millimeter definierten Toleranzbereich. Die FIA hatte schlecht gemessen. Der Einspruch wurde zugelassen, Irvine bekam den Sieg zurück, verlor die Meisterschaft aber trotzdem beim Finale um zwei Punkte.

Ebenfalls erfolgreich war der Einspruch von Aston-Matin-Vorgänger Jordan gegen die Disqualifikation von Jarno Trulli vom USA-GP 2001. Die Techniker hatten eine zu stark abgehobelte Bodenplatte bemängelt. Jordans Gegenargument: Die Befestigungen waren bei einer Kollision kaputt gegangen. Aber viel wichtiger noch: Nur zwei der drei Stewards waren bei der Entscheidung anwesend, ausgerechnet der Vorsitzende fehlte. Das konstituierte einen Verfahrensfehler, Trulli bekam seinen vierten Platz zurück.

BAR trickst in Imola 2005 ab: Einspruch führt zur Disqualifikation

Einer der größten Technik-Skandale der letzten 20 Jahre begann hingegen gar nicht mit einer Disqualifikation. 2005 erwischten die FIA-Techniker in Imola den BAR von Jenson Button 4,99 Kilogramm unter dem Mindestgewicht. Die Stewards entschuldigten, aber die FIA selbst protestierte und zog vor den ICA. Mit Recht: Als BAR aufgefordert wurde, den Tank bei einer Demonstration zu leeren, blieben 8,92 Kilo in einem speziellen Zusatztank und 2,46 am Boden des Tanks. BAR-Reaktion: "Das war's."

BAR wurde 2005 in Imola nach Einspruch disqualifiziert, Foto: BAT
BAR wurde 2005 in Imola nach Einspruch disqualifiziert, Foto: BAT

Schlussfolgerung: BAR nutzte Benzin als Ballast, um beim Gewicht zu tricksen. Das Berufungsverfahren endete mit einer Disqualifikation für Button und Teamkollege Takuma Sato, sowie mit einer Sperre für die nächsten zwei Rennen. Von der FIA war eine Sperre für die ganze Saison angestrebt worden, die das Gericht aber nicht zuließ: Es sei nicht feststellbar, ob absichtlich betrogen wurde. Nur "höchst bedauernswerte Vernachlässigung und fehlende Transparenz."

Disqualifikationsgrund Benzin: Ein Klassiker in der Formel 1

Rund um das Benzin drehen sich viele der Disqualifikationen der jüngeren Formel-1-Geschichte. So auch beim einst sensationellen Heim-Podium von Daniel Ricciardo bei seinem Red-Bull-Debüt in Melbourne. Ricciardo wurde aus der Wertung geworfen, weil er die da zum ersten Mal angewandte Durchflussmengen-Beschränkung von 100 Kilo pro Stunde konstant überschritt. Red Bull beklagte Sensorprobleme und legte Berufung ein. Die wurde abgewiesen - teameigene Messungen, die das Team als besser definierte, wurden als irrelevant eingestuft, nur die der FIA-Instrumente gelten.

2018 erwischte es bei ungewöhnlichen Umständen zwei Autos in einem Rennen - aus ganz unterschiedlichen Gründen. In Austin wurde der Force India von Esteban Ocon nachträglich ausgeschlossen, weil er die Durchflussmengen-Beschränkung überschritt. Kevin Magnussens Haas hingegen wurde P9 aberkannt, weil er mehr als die erlaubte Gesamtmenge von 105 Kilogramm verbraucht hatte. Um 0,1 Kilo. Kein Team erhob Einspruch.

Renault im Disqualifikations-Krieg mit Privatteams

Andere Disqualifikationen kamen aufgrund von Protesten der Konkurrenz zustande. Und immer schien es in den letzten Jahren um Renault zu gehen. 2018 schwärzten die Franzosen in Monza Haas an, den Unterboden nicht an eine neue technische Richtlinie angepasst zu haben. Romain Grosjean verlor P6, Haas protestierte: Man habe die Richtlinie so kurzfristig wegen der Sommerpause und Zulieferer-Probleme nicht umsetzen können. Das Berufungsgericht wies die Argumentation zurück.

Renault (vorne) und Racing Point (hinten) duellierten sich in Japan 2019, Foto: LAT Images
Renault (vorne) und Racing Point (hinten) duellierten sich in Japan 2019, Foto: LAT Images

2019 in Japan fand sich Renault am anderen Ende wieder, als Racing Point Protest gegen ein System der Franzosen einlegte, welches die Bremsbalance automatisch verstellte. Das wurde als Verstoß gegen die Vorgabe, dass der Fahrer das Auto allein und ohne Hilfe fahren muss, aufgefasst. Ein zu Racing Point abgewanderter Mitarbeiter hatte das System verraten. Daniel Ricciardo und Nico Hülkenberg verloren P6 und P10, Renault verzichtete nach Bedenkzeit auf einen Einspruch.

Disqualifikationen und Messfehler

Was noch bleibt, sind Messfehler. 2011 flogen in Australien die Sauber von Sergio Perez und Kamui Kobayashi aus der Wertung, weil sich das Team bei den eigenen Checks des obersten Heckflügel-Elements vertan hatte. Robert Kubica verlor 2006 seinen siebten Platz beim F1-Debüt mit BMW, weil das Auto zu leicht war - weil das Team die Reifenabnutzung für trockene Bedingungen berechnet hatte. Die Regenreifen nutzten sich stärker ab, waren daher leichter, und daher war das Auto zu leicht.

Und Felipe Massas Williams wurde 2015 in Brasilien ausgeschlossen, weil der rechte Hinterreifen um 27 Grad über dem von Pirelli vorgegebenen Limit gemessen wurde. Williams beklagte, dass die Messung falsch wäre, und wollte sogar Beweise haben - lehnte einen Protest aber ab. Weil er die WM-Position nicht verändert hätte, und daher in den Augen des Teams schlichtweg verschwendetes Geld wäre.