Die Pole Position von Max Verstappen beim Frankreich GP 2021 ist zumindest eine kleine Überraschung. Nach Monaco und Baku hatte die Formel-1-Welt erwartet, dass Mercedes auf einer konventionellen Rennstrecke zurückschlagen kann. Dazu sollten - zumindest in der Theorie - die beiden Technischen Direktive rund um Heckflügel und Reifendrücke Red Bull mehr zu schaffen machen.

Trotzdem setzte sich Verstappen mit zweieinhalb Zehntelsekunden sogar relativ deutlich gegen Lewis Hamilton und Valtteri Bottas durch. "Die Strecke lag uns 2019, aber seither hat sich viel getan", schränkt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ein. Und die Direktiven? "Es ist niemals eine einzelne Sache", so Wolff.

Formel 1 Frankreich: Kontert Mercedes im Rennen gegen Red Bull?

Doch wie sieht es im Rennen aus? Können Red Bull und Verstappen auch da Mercedes schlagen? Zu Saisonbeginn war Qualifying die große Stärke der Bullen, im Rennen schlug dann Mercedes zurück. "Meine Stärke ist das Rennen und ich habe ein richtig gutes Rennauto", wirft aber Sergio Perez ein. Der Mexikaner startet von Rang vier, direkt hinter den beiden Mercedes-Piloten.

Perez ist angesichts der Ausgangslage geradezu euphorisch: "Zuletzt hatte ich immer gute Starts, mein Plan ist es, da ein paar Plätze gutzumachen und einen Red Bull Doppelsieg heimzufahren." Ob Perez am Start Plätze gewinnt oder nicht, einmal mehr zeigt sich, dass sich die Verpflichtung von Perez für Red Bull schon gelohnt hat. Strategisch ist es nicht mehr zwei gegen einen für Mercedes, es ist ein faires Duell mit zwei Piloten auf beiden Seiten.

Formel 1: Experten erwarten keinen strategischen Kracher

Strategisch erwarten die Experten in Frankreich keinen Kracher. Mehr als ein Stopp sollte unter normalen Umständen niemand machen. Aber auch da spielt der Zeitpunkt der Reifenwechsel eine Rolle - und ein zweiter Fahrer kann dabei behilflich sein, Druck aufzubauen oder den Konkurrenten zu covern. Aber einen echten Vorteil kann man dabei für niemanden mehr ausmachen.

Formel 1, Frankreich: Hat Hamilton eine Chance gegen Red Bull? (09:44 Min.)

Interessant war, wo Mercedes auf Red Bull verlor: Auf den Geraden. Auch ohne Flexi-Flügel gingen die Bullen-Bomber auf der langen Mistral-Geraden wie die Hölle. Ein Teil davon mag vom neuen Honda-Motor kommen. Ferrari und Mercedes brachten schon in Baku neue Aggregate, Honda zog erst in Frankreich nach. Performance-Upgrades sind verboten. "Aber ein frischer Motor bringt immer ein paar PS", weiß auch Wolff.

Red Bull mit sehr flachen Frankreich-Flügeln: Fluch oder Segen?

Den größeren Teil aber machte der Heckflügel aus. Red Bull wählte die Low-Downforce-Variante, Mercedes setzte auf viel Abtrieb. "Bei uns hätte der kleine Flügel nicht funktioniert, weil wir dann in den Kurven zu viel verloren hätten", verrät Wolff. Im Rennen kann der große Flügel Fluch und Segen zugleich sein: Auf den Geraden könnten die Silberpfeile noch mehr verhungern, weil DRS nicht immer freigegeben ist. Dafür rutschen die schwarzen Boliden weniger und schonen so die Reifen etwas mehr.

Der wahre Joker aber könnte der große Flügel sein, wenn sich die Wetterprognosen bewahrheiten: Die Meteorologen sehen für das Rennen eine Regenwahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Auch zuvor soll es Niederschläge geben. Bei feuchter Strecke oder gar Regen wäre der große Flügel von Vorteil.

Red Bull: Höhere Reifendrücke im Rennen größerer Nachteil?

Bleibt es trocken, sieht es aber auch nicht gerade schlecht aus für Mercedes. Bevor die beiden Stadtkurse auf dem Programm standen, schlug die Stunde der Silberpfeile tendenziell erst im Rennen. Im Gegensatz zu den Vorjahren tats sich Red Bull im Qualifying leichter.

In Frankreich könnte der Effekt verstärkt werden. Denn die erhöhten Reifendrücke dürften vor allem im Renntrimm eine Rolle spielen. "Niemand weiß, wie es damit sein wird", meint Sergio Perez. Die Longruns am Freitag sind inzwischen wenig aussagekräftig, weil die Trainingseinheiten von 90 auf 60 Minuten verkürzt wurden. Mehr als zehn Runden am Stück ist darauf niemand gefahren.

Mercedes muss Angstreifen Soft nicht fahren

Bleibt es trocken und wird es heiß, besteht so erhöhte Blistering-Gefahr. Durch die hohen Drücke ist die Auflagefläche geringer. Die kleinere Kontaktfläche neigt dafür stärker zum Überhitzen. Die Reifen könnten dadurch von innen aufbrechen. Um ein Sicherheitsrisiko handelt es sich dabei erst einmal nicht, Performance aber geht verloren, ein zusätzlicher Stopp ist womöglich notwendig.

Ein zusätzlicher Stopp ist nicht geplant. Alle gehen von einem Einstopp-Rennen aus. Und auch das kommt Mercedes entgegen. Denn die Soft-Reifen, auf denen die Silberpfeile ihre Probleme hatten, kommen gar nicht zum Einsatz. Alle Top-10-Piloten qualifizierten sich auf den Mediums. Darauf war Mercedes im Q2 schneller als Red Bull. Im zweiten Stint kommen im Normalfall die harten Pneus zum Einsatz.

Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Bottas1351:38,153
Sainz941:38,625
Gasly1351:39,210
Ricciardo1251:39,668
Norris1571:39,834
Räikkönen1341:40,037
Mazepin1471:42,027

Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Bottas1371:37,464
Verstappen1791:37,825
Hamilton1691:38,100
Ricciardo1111:38,463
Perez1791:38,647
Räikkönen1231:38,829
Ocon1691:38,975
Sainz1431:38,992
Tsunoda1551:39,241
Russell16101:39,403
Vettel1791:39,413
Giovinazzi1671:39,713
Stroll1691:39,743
Schumacher1991:41,038

Longruns auf Hard

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Leclerc1471:38,523
Alonso1891:38,558
Latifi16101:39,895

Fazit: Es ist die perfekte Ausgangslage: Red Bull, das vermeintlich langsamere Rennauto, startet vorne, hat aber auch noch einen Vorteil auf den Geraden. Verstappen ist zudem nicht auf sich alleine gestellt, Perez ist in Lauerstellung. Der Frankreich GP könnte tatsächlich zum Krimi werden. Neben den Longruns auf den aufgepumpten Pirelli-Pneus ist auch das Wetter eine große Unbekannte.