Die Defekte an den Pirelli-Hinterreifen von Max Verstappen und Lance Stroll beim Großen Preis von Aserbaidschan bestimmen zu Beginn des Frankreich-GP die Gesprächsthemen im Fahrerlager von Le Castellet. Nach einer Pressemitteilung von Pirelli unter der Woche und Reaktionen durch Red Bull und Aston Martin äußerten sich bereits am Donnerstag erst zahlreiche Fahrer, dann Pirellis F1-Leiter Mario Isola ausführlich.

Trotz aller Erklärungen - insbesondere des Italieners - bleiben für manch einen im Paddock noch immer offene Fragen. So bezeichnete Verstappen die Ausführungen Pirellis zu den Gründen für den 'umlaufenden Bruch der Innenschulter' als vage und forderte mehr Aufklärung. Red Bull habe Pirelli immerhin auch alle Daten geliefert. "Sie sollten nun einfach sagen, was da vor sich geht, denn dann würde es leichter zu verstehen sein, als mit der Erklärung, die wir bisher hatten.

Andreas Seidl stichelt: Sorgsam gewählte Worte ...

Damit zielte der Niederländer noch auf die Pressemitteilung Pirellis vor dem Wochenende. Am Donnerstagabend nannte Mario Isola nähere Details. Doch auch die reichten nicht jedem Wettbewerber. Interessant gewesen sei das Hin und Her der vergangenen Tage, so Andreas Seidl am Freitag in Frankreich. "Mit der Technischen Direktive und den sorgsam gewählten Worten in den Presseaussendungen und Statements aller Beteiligter", sagt der McLaren-Teamchef.

Öffentlich mag Seidl die vorsichtigen Worte noch verstehen, hinter den Kulissen jedoch nicht. "Für uns ist es etwas enttäuschend, dass es nicht mehr Transparenz darüber gibt, was tatsächlich passiert ist, denn was in Baku geschehen ist, war ein für die Sicherheit kritisches Thema", sagt Seidl und kritisiert: "In der Vergangenheit gab es bei solchen Fällen Transparenz darüber, was passiert ist. Das ist gegenüber den Teams bisher nicht passiert. Das ist etwas enttäuschend."

McLaren: Hätten uns mehr Transparenz gewünscht

Mit dieser Kritik zielt Seidl weniger auf Pirelli und die betroffenen Teams als auf die FIA. "Das muss von der FIA kommen, sie haben die Power", sagt Seidl. "Aber am Ende sind es alle Parteien, die da involviert waren."

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Die Reaktion der Regelhüter - neue Kontrollmechanismen für Reifendrücke und -temperaturen schon in Frankreich begrüße McLaren allerdings. Aber: "Gleichzeitig war das aus unserer Sicht eigentlich nicht notwendig. Die Regeln waren schon vorher klar. Es gibt einen klaren Grund, warum wir Vorschriften von Pirelli bekommen und warum es diese Regeln gibt. Unser Team ist sich dessen sehr bewusst. Wir wissen, dass wir verantwortungsvoll mit diesen Vorschriften umgehen müssen, um sicherzustellen, dass wir unsere Fahrer nicht in Gefahr bringen."

McLaren unterstützt 'eigentlich nicht notwendige' Direktive

Ändern würde die neue Technische Direktive für McLaren daher nichts. Natürlich, der Reifendruck sei ein entscheidender Schlüssel für die Performance, so Seidl. Doch habe man sich eben ohnehin an alle Vorgaben Pirellis gehalten. Bei Red Bull und Aston Martin soll das nicht der Fall gewesen sein, so Pirelli. Zwar hätten die Teams keine Regeln gebrochen und die Checks vor Rennbeginn bestanden, doch seien die Drücke im Rennverlauf niedriger gewesen als die Vorgaben verlangten. Diese beziehen sich allerdings einzig auf den Check vor Rennbeginn. Daher lag kein Regelbruch vor.

McLaren wolle sich an allen Annahmen und auch an der Kritik an Pirelli nicht beteiligen, so Seidl. "Das unterstützen wir nicht", sagt der Bayer. "Pirelli hat ein sicheres Produkt für dieses Jahr produziert. Wenn du dein Auto und die Reifen nach den Vorgaben von Pirelli gefahren hast, gab es keine Probleme mit den Reifen", erinnert Seidl. "Deshalb wäre Transparenz für den gesamten Paddock wichtig, um zu verstehen, was da passiert ist und was diese Defekte ausgelöst hat."

Ferrari: Wer sich an Vorschriften hielt, hat nur mehr Arbeit

Ähnlich sieht Ferrari das Thema. Die Scuderia habe sich ebenfalls auch während der Rennen nie unterhalb der vorherigen Vorgaben befunden und erwartet keine Folgen, abgesehen von mehr Arbeit durch zusätzliche Kontrollen. "Für uns Teams sollte die Direktive nichts ändern. Sie ändert nicht, wie wir mit den Reifen umgehen. Sie ändert nicht unsere Running-Parameter der Reifen. Was sie tut, ist, dass sie eine Reihe an Checks hinzufügt, die sicherstellen sollen, dass du die Vorgaben Pirellis und der FIA respektierst", sagt Sportdirektor Laurent Mekies. "Aber wenn du die schon vorher befolgt hast, ändert das nichts daran, wie du dein Auto einsetzt. Du hast einfach nur viel mehr Checks."

Transparenz erhofft - und erwartet - sich der ehemalige FIA-Mann anders als Seidl nun sehr viel mehr von den neuen Kontrollen. "Es gibt nur weitere Checks, um sicherzustellen, dass wir diese Parameter befolgen. Es wird transparent sein", sagt Mekies. "Noch dazu ist es unsere Verantwortung als Teams, dass wir unsere Fahrer so sicher wie möglich rausschicken. Deshalb nehmen wir diese Parameter sehr ernst."

Neue Kontrollen: Wirklich keine Tricksereien mehr?

Kunde Alfa Romeo hofft, dass die nötigen Kontrollen tatsächlich konstant funktionieren. "Wenn wir eine neue Regelung haben, müssen wir sicherstellen, dass wir auch in der Lage sind, es zu überwachen und uns daran zu halten. Aber ich halte es für einen guten Schritt nach vorne", sagt Teamchef Frederic Vasseur. Alpine sieht es genauso.