Elf Tage ist der für George Russell bis dato vielleicht brisanteste Tag seiner noch jungen Formel-1-Karriere nun her. In Runde 32 des Emilia Romagna Grand Prix in Imola war der Williams-Pilot nicht nur mit Mercedes-Fahrer Valtteri Bottas kollidiert, noch dazu flogen nach den Trümmern auch verbal die Fetzen. Gegenseitig warfen sich der Brite und der Finne so einiges an den Kopf. Vor allem Russell ging dabei besonders forsch nach vorne und unterstellte Bottas sogar, wegen ihrer Rivalität um ein Mercedes-Cockpit für 2022 besonders hart gegen ihn gefahren zu sein.

Schon gut einen Tag später postete Russell in den Sozialen Medien eine Entschuldigung für sein Verhalten. Zuvor hatte sich Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff alles andere als begeistert von seinem Schützling gezeigt. Russell müsse das globale Bild im Kopf haben wenn er gegen einen Mercedes fahre, hieß es. Noch dazu habe Russell nicht nur Punkte, sondern auch Geld und - wegen der Budgetgrenze - möglicherweise ein weiteres Update für den Boliden gekostet.

Russell: Habe mich nach Unfall schwach verhalten

Am Donnerstag vor dem folgenden Grand Prix von Portugal am bevorstehenden Wochenende sind der Unfall und die Szenen danach bis hin zur Entschuldigung wenig überraschend das alles bestimmende Thema in der FIA-Pressekonferenz mit Russell. Der Unfall an sich könne passieren, so der Brite. „Das ist Teil des Rennsports“, sagt der Williams-Fahrer auf Nachfragen zu seinem Statement.

„Die Handlungen danach waren aber nicht mein wahres Selbst. Ich habe mich fast schon meinem Instinkt, einfach wegzugehen und nur ein paar Emotionen zu zeigen, widersetzt, was im Eifer des Gefechts vielleicht eine sehr schwache Bewertung war und später an diesem Nachmittag noch zu ein paar anderen Dingen geführt hat“, kritisiert der Brite seine eigene Reaktion in Imola. „Deshalb hielt ich es für nötig, mich am Montagmorgen für meine Taten zu entschuldigen. Denn ich will ein gutes Beispiel sein, ich will ein Vorbild sein - und diese Taten nach dem Vorfall waren kein gutes Beispiel“, ergänzt Russell, seit 2021 immerhin einer der Direktoren der Fahrergewerkschaft.

George Russell will Vorbild sein

Die Reaktionen seien eine gute Lektion gewesen. „Wenn die Emotionen hochgehen - und höher waren die bei mir vielleicht noch nie, immerhin war das bei 200 Meilen pro Stunde -, sollte man sich erst einen Moment nehmen, Abstand von der Situation nehmen und alle Blickwinkel betrachten, es rational ansehen“, sagt Russell. Hätte er das getan, wäre seine Wortwahl wohl anders ausgefallen. „Denn das war nicht mein wahres Selbst. Ich will nicht, dass man mich so sieht. Denn das war nicht Ich.“

Sein Statement habe sich unterdessen einzig auf die Vorfälle nach dem Unfall bezogen, so Russell weiter. Der Crash mit einem Mercedes selbst war dafür hinter den Kulissen umso mehr Thema. „Toto und ich haben seit dem Vorfall sehr viel gesprochen“, bestätigt Russell. „Die Inhalte bleiben privat, aber er hat mich sehr unterstützt und war sehr konstruktiv.“

Russell beschwört: Beziehung zu Mercedes sogar gestärkt

Probleme mit Mercedes habe er nicht bekommen. „Unsere Beziehung wurde durch den Vorfall kein bisschen beschädigt - wenn überhaupt, dann das Gegenteil. Dasselbe gilt gegenüber jedem bei Williams. Sie haben mich unglaublich unterstützt“, sagt Russell. Einen Inhalt der Gespräche mit dem Mercedes-Motorsportchef enthüllt der Brite auf Nachfrage dann doch - sein auch künftiges Verhalten als Williams-Fahrer in einem möglichen erneuten Duell mit einem Mercedes.

Formel 1 Crash: Schlafmütze Bottas verpennt Entschuldigung!: (08:39 Min.)

Russell: „Zuerst einmal: Wenn wir nochmal mit einem Mercedes kämpfen sollten, dann machen wir einen sehr guten Job und liegen in einer guten Position! Hoffentlich finden wir uns mal wieder in einer solchen Lage.“ Verhaltensregeln habe Wolff ihm allerdings keine auferlegt. „Du planst als Fahrer sowieso nie zu crashen und dein Rennen zu beenden, erst recht nicht mit deinem Teamkollegen“, sagt Russell. „Unabhängig von den Umständen.“

Russell sieht Hamilton & Bottas als Teamkollegen

Teamkollegen? Ja, genau das sind Lewis Hamilton und Bottas - nun? - für den Briten. „Ohne Mercedes’ Unterstützung wäre ich heute nicht hier“, sagt Russell. „Die Konsequenz daraus ist, dass Lewis und Valtteri auf gewisse Weise Teamkollegen für mich sind. [...] Ich bin dank Mercedes hier. Sie sind eine Familie für mich - wie Williams eine Familie für mich ist. Lewis und Valtteri sind für mich genauso Teamkollegen wie Nicholas [Latifi]. Und die erste Regel, die du als Rennfahrer lernst ist: ‚Crashe nicht mit deinem Teamkollegen!’“