Am ersten Juli verabschiedet sich mit James Allison ein ganz großer Name aus dem Formel-1-Fahrerlager. Allison, seit 2017 Technischer Direktor bei Mercedes und in dieser Position in der WM ungeschlagen, steigt aus dem Tagesgeschäft aus und übernimmt die neugeschaffene Position des 'Chief Technical Officer' in der Basis in Brackley.

Prompt kamen Gerüchte auf - ist der Platz eine Warteposition? Übernimmt Allison in naher Zukunft dann das Ruder von Toto Wolff, der schon im Vorjahr angekündigt hatte, sich auf der Suche nach einem Nachfolger zu befinden?

Mercedes weist Teamchef-Gerüchte entschieden zurück

"Ich würde sagen, wenn du es dir anschaust, dann wäre er absolut ein guter Teamchef", streut Wolff seinem abtretenden Technischen Direktor Rosen. Das war's dann aber auch schon: "Es ist ganz einfach. Er sagte mir: 'Nie, nie würde ich das machen!' Teamchef zu sein braucht andere Skills, also sagte er danke, aber nein danke."

Allison selbst führt weiter aus: "Zur Entscheidung, dass ich als Technischer Direktor abtreten wollte, kam ich schon 2019." Eine Vertrags-Verlängerung brachte ihn zum Nachdenken: "Ich wollte nicht zu lange bleiben, und rechtzeitig abtreten. Solange ich noch nützlich bin. Bevor ich eine Art alternde Peinlichkeit werde."

"Danach ging es nur mehr darum, das Timing so zu organisieren, damit das Unternehmen bei der Übergabe stärker wird", erklärt Allison. "Und den Posten an einen so guten Ingenieur wie Mike Elliott zu übergeben, erlaubt es dem Unternehmen, ohne Stolpern den Titelkampf weiterzuführen." Elliott, seit 2017 Technologie-Direktor, wird Allisons Nachfolge antreten.

Mercedes: Allison bleibt als Wolffs technischer Zwilling

Davon, alt oder peinlich zu sein, ist der 53-jährige Allison aber noch weit entfernt. Auch wenn er sich selbst für die Mercedes-Zukunft über einen frischen Wind freut. Mike Elliott als neuen Technischen Direktor schätzt er sehr hoch ein: "So ein Wechsel sorgt für viel Elan. Nicht nur durch die Chance für Mike - das erzeugt eine Art Wellen-Effekt. Das ist für ein Team generell sehr gesund."

Mercedes wollte ihn aber sicher nicht ziehen lassen, auch wenn Allison nach seiner Entscheidung eigentlich erst damit rechnete, "beiseite und zu meinem Sofa zu treten." Toto Wolff überzeugte ihn zu bleiben: "James ist ein immenses Asset für das Team, nicht nur als Ingenieur, aber er hat ein gutes Verständnis und einen guten Überblick über das, was in der Formel 1 über die Technik hinaus geschieht."

Mercedes denkt strategisch: Zukunft & über Formel 1 hinaus

"Er ist ein Sparringpartner für mich, was strategische Diskussionen, politische Diskussionen angeht, und er wird auch bei anderen Abteilungen und Rennprogrammen, die wir haben, mehr involviert", erklärt Wolff. "Daher ist es nur ein logischer Schritt, ihn zu meinem technischen Zwillingsbruder zu machen. Ich bin auch der Chef von Mercedes Motorsport, also macht es Sinn, einen Technischen Direktor für alle Motorsport-Programme zu haben. Dann bin ich CEO, er ist CTO, und ihm gefiel die Idee."

Das Mercedes-Dreamteam der letzten Jahre: Valtteri Bottas, Toto Wolff, James Allison, Lewis Hamilton & Motoren-Mann Andy Cowell, Foto: Mercedes
Das Mercedes-Dreamteam der letzten Jahre: Valtteri Bottas, Toto Wolff, James Allison, Lewis Hamilton & Motoren-Mann Andy Cowell, Foto: Mercedes

Schließlich hat Mercedes neben der Formel 1 unter anderem ein Formel-E-Team, und ein großes GT-Programm. Aus dem Tagesgeschäft der Formel 1 will sich Allison tatsächlich ganz heraushalten, nachdem er Nachfolger Elliott eingeführt hat. Der Fokus liegt auf Dinge, für die er als Technischer Direktor des F1-Teams nie Zeit hatte: "Es musste eine Rolle sein, wo ich mich auf einer längeren Wellenlänge bewegen konnte. Herausforderungen für das ganze Unternehmen. Wie wir uns technisch auf diese vorbereiten."

Teamchef-Frage für Mercedes in der Formel 1 bleibt offen

Das heißt nicht, dass er der Formel 1 nicht nachtrauern wird. Von allen Teams - davor war er unter anderem in Enstone und bei Ferrari - sei ihm die Mercedes-Zeit die liebste gewesen: "Ich werde auf jeden Fall auf diese goldene Zeit zurückblicken, und mich glücklich schätzen, dass ich mit dieser Gruppe in diesem Zeitfenster zusammengekommen bin, und Teil des wohl unglaublichsten F1-Teams aller Zeiten war."

Dieses Team sucht aber mittelfristig noch immer einen Teamchef. Toto Wolff hielt in Imola erneut fest, dass er den Job so nicht mehr ewig machen wolle. "Ich beobachte, was los ist, wer gute Arbeit macht, damit ich endlich von dem Wahnsinn wegkomme!", scherzt er. Vor einiger Zeit ließ hieß es, dass er einen Kandidaten ausgemacht habe: "Den Kandidaten gibt's noch. Nur der Kandidat weiß davon nichts."