Sebastian Vettels holpriger Einstand bei Aston Martin zählt in der deutschsprachigen Medienlandschaft zu den bislang bestimmenden Themen der noch jungen Formel-1-Saison 2021. Technische Probleme bei den Testfahrten, ein selbstverschuldeter Unfall mit Esteban Ocon, gleich beim Saisonstart fünf Strafpunkte und bisher langsamer als Teamkollege Lance Stroll, dem nicht gerade das Prädikat eines absoluten Top-Talents nachgesagt wird.

Vettels großen Neustart nach dem hässlichen Ende seiner Ferrari-Karriere hatten sich allen voran die Fans des viermaligen Weltmeisters anders vorgestellt.

Formel-1-Rookies nicht die einzigen Anfänger

Mit den schwierigen Eingewöhnungsproblemen in Grün steht Vettel allerdings längst nicht allein. Sämtliche Piloten, die zur Formel-1-Saison 2021 das Team gewechselt haben oder neu in der Startaufstellung stehen, tun sich bislang auffällig schwer.

Was ist mit Sebastian Vettel los? Danner spricht Klartext! (33:06 Min.)

Bei Mick Schumacher, Nikita Mazepin und Yuki Tsunoda mag das einleuchten. Trotz intensiver (Privat-)Tests vor ihren F1-Debüts handelt es sich bei dem Trio noch immer um Rookies. Eine gewisse, auch längere Anlaufzeit und Fehler sind da nicht nur logisch, sondern gehören, insbesondere unter AlphaTauri-Teamchef und -Chefausbilder Franz Tost, sogar regelrecht zum Programm.

Fernando Alonso kämpft beim Comeback: Bin zu langsam

Etwas auffälliger ist bereits der Fall Fernando Alonso. Nach zwei Jahren Pause kehrte der Spanier 2021 mit Alpine zurück in die Formel 1. Viele erwarteten den zweimaligen Weltmeister aus dem Stand zurück auf Pace. Teamkollege Esteban Ocon sprach etwa davon, Alonso werde schon im ersten Rennen voll abliefern. So schien es auch zu kommen. Zumindest in Bahrain ließ Alonso den Franzosen alt aussehen. Schon in Imola fuhr der Spanier allerdings plötzlich hinterher.

„Ich war zu langsam“, gestand Alonso selten kleinlaut nach seiner ersten teaminternen Niederlage in einem Qualifying seit 2017. Der Spanier selbst hatte ohnehin schon zuvor angekündigt, auch er werde sicherlich drei, vier Rennen brauchen, um wieder ganz der Alte sein zu können. In Bahrain kaschierte noch die Strecke die Probleme. Hier saß Alonso immerhin schon bei den Testfahrten zumindest eineinhalb Tage in der aktuellen Alpine. Imola war Neuland - prompt lief es schlechter.

Wechsel schwer wie nie: Kaum Tests, Teamkollegen kennen Auto

Ähnlich wie bei Carlos Sainz, Daniel Ricciardo, Sebastian Vettel und Sergio Perez. Allesamt erfahrene, gestandene und geachtete Formel-1-Piloten. Allesamt wechselten sie im Winter ihre Lager. Allesamt kämpften und kämpfen sie noch damit, sich als Einheit mit ihrem neuen Material zu fühlen. Gerade in Imola wurde das mangelnde Vertrauen offenbar, erst recht bei auch noch unbekannten Mischbedingungen am Sonntag.

Damit kam so gut wie alles zusammen. 2021 haben es Fahrer, die das Team gewechselt haben, so schwer wie nie zuvor. Kaum Testfahrten (nur 1,5 Tage je Fahrer), verkürzte Freitagstrainings (2x 60 statt 2x 90 Minuten) und weitgehend homologierte Vorjahresboliden, also eine Saison Erfahrungsvorsprung für ihre Teamkollegen Charles Leclerc, Lando Norris, Max Verstappen, Esteban Ocon und Lance Stroll - da kann es nur schwer werten, selbst für große Namen.

Nach zwei Saisonrennen liegen alle Teamwechsler oder Rückkehrer somit geradezu logisch auch in der WM-Wertung hinter ihren Teamkollegen zurück. Doch wie gehen die betroffenen Piloten damit um? Motorsport-Magazin.com hat alle Stimmen gesammelt.

Sebastian Vettel, Aston Martin

Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
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Sebastian Vettel verlor seine ersten beiden Qualifying-Duelle bei Aston Martin gegen Lance Stroll deutlich. Fast eine halbe Sekunde fehlte im Schnitt auf den Kanadier. Auch in den Rennen schnitt Stroll besser ab. Vielleicht mehr als alle anderen Teamwechsel verfügt Vettel jedoch über eine Entschuldigung. Seine Testfahrten wurden durch technische Probleme ganz besonders beeinträchtigt. Weniger Runden als Vettel spulte in Bahrain kein Stammpilot an.

So fehlt es noch an Vertrauen in sein neues Auto - und die neue Power Unit im Heck. Gerade auf einer Fahrerstrecke wie Imola zeigte sich das. „Ich brauche noch dieses letzte bisschen Vertrauen, vielleicht kämpfen die Fahrer in neuen Teams da etwas mehr“, sagte Vettel am vergangenen Wochenende. Bei ihm sei es jedenfalls so gewesen, insbesondere im Qualifying. Es werde allerdings schon langsam besser, so der Deutsche. „Zeit im Auto wird helfen - und schlechter kann es kaum noch werden, da bin ich recht sicher“, scherzte Vettel.

Volle Rückendeckung erhält Vettel von seinem Team. „Wenn die Fahrzeugphilosophien völlig unterschiedlich sind, dann braucht es Zeit“, sagt Otmar Szafnauer. „Ich habe auch mit Checo [Sergio Perez] gesprochen. Der ist zu Red Bull gegangen, die eine andere Philosophie haben als wir. Und der sagt dasselbe. Dass es einfach Zeit im Cockpit braucht, um diese feinen, feinen Unterschiede herauszufinden, um das Maximum aus dem Auto zu holen.“

Die generell kurze Testzeit in diesem Jahr habe da alles andere als geholfen. „Am meisten bedauere ich aber, dass wir auch nicht zu zuverlässig waren, wie wir es hätten sein sollen. So hat Sebastian Vettel einen signifikanten Teil seiner eineinhalb Tage verloren. Wäre Seb mehr im Auto gewesen, wäre er jetzt schon an einer anderen Stelle auf der Lernkurve“, sagt Vettels neuer Teamchef.

Daniel Ricciardo, McLaren

Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
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Auch Daniel Ricciardo zog bislang den Kürzeren gegen Lando Norris. Im Qualifying war der Brite im Schnitt eineinhalb Zehntel schneller, im Rennen lag Norris ebenfalls vorne. Nach Imola hält Norris bei fast doppelt so vielen WM-Punkten, während des Rennens musste Ricciardo seinen Teamkollegen auf Anweisung McLarens sogar vorbeilassen, um ihn nicht aufzuhalten.

„Da musste ich meinen Stolz echt runterschlucken“, sagte der Australier nach dem Rennen. Ricciardo spielte allerdings voll und ganz mit. „Das Team war sowieso fair. Sie haben mir alle Zeit gegeben, meine Pace zu zeigen“, sagte Ricciardo. Zeitweise habe er auch gute Rundenzeiten setzen können. „Aber das war heute nicht genug. [...] Als ich gepusht habe, habe angefangen, den rechten Vorderreifen zu zerstören.“

Gerade im engen Mittelfeld zähle jede Zehntel, so Ricciardo. „Du kannst es dir nicht leisten, wenn du nur ein paar Zehntel hinter der Pace bist. Dann bist du im Q2 raus.“ Gerade in Imola habe er sich schwergetan, so Ricciardo. „Auf dieser Strecke musst du dich im Auto wohlfühlen, wenn du mit dem Auto am Limit bist. Du musst das Vertrauen haben. Und da habe ich dieses Wochenende länger gebraucht als in Bahrain.

Die Eingewöhnung des Australiers ist also längst nicht abgeschlossen. Damit habe man bei McLaren allerdings auch gerechnet. „Wir wissen, dass es nicht einfach ist, von einem Auto ins andere zu springen, wenn man nur eineinhalb Testtage hat“, sagte Andreas Seidl. „Wir sehen das auch bei anderen Fahrern, und diese Fahrer sind alle sehr talentiert und haben jede Menge Erfahrung und passen sich eigentlich sehr schnell an.“

Der McLaren-Teamchef weiter: „Aber diese Autos sind komplex, da ist es schwierig diese letzten zwei, drei oder vier Zehntel zu finden und den Unterschied auszumachen. Das ist nicht mal eben gefunden und aus diesen Autos herauszuholen, wenn sie sich noch nicht ganz wohlfühlen. Das braucht Zeit, es ist keine Überraschung.“ Mit der Erfahrung Ricciardo sei es allerdings nur eine Frage einiger weiterer Wochenenden, kündigt Seidl an.

Sergio Perez, Red Bull

Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
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Sergio Perez setzte sich in Imola zumindest im Qualifying überraschend gegen Max Verstappen durch. In Bahrain hatte der Mexikaner noch haushoch verloren, allerdings spielten da auch Bremsprobleme hinein. Im Rennen war Perez dafür besser, in Imola lief es genau andersherum. Schlechter Start, Ausritt hinter dem Safety Car, unerlaubt überholt und auch noch ein Dreher - Perez zeigte einen selten schwachen Sonntag.

Nur der Regen soll nicht dafür verantwortlich gewesen sein, aber auch. „Ich schaue nicht, was die anderen machen, aber es ist sicherlich eine große Aufgabe, das Team zu wechseln und dann bei solchen Bedingungen dein zweites Wochenende im Auto zu fahren“, sagte Perez. „Das ist ziemlich brutal. Auch wenn ich gestern eine gute Runde gefahren bin, bin ich noch nicht da. Man hat ja heute gesehen, wie weit ich weg war und wie schwierig und knifflig die Dinge noch für mich sind.“

Damit bestätigte Perez die Worte seines ehemaligen Teamchefs Szafnauer - und die seines aktuellen. „Es liegt einfach an Zeit im Cockpit. Das ist einfach anders als das, was er gewohnt ist“, sagte Christian Horner. „Ich lerne einfach noch“, sagte der Mexikaner. „Es ist einfach knifflig“, ergänzte Perez speziell über Imola. „Aber keine Ausreden, einfach härter arbeiten!“ Wie Seidl bei McLaren von Ricciardo erwartet auch Horner einen baldigen Aufschwung: „Da werden großartige Rennen von ihm kommen!“

Fernando Alonso, Alpine

Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
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Wie bereits thematisiert: Zwischen Fernando Alonso und Esteban Ocon steht es ebenfalls unentschieden - zumindest im Qualifying. In Imola tat sich allerdings auch der Spanier sehr viel schwerer als zuvor in Bahrain, noch während des Rennens zog Alonso allerdings diverse Schlüsse.

„Das Gefühl war von Runde 1 bis 63 300 Prozent besser, was mein Vertrauen ins Auto anging“, sagte Alonso nach sehr selbstkritischen Tönen im Qualifying am Sonntag. Es sei einfach schwierig, sich einzufinden, so der Spanier. „Jeder von uns hat da seine Geschichte oder Schwierigkeit. Ich habe in meiner Karriere oft die Teams gewechselt - oder sogar die Kategorie im Motorsport. Es gibt immer diese Phase, in der du dich anpassen muss. Aber das kann keine Entschuldigung sein, auch jetzt nicht. Ich sollte besser sein!“

Dasselbe gelte für die kurzen Testfahrten. „Es spielt keine Rolle, ob du wenig Zeit im Auto hattest“, entkräftet Alonso auch das Argument Aston Martins wegen Sebastian Vettels Problemen. Alonso sieht sich nicht als Opfer der Umstände, sondern schlicht selbst, in der Verantwortung dafür, trotzdem besser zu sein. Das werde er auch - schon beim nächsten Rennen. Alonso: „Ich war dieses Wochenende nicht auf dem richtigen Level, aber in Portimao werde ich es sein.“

Überrascht hat Alonso das knifflige Comeback ohnehin nicht. „Es ist genau so gekommen, wie ich erwartet habe“, sagte Alonso. Tatsächlich hatte er schon vor der Saison angekündigt, einige Rennen zu brauchen. „Über Nacht komme man eben nicht auf 100 Prozent. „Über Nacht kommst du nicht auf 100 Prozent. Das braucht Zeit“, sagte Alonso. „Das gilt auch nicht nur für mich, sondern alle, die das Team gewechselt haben. [...] Du brauchst einen Mindestlevel an Vertrauen, gerade auf solchen Strecken wie hier, wenn es dann ans Qualifying geht. Und auf diesem Level bin ich noch nicht.“

Carlos Sainz, Ferrari

Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
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Bei Carlos Sainz geht die Schere zum Teamkollegen wieder weiter auseinander. Gegen Charles Leclerc setzte der Spanier noch keinen Stich. Zwei Niederlagen im Qualifying, im Schnitt vier Zehntel zurück. In den Rennen lief es besser, Sainz fehlen sogar nur sechs WM-Punkte auf Leclerc. Allerdings überfuhr der Spanier speziell in Imola den Ferrari ziemlich offensichtlich. Die Fehlerquote war zu hoch.

Das Qualifying sei jedoch klar Kern des Problems, so Sainz - und kein Wunder. Einmal wegen der generellen Eingewöhnung bei Ferrari - und wegen Leclerc. „Ich weiß, dass er ein Qualifying-Experte ist“, sagte Sainz, erfahren mit Teamwechseln. Der Spanier wechselte bereits von Toro Rosso zu Renault, dann zu McLaren und nun zur Scuderia. „Besonders in diesem Ferrari sieht er wirklich Zuhause aus. Er weiß genau, was er vom Auto erwarten kann, wenn der Grip im Q2 und Q3 zunimmt. Er ist ein Experte“, sagte Sainz über Leclerc.

Er habe allerdings bereits beobachtet - sowohl in Bahrain als auch Imola - in sämtlichen Kurven genauso schnell sein zu können. Nur nicht zusammenhängend. „Wenn ich die Runden zusammenbekommen, kann ich dabei sein“, sagte Sainz. Noch dazu sei er bereits sicher, wie genau er das hinbekommen könne. „Ich muss es noch etwas analysieren, aber ich weiß schon, wie ich das abrufen kann“, versprach der Spanier.

Letztlich weiß allerdings auch Sainz: Vor allem geht es um noch fehlende Erfahrungswerte. „Im Grunde musst du einfach wissen, wie das Auto bei welchem Winkel [beim Überfahren von Kerbs] reagieren wird und musst damit dann einfach super präzise sein.“