Der Große Preis der Emilia Romagna 2021 geht als eines der chaotischsten Rennen überhaupt in die Formel-1-Geschichte ein - und in die Geschichte der denkwürdigen Rennen des Lewis Hamilton. In Imola war es diesmal allerdings keine Glanzleistung des siebenmaligen Weltmeisters und Rekordsiegers der Königsklasse auf ganzer Linie. Im Gegenteil. Hamiltons Rennen prägten zunächst eine kleine Schwäche und ein großer Fehler, ehe der Brite einmal mehr seine ganze Racecraft in den Asphalt brannte.

Die Schlüsselszene seines Rennens war ein Unfall genau zur Rennmitte. In Runde 31 lancierte Hamilton einen Überrundungsversuch gegen George Russell. In Tosa setzte sich der Weltmeister innen neben den Williams, verließ so die trockene Idealline und geriet auf den nassen Teil des Asphalts. Die erste Hälfte des Grands Prix hatten leichter Regen und feuchte Bedingungen geprägt.

Lewis Hamilton: Erster Fehler seit langer Zeit

Bei seinem Manöver schätzte Hamilton den Grip neben der trockenen Linie falsch ein, sein Mercedes entfaltete so gut wie keine Bremswirkung und rutschte durch das Kiesbett auf der Außenseite der engen Haarnadel, die Streckenbegrenzung kam näher und näher, trotz aller Mühen war ein Einschlag unvermeidlich. Hamilton kam zum Stehen. Das Aus? Nein. Nach einer gefühlten Ewigkeit setzte Hamilton zurück, befreite seinen F1 W12 und fuhr weiter. „Der Rückwärtsgang wollte einfach nicht reingehen. Ich habe auf den Knopf gedrückt, aber es hat ewig gedauert, bis er funktioniert hat. Ich dachte schon nicht mehr, dass es noch funktionieren würde“, sagt Hamilton. Fast 90 Sekunden Rückstand hatte sich Hamilton so allerdings auf den Führenden, Max Verstappen, eingefangen.

„Es ist mein erster Fehler seit einer langen Zeit, aber ich bin dankbar, dass ich das Auto trotzdem noch nach Hause bringen konnte“, gesteht Hamilton. „Es gab nur eine trockene Linie und ich denke, ich war etwas zu eilig, an allen vorbeizukommen. Als ich nach innen gezogen bin konnte ich sehen, dass es nass war und habe versucht, zu verzögern. Aber das Teil wollte einfach nicht anhalten und so hat es mich rausgetragen“, schildert der Brite die einschneidende Szene. „Etwas unglücklich, aber ich bin echt dankbar, dass wir es wieder ans Laufen bekommen und ein paar Punkte bekommen haben. Das war heute echt wichtig.“

Hamilton fürchtete schon Big Point für Verstappen

Immerhin war Verstappen an der Spitze durch den Patzer Hamiltons seines einzigen Gegners im Kampf um den Sieg entledigt. Der Niederländer war auf dem Weg, einen Big Point im WM-Kampf gegen Hamilton zu landen. „Ohne Zweifel wird es im Saisonverlauf noch sehr wertvoll sein, es heute zurück auf P2 geschafft und diese Punkte geholt zu haben“, sagt Hamilton. „Wenn wir heute 25 Punkte verloren hätten, wäre es hart geworden, dass zurückzuholen. Denn Red Bull hat erstmals ein WM-taugliches Auto, das unfassbar schnell ist.“

Bis auf den zweiten Platz schaffte Hamilton es also zurück. Trotz eines riesigen Rückstands. Wie? Der Brite profitierte ausgerechnet von einem Unfall jenes Piloten, der zuvor für seinen Fehler gesorgt hatte: George Russell. Weil der Williams-Pilot heftig mit Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas kollidierte, unterbrach die Rennleitung das Rennen vollständig. Das nullte nicht nur Hamiltons Rückstand - zu diesem Zeitpunkt Neunter -, sondern gab Mercedes auch Gelegenheit, Unfallschäden zu reparieren.

Hamilton & Verstappen berühren sich am Start

Seit Kurve zwei der ersten Rennrunde war Hamilton mit einem defekten Frontflügel unterwegs. In der Tamburello hatten sich Hamilton und Verstappen im Kampf um die Führung leicht berührt. Verstappen hatte von P3 den besten Start in der Spitzengruppe erwischt und alle ausbeschleunigt. „Ich bin am Start nicht am besten weggekommen, es war sehr knifflig mit den Bedingungen. Aber wir sind nur Menschen, von diesem kleinen Fehler kann man lernen“, sagt der Brite. Hamilton hielt vor der ersten Kurve dennoch starr dagegen. In Kurve zwei wurde es dann eng - zu eng.

In Kurve zwei kam es zu einem Kontakt mit Verstappen, Foto: LAT Images
In Kurve zwei kam es zu einem Kontakt mit Verstappen, Foto: LAT Images

"Max kam immer und immer mehr rüber. Wir haben uns leicht berührt und ich musste dann auf diesen großen Kerb“, schildert Hamilton eine Flugeinlage. Die brauchte den Mercedes fast völlig aus der Fassung. Nur knapp behauptete Hamilton überhaupt P2. Eine Beschädigung an der Endplatte seines Frontflügels erschwerte dem Briten daraufhin das Leben. „Das hat die Balance verändert“, sagt Hamilton. Verstappen baute zügig einen Vorsprung von fünf Sekunden auf.

Hamilton jagt Verstappen - trotz Schaden

Im Lauf des ersten Stints auf Intermediates schlug das Pendel dann plötzlich wieder in die andere Richtung aus. Hamilton holte wieder auf, war nur noch eine Sekunde weg. „Lewis erlebte ein zweigeteiltes Rennen. Die erste Hälfte wurde durch den Schaden an seinem Frontflügel nach der Berührung mit Max beeinträchtigt. Das verbesserte sich leicht, als die Fußplatte sich komplett löste, aber es fehlte immer noch eine ganze Menge an Last und Balance“, erklärt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin. „Deshalb waren wir etwas überrascht, als Lewis gegen Ende seines Stints auf Intermediates auf Max aufschließen konnte.“

Das gelang, weil Verstappens Reifen offenbar schneller abbauten. Gerade noch rechtzeitig kam der Niederländer in Runde 27 dann einem Undercut Hamiltons zuvor. Der Brite kam eine Runde später. Trotz einer schnellen letzten Runden auf dem Intermediate blieb Hamilton hinter Verstappen - auch durch einen langsamen Boxenstopp von rund vier Sekunden. So lag Hamilton also wieder hinter Verstappen, als ihm sein großer Fehler unterlief.

Bottas-Crash nullt Hamilton-Rückstand

Ein Fehler, der sich dem Briten eingebrannt hat. „Ich erinnere mich noch daran, wie ich dasaß, die Barriere angesehen habe und mich vor dem Gedanken geweigert habe, dass das Rennen vorbei sein könnte“, schildert Hamilton. „Ich hätte auch einfach aussteigen können, aber ich bin froh, dass ich das nicht habe. Ich bin froh, dass ich rückwärtsgefahren bin und dann die ganze Wut in positive Energie verwandelt habe!“

Das zeigte Hamilton dann in der zweiten Rennhälfte, jetzt mit vollständig repariertem Auto. „Die Rennunterbrechung gab uns die Chance, das Auto zu reparieren und im letzten Stint haben wir gesehen, wozu es in der Lage war. Es war eine großartige Aufholjagd von Lewis und eine beeindruckende schnellste Runde“, sagt Shovlin. Die verhalf Hamilton sogar zur noch immer alleinigen WM-Führung mit 26:25 Punkten gegen Verstappen. „Es geht nicht darum, wie du fällst, es geht darum, wie du wieder aufstehst. Echt klasse, es auf P2 zurück geschafft zu haben“, sagt Hamilton. „Ich bin einfach dankbar für die Lektion.“

Große Aufholjagd

Die Aufholjagd, mit Manövern gegen die in Imola starken Ferrari von Carlos Sainz und Charles Leclerc sowie den überragenden Lando Norris, selbst habe einmal mehr leichter ausgesehen als sie gewesen sei, so der Brite. „Ich wusste auch dann nicht, ob ich in der Lage sein würde, zu überholen. Denn abseits der Linie sollte es ja wieder nass ein. Aber ich hatte ein paar klasse Kämpfe mit den ganzen Jungs“, schwärmt Hamilton. Einmal mehr fühlte er sich an seine Kart-Tage erinnert. „Da hatten wir ein echt altes Go-Kart, ich bin immer von hinten gestartet. Das war zurück zu den Wurzeln.“

„Seine Aufholjagd nach dem Re-Start war danach absolut erstklassig“, lobt Toto Wolff. „Die Weltmeisterschaft dank der schnellsten Rennrunde anzuführen, ist eine Sache, aber was heute ein kleiner Lichtblick war und dem Tag eine positive Note verleiht, ist die Tatsache, dass wir ein richtig schnelles Rennauto zu haben scheinen.“